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Digital In Arbeit

Gebt den Frauen das Kommando?

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Kollegin K. ärgert sich: Ihre Stellungnahme bei der wöchentlichen Konferenz scheint nicht gehört worden zu sein. Die Diskussion ihrer Kollegen geht weiter, ihr Beitrag wird nicht einbezogen. Ist Frau K. nur ein Einzelfall, eine Frau, die zu leise spricht, die sich nicht durchsetzen kann, ist das ganze also nur „ihr Problem” - oder steckt dahinter etwa mehr?

Danach, was hinter solchen und vielen anderen Situationen im Leben von Frauen steckt, fragen Frauenbewegungen im allgemeinen und Feministinnen im besonderen seit geraumer Zeit. Längst nicht mehr wahrgenommene Ungerechtigkeiten (viele Frauen verdienen bei gleicher Arbeit weniger als Männer) werden ebenso ausgesprochen und angeprangert wie jene zahllosen Rollen, die Frauen spielen müssen, um als solche ernst genommen zu werden: die Frau als Mutter, als Ehefrau, als Nonne, heute auch als Freundin und Geliebte, hat ihren sozialen Status, sie darf „Heilige” und „Hure” sein, bloß nicht -Frau.

Ein natürliches weibliches Selbstverständnis ist offenbar Legende. Die Existenz von feministischen Strömungen beweist dies: Traditionelles weibliches Verhalten wird hier mit Eifer „geoutet”, Frauen, die die alten Rollen bewahren, gelten als Verräterinnen des eigenen Geschlechts. In diesem Sinne erteilt auch die Erste Europäische Frauensynode „bereits im Vorfeld eine Absage an alle neokonservativen politischen und kirchlich-religiösen Strömungen, die mit traditionellen Familienmodellen und deren religiösen Legitimierungsabsichten die Ausbeutung und Mar-ginalisierung von Frauen im Auge haben”. Mehrere nationale Frauensynoden in Osterreich, den Niederlanden, der Schweiz und Deutschland bereiteten das Großprojekt einer gesamteuropäischen Synode vor.

Unter dem Motto „Frauenmacht verändert das 21. Jahrhundert” werden sich vom 21. bis zum 28. Juli 1996 in Gmunden Frauen zur Ersten Europäischen Frauensynode versammeln. Inhaltlich schließt die Synode an die letztes Jahr in Peking abgehaltene UN-Weltfrauenkonferenz an. Wesentliche Themen dieses Treffens - beispielsweise Fragen der Umverteilung von Arbeit, Macht und Verantwortung, Bildung, Betreuungsleistungen - werden auch Schwerpunkt der diesjährigen Synode sein. Darüber hinaus soll auch die kirchenpolitische und theologische Dimension dieser Fragen beleuchtet werden.

Die Veranstaltung ist interreligiös und ökumenisch ausgerichtet und wird von verschiedenen Frauenbewegungen mit gesellschaftspolitischer und feministisch-theologischer Ausrichtung getragen. Maßgeblicher Trägerverein war das Österreichische Frauenforum Feministische Theologie. Zu den Referentinnen zählen unter anderen die Wiener Politologin Eva Kreisky, die feministische Theologin Catharina Halkes (Niederlande) sowie die deutsche Sozialministerin Regine Hildebrand. Geplant sind sowohl intellektuelle Auseinandersetzung aber auch religiöse Feiern.1

Insgesamt zielt die Veranstaltung auf eine Gleichstellung der Frau in allen Belangen ab. In der Geschlechterpolitik etwa soll nicht von „equity” (Angemessenheit), sondern von „equality” (Gleichheit) die Rede sein. Einer der Hauptangriffspunkte der Synode ist naturgemäß der Ausschluß der Frauen vom Priesteramt in der römisch-katholischen Kirche.

Gleichstellung in allen Belangen

Frauen werden sich auf dieser Synode selbst „ermächtigen” und bei Gottesdiensten „mit großer Selbstverständlichkeit den Altarraum für sich in Anspruch nehmen”, wie es in einer Presseaussendung heißt. Bei allem Verständnis für die Thematik stimmt doch das verwendete Vokabular nachdenklich: Ist Liturgie, die unter dem Gesichtspunkt eines „Anspruchs” betrachtet wird, tatsächlich Liturgie? Wenn Gottesdienstfeiern zum Schauplatz eines weiblichen Machtkampfes degenerieren, ist Besinnung angesagt.

Cui bono? Wem nützt es? Frauen, die mit Gewalt jene Macht an sich reißen wollen, die Männer inneha-ben(hatten), agieren keinen Deut besser als diese.

Die Frage, auf wessen Kosten hier eigentlich gekämpft wird, muß sich die Gmundner Synode, die unter dem sprechenden Motto „Frauenmacht im 21. Jahrhundert” läuft, wohl gefallen lassen.

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