Geschichten statt Chinesischkurs

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Wolfgang Bergmann war immer der Gute. Anders als die Scharfmacher Michael Winterhoff ("Warum unsere Kinder Tyrannen werden“) oder Bernhard Bueb ("Lob der Disziplin“) setzte der deutsche Pädagoge und Familientherapeut im Umgang mit Kindern stets auf Gelassenheit und das, was er "gute Autorität“ nannte. Im letzten Buch, das er vor seinem Krebstod im Mai 2011 publizieren konnte, ist Bergmann dann doch etwas deutlicher geworden: "Lasst eure Kinder in Ruhe!“ lautet der knallige Titel dieser Philippika gegen den "Förderwahn in der Erziehung“.

Um diesen Widersinn zu illustrieren, nimmt Bergmann die Leserinnen und Leser mit auf eine wunderbare Reise durch das kindliche Erleben. Er beschreibt, wie Kinder mit allen Sinnen verzückt Blumen betrachten, wie diese Erfahrungen durch den kleinen Kopf wirbeln und Verknüpfungen herstellen - und wie im Gegenzug dazu beim englischen Förderunterricht das plastische Bild der Blume erlischt und an seine Stelle eine dürre Vokabel tritt.

Lernen als Aneignung von Welt

Lernen im Vorschulalter bedeute eben etwas anderes als die Aufnahme von Informationen, schreibt Bergmann, es bedeute "eine Aneignung von Welt.“

Diese Aneignung, dieses Vertrautwerden gelingt am ehesten im freien Spiel - oder einfach dann, wenn Mutter oder Vater sich Zeit nehmen und Geschichten erzählen oder vorlesen, wenn die Kinder sich an sie kuscheln und der vertrauten Stimme lauschen. Frühförderinstitutionen hingegen hätten "den Charakter des Fernsehapparates“, so Bergmann. Und durch frühes Trainieren werde Kindern eher die Gabe des Schöpferischen genommen.

Gegen Ende des Buches bringt Wolfgang Bergmann mehr und mehr Religiöses ein: Er spricht davon, dass man von Jesus den Blick auf das Kind als etwas lernen könnte, "das uns ganz und gar zugehört durch die Liebe.“ Man muss diesen etwas pathetischen Ton nicht mögen. Aber unbedingt lesenswert ist das Büchlein doch. (DH)

LASST EURE KINDER IN RUHE! Gegen den Förderwahn in der Erziehung

Von Wolfgang Bergmann. Kösel Verlag

2011. 144 Seiten, brosch., € 15,50

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