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Gespräch und Institution

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1953 gründeten Jugendorganisationen Österreichs, Katholische Jugend, Gewerksohaftsjugend, österreichische Jugendbewegung, Sozialistische Jugend, die Pfadfinder und die Evangelische Jugend, den österreichischen Bundesjugendring. Diese Männer, die heute vielfach an verantwortlichen Stellen des öffentlichen Lebens stehen, haben die Institution des Gesprächs unter der Jugend geprägt. Sie grenzten sie nach rechts und links schon im Statut eindeutig ab, was unter der Betrachtung der damaligen Besat-zungszeit und der Folgen einer „Tausendjährigen Zeit“ nur zu verständlich war. Sie gaben weiter dem Zusammenschluß das Prinzip der

Einstimmigkeit mit auf den Weg und schufen damit einen jugendlichen Ableger der in dieser Zeit für Österreich so glückhaften Koalition. Große Leistungen wurden dn dieser Zeit vollbracht: Aktionen zur Einstellung Jugendlicher in den Betrieben, Jugendschutz, Mittel für die Jugendorgandsatdonen, Förderung der staatsbürgerlichen Erziehung waren nur einige der Maßnahmen der Dachorganisation. Die größte Zeit hatte der Bundesjugendring anläßlich der kommunistischen Weltjugendfestspiele 1959 in Wien, wo es gelang, die Jugend dafür zu gewinnen, mit den Delegationen aus der kommunistischen wie aus der freien Welt in Kontakt zu treten und eindrucksvolle Gegenaktionen zu setzen.

Doch die Institution hatte auch ihre Schwierigkeiten. Waren am Anfang zehn Jugendorganisationen Mitglieder, so zählt der Ring heute sechzehn. Dde statuarisch verankerte Koalition der Jugend nicht nur der beiden Großparteien, sondern auch der Kirche und der Gewerkschaft hatte große Mühe, zu dieser Öffnung zu gelangen. Der politische Druck blieb selbstverständlich nicht aus, und der Bundesjugendplan war ein beliebtes Bild in der Argumentation: auf der einen Seite standen Organisationen an der Futterkrippe, die anderen aber waren arm. Der Gerechtigkeit halber muß erwähnt werden, daß die öffentliche Hand auch die vom Bundesjugendplan ausgeschlossenen Organisationen durchaus reichlich entschädigte.

Gesellschaftliche Wandlungen

Die Entwicklung in der modernen Gesellschaft bringt es mit sich, daß die Organisationen einem Abbröcke-lungsprozeß unterworfen sind. Innerhalb der großen Gruppierungen entstanden kleinere Zentren, es bildeten sich freie Gruppen, und man brauchte nicht mehr den großen Schutz einer weltanschaulichen Formation. Die Jugend wieder fand in den Gruppen der Organisation nicht mehr das entsprechende Freizeitangebot, sondern war bereit, in-einer gewissen Konsumhaltung präfabrizierte Formen zu akzeptieren und sich auf diese Weise „konsumieren“ zu lassen.

Für dde Gruppenarbeit gibt es heute keine fertigen Rezepte mehr. Nur eine Minderheit der Jugendlichen fühlt sich von den Jugendorganisationen angesprochen, wobei die Geschlossenheit einer Organisation eher abstoßend wirkt. Die Folge dieser Vorgänge für Jugendorganisationen ist ein Verlust an Wirksamkeit und an Bedeutung.

Diese Entwicklung wird noch dadurch verstärkt, daß die meisten großen Organisationen in einem Näheverhäl/tnis zu einer gesellschaftlichen Großgruppe stehen. Die Verantwortlichen der Jugend sind daran interessiert, in diesen Großgruppen Positionen zu bekommen, und verhalten sich daher weitgehend konform. Auseinandersetzungen zwischen den Generationen sind daher selten, die Kritik an den bestehenden Zuständen ist daher auf die ndchtorgandsierte Jugend eingeschränkt. Sollte es doch vorkommen, wird jugendliches Ungestüm mit härtesten Maßnahmen bekämpft; Parteien wie Kirchen sind hier durchaus einig. Die geistige Entwicklung der Jugend geht daher wesentlich unter den Nichtorganisierten vor sich,

Der Bundesjugendring hat neben seinen üblichen Aktivitäten auch noch Hilfsinstitutionen geschaffen: das österreichische Institut für Jugendkunde und den österreichischen Jugendrat für Entwicklungshilfe. Diese im Prinzip richtigen Versuche, der Jugend Dienste anzubieten, müßten allerdings systematisch ergänzt werden. Auf diese Weise kann nämlich die organisierte Jugend doch mit der niehtorgani-sierten in Kontakt kommen. Die klassischen Formen der Jugendarbeit müssen also durch Institute, Häuser, Heisedienste, Freizeit-anlagen ergänzt werden. Diese Initiativen können nur dann gelingen, wenn sie von Gruppen getragen werden, die wieder selbst eine geistige Orientierung haben. Es kann also auf die Organisationen nicht verzichtet werden, nur müssen sie ihre Existenz durch ihren Dienst an der Jugend rechtfertigen.

Die Bewältigung der- gesellschaftlichen Situation kann nur auf Grund einer höheren Bildung der Jugend erreicht weden. Bildungsmöglichkeiten durch Fernkurse, Akademien und ähnliche Einrichtungen sind zu schaffen, wobei sie ohne weiters gemeinsam sein können. Das Studium der gesellschaftlichen Situation bedarf keiner Unterscheidung nach weltanschaulichen Gesichtspunkten; die Konsequenzen müssen allerdings getrennt gezogen werden. Die Pädagogik ist heute wahrscheinlich allgemein in einer Krise — das Grund-lagenstudium sowie die pädagogische Praxis müssen daher intensiviert werden. Der Jugend müssen Akademien für gesellschaftspolitische Führungsstellen offeriert werden. Jene jungen Menschen, die sich der Jugendarbeit zur Verfügung stellen, müssen Stipendien erhalten, um dafür überhaupt ausgebildet zu werden und auch die Möglichkeit zu haben, sich beruflich weiterzubilden. Dann wird auch die genügende Anzahl von Sozialarbeitern, Leitern von Jugendhäusern und Freizeitzentren zur Verfügung stehen.

Konfrontation mit der Wirklichkeit

Die Jugend bereist heute die ganze Welt. Die Einrichtung eines Jugend-redsedienstes nach bereits bestehenden ausländischen Beispielen ist eine notwendige Konsequenz. Auch auf diese Weise kann unter der Jugend das Gespräch um die Gestaltung der Zukunft erreicht werden.

Selbstverständlich haben der Bun-desjugendring und seine Mitgliederorganisationen eine Funktion gegenüber Staat und Gesellschaft. Wohl ist das Einverständnis unter den Organisationen gegeben, doch fehlt die Konfrontation mit den gestaltenden Kräften der Welt. Kunst, Musik und Literatur müssen miteinbezogen werden. Jugend und Jugendorganisationen haben zu akzeptieren, daß diese Zeit mit ihrem dynamischen Wandel eine Herausforderung an die Jugend dargestellt.

In einer Zeit, in der zwei Drittel der Weltfoevölkerung hungern, der Friede ständig gefährdet und die Bildung und Erziehung der Jugend in der Welt nicht gesichert sind, kann man sich mit den Zuständen nicht zufriedengeben. Die Vorbereitung auf die kommenden Aufgaben kann nur durch eine Konfrontation mit der Weltwirklichkeit geschehen. Jedes Gespräch zwischen weltanschaulichen Gruppen geschieht nicht im luftleeren Raum, sondern angesichts der vorgegebenen Wirklichkeit. Der österreichische Bundes-j'isndring wird sich danach richten müssen, wenn er seiner Aufgabe gerecht werden will.

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