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Gesund durch Sport

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Die heftigen Debatten vor ungefähr einem Jahr um Sein oder Nichtsein der Olympischen Spiele 1972 in Wien bieten willkommenen Anlaß, vom Standpunkt des Leibeserziehers sine ira cum studio über Leibesübungen zu schreiben. Vor allem sollen jene Werte zur Sprache kommen, die abseits von olympiareifen Sportstätten in möglichst naturbelassenem Raum von jedermann gepflegt werden können und in ihrer Gesamtheit kaum Preise und Ehrungen, wohl aber so köstliche Schätze wie Gesundheit und Lebensfreude eintragen.

Damit hängt wohl auch die Anfälligkeit für viele heute weit verbreitete Krankheiten zusammen. In einem Artikel des „Kirchenblattes“ (vom 30. Jänner 1966) war unter dem Titel: „Ein Volk von Krüppeln“ zu lesen, daß „80 Prozent aller Schüler Haltungsschäden aufweisen, daß ungenügender Ausgleich zu dem erzwungen langen Sitzen wie zu wenig Gelegenheit zur freien Entfaltung der körperlichen Entwicklung daran Schuld trügen“ (Dr. W. Ehalt). Dabei gibt die Natur dem Menschenkind die Freude an körperlichem Regsamsein mit auf den Lebensweg, und wir hätten nichts anderes zu tun, als alle Voraussetzungen für ein reibungsloses Wirksamwerden zu erfüllen, alle Hemmnisse zu entfernen. Beschneiden nicht viele Eltern zugunsten der menis sana die Zeit, die zur Erhaltung des corpus sanum notwendig wäre?

In der Schule

In der Volksschule werden die Kinder nach der geistigen Leistungsfähigkeit in Klassenzüge unterteilt; die höheren Schulen verlangen eine Aufnahmeprüfung, die Hochschulen ein Maturitätszeugnis; immer kann ein Mindestmaß an Wissen vorausgesetzt werden. Ganz anders beim Leibeserzieher; hier spannt sich in jeder Klasse der Bogen von leistungslos bis zum Spitzenkönnen. Da nun aber die Lust zum Uben nur dann aufkommt und wächst, wenn die Übung dem Können des Kindes entspricht, wie soll der Lehrer alle Wünsche gleichzeitig erfüllen? Er wird es so machen, wie wohl jede gute Mutter mit ihrem kränklichen Kind, wie jeder andere Pädagoge mit den geistig weniger regen

Schülern: Er widmet diesen einen Gutteil der Zeit, sein Herz aber sonnt sich an dem Können jener, die auf einsamer Höhe stehen.

Schon öfter würde die Tätigkeit der Tumprofessoren an höheren Schulen nicht gerade sehr schmeichelhaft kritisiert — zumeist dann, wenn Spitzensportler und -Spieler versagen: „Wir kümmerten uns zuwenig um die Leistung!“ Dazu Folgendes: Die höheren Schulen sind allgemeinbildend auch auf dem Gebiete der Leibesübungen. So erfreulich jede überdurchschnittliche Leistung ist, zu noch weiterer Vervollkommnung mangelt es an Zeit, an Geräten, an Übungsgelegenheiten und vielleicht auch an Erfahrung. Voraussetzung für die Hebung der Spitzenleistungen ist die enge Zusammenarbeit von Schule und Vereinen; Zersplitterung können wir uns hier nicht leisten. Der Beitrag von uns Lehrern würde sich im Sieben und Namhaftmachen der Schüler erschöpfen.

Jung und alt

Wie es Unrecht ist, den Teufel mit Eeelzebub auszutreiben, so wäre es unangebracht, hierfür gute Werke zu mißbrauchen. Leider kommt es manchmal vor, daß Eltern glauben, durch den Entzug von körperlichen Übungen, nach denen Kinder zumeist lechzen, Untugenden bestrafen zu müssen. Wir wollen hier nicht kleinlich sein, vielleicht verlangen, daß Pläne für die körperliche Ertüchtigung auf Papier fest- und dann auch eingehalten werden; sie so erzwingen. Eines aber müssen wir fordern: Niemals sind Leibesübungen nur als Belohnung zu gewähren, etwa bei einwandfreiem Verhalten oder guten Noten, sondern ein Recht, das wir wohl einmal, wenn es die Umstände erfordern, beschneiden, niemals aber längere Zeit gänzlich versagen können. Dies auch noch aus einem anderen Grund: In der negativen Phase der Pubertät, in der die Kinder alle Werte negieren, sich Gott und der Welt widersetzen wollen, brauchen sie einen Halt, einen intimen Ort, an dem sie sich glücklich fühlen, einen Lichtpunkt in ihrem — wie sie glauben — ach so dornenvollen Leben. Woran sollen sich auch Kinder klammern, die in der Schule versagen, von den Eltern kein er munterndes Wort, nur Klagen und Drohungen hören, unter ständigem Druck leben? Ohne Freude geben sie sich selber auf; für solche wird oftmals der Sportplatz zum Himmel auf Erden.

Ein Sprichwort meint, das Alter beginne dann, wenn man nur noch von vergangenen Tagen spricht. Mit dem Reden ist für die Gesundheit nichts getan, hier entscheidet allein die Tat. Wie die Haut werden hier wohl auch die Taten schrumpfen, zu „Tätchen“, die nicht übermäßig belasten und doch die Spannkraft erhalten und obendrein noch amüsieren. Selbst in diese weit entfernten Tage kann der lange Arm des Leibeserziehers noch hineinreichen, wenn er es versteht, in der Jugendzeit schon die Lust auch zu solcher Betätigung zu wecken, die später eben noch zumutbar ist. In erster Linie wieder zum Wandern.

Vom Fußballspielen

Scheinbar ohne Zweck und Ziel pflegt das Kind doch gerade das zu tun, was es zur Erhaltung und Entfaltung des Lebens braucht. Nur zu bald jedoch wird das Spiel beschnitten oder von „höheren“ Werten verdrängt -und von den Erwachsenen als nebensächlich abgetan, fristet es fortan sein kümmerliches Dasein, ehe es — als „Schauspiel“ gewertet — nur noch Kehle und Hände zum Einsatz reizt.

Eine schier endlose Reihe von Jahren ist vergangen, seit der Mensch in völliger Harmonie mit der Natur lebte; sie gab ihm damals alles, was er zum Leben brauchte. In der Jugendzeit erhielt die Freude an körperlichem Regsamsein Kraft und Gesundheit, im Alter die Sorge ums tägliche Brot. Seit die Unruhe des Geistes den Menschen zur Herrschaft drängt, lockert sich diese Bindung und damit mindern sich Körperkraft und Gesundheit. Gesundheit zählt zu unseren höchsten Gütern; sie gleicht wohl dem folgsamen Hund, der ständig neben uns läuft. Wir denken an ihn erst, wenn er einmal nicht bei uns ist und dann setzen wir alle Hebel in Bewegung, um ihn wieder zu bekommen. Krankheit hemmt unser körperliches wie geistiges Schaffen, Gesundheit ist Voraussetzung für unser Glücklichsein. Gesundheit ohne Leibesübung aber ist in der heutigen Zeit kaum mehr denkbar.

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