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Großeinkäufer Landwirtschaft

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In einer Zeit, in der man sich — erfreulicherweise mit Erfolg — bemüht, die Ausfuhr von Erzeugnissen zu steigern, um lebenswichtige Einfuhren bezahlen zu können, lohnt es sich, auch einen Blick auf den inneren Markt zu werfen, sich insbesondere ein Bild von der Aufnahmefähigkeit der bäuerlichen Bevölkerung zu machen und zu untersuchen, ob der Ausspruch von Werner Siemens noch zu Recht besteht: „Ein Vorhang mehr in jedem Bauernhaus bedeutet mehr als der ganze Export!“

Eine Aufstellung in den „Statistischen Nachrichten“, Heft 10, der im Jahre 1951 von der österreichischen Landwirtschaft verwen- wendeten Maschinen gibt uns in einer sehr wichtigen Sparte ein einigermaßen richtiges Bild von dem nächsten Bedarf. Aus dieser und der Statistik über die Besitzverteilung lassen sich gerade heute, da bei dem Mangel an Arbeitskräften und der Notwendigkeit der Ertragsteigerung die „Mechanisierung und Technisierung“ der Landwirtschaft vordringlich geworden ist, ziemlich verläßliche Schlüsse auf die Anschaffungen der nächsten Jahre ziehen. (Es ist eine viel zuwenig beachtete Tatsache, daß jede Mehrerzeugung nur auf dem Wege von Anschaffungen verschiedenster Art erreicht werden kann. Aber auch jede Mehreinnahme des Bauern und seines Mitarbeiters ermöglicht Anschaffungen und die Deckung kultureller Bedürfnisse, die in anderen Kreisen schon lange zur Selbstverständlichkeit geworden sind, wie zum Beispiel die Einrichtung einer Badegelegenheit.)

Aus der Vielzahl der von der österreichischen Landwirtschaft verwendeten Maschinen seien im folgenden drei Gruppen herausgegriffen: Traktoren, Sä- und Melkmaschinen.

Im Jahre 1951 wurden von der österreichischen Landwirtschaft 21.5 14 Traktoren verschiedener Bauart verwendet. Wenn man annimmt, daß die 6278 hundert und mehr Hektar großen Güter je einen besaßen, so konnten von 60.240 großbäuerlichen, 20 bis

100 Hektar umfassenden nur 15.236 einen Traktor ihr eigen nennen. Das heißt, nur ein Viertel dieser Wirtschaften besaßen einen Schlepper. Ueber kurz oder lang werden auch die restlichen drei Viertel einen Traktor änschaffen und alle Großbetriebe überdies noch einen weiteren. Es ist also in absehbarer Zeit mit dem Ankauf von rund 50.000 Schleppern zu rechnen, wobei die Nachschaffung für veraltete gar nicht berücksichtigt ist ’. Nimmt man nun die Kosten eines Traktors — vorsichtig — mit nur 33.000 S an, die des benötigten Zubehörs an Wagen, Geräten und Werkzeugen bloß mit der Hälfte diseses Betrages, so kommt man zu einer Summe von 2!4 Milliarden Schilling.

Ueber eine Sämaschine sollte eigentlich jeder der 224.948 österreichischen Landwirte, die mehr als fünf Hektar besitzen, verfügen. (Der kleinere wird meist in der Lage sein, sie sich auszuleihen.) Tatsächlich besaßen aber nur 93.059 Landwirte 94.156 Sämaschinen, so daß ein Bedarf von 131.889 Stück bestünde. Wenn man nun annimmt, daß in den nächsten Jahren bloß die Hälfte dieser Maschinen angeschafft werden und ein Stück im Mittel 6000 S kostet, so kommt man zu einem Betrag von rund 400 Millionen Schilling.

Die Melkmaschine ist in Schweden und einigen anderen Ländern weit verbreitet, konnte sich aber in Oesterreich, trotz vielfacher Bemühungen, bisher nicht einbürgern. Nach der genannten Statistik standen im Jahre 1951 nur 3180 in Verwendung, obwohl — gerade in Hinblick auf den Mangel an Melkern und die Ueberbelastung der Bäuerinnen — der Bedarf, gering gerechnet, mit 60.000 Stück angenommen werden kann, das ist für alle Betriebe über 20 Hektar, ausgenommen die bereits Melkmaschinen besitzenden. Auch hier wäre es also möglich, Maschinen im Werte von rund 600 Millionen zu verkaufen, wozu noch die recht erheblichen Kosten für Installationen, Motoren usw. kommen.

Diese Beispiele, die nur einen kleinen Ausschnitt aus der Fülle der benötigten Landmaschinen darstellen, und der Hinweis auf die maschinelle Rückständigkeit von 320.000 österreichischen Betrieben2 lassen erkennen, daß der Bedarf der Landwirtschaft außerordentlich groß ist und aus den angegebenen Gründen auch ehestens befriedigt werden sollte.

Leider stehen dem einige Schwierigkeiten entgegen. So die geringen Einnahmen der Landwirtschaft für die meisten Erzeugnisse, deren Preis tief unter jenem am Weltmarkt steht, die Schwierigkeit, Kredite zu tragbaren Bedingungen zu erhalten, gewisse Mängel in der Organisation der Betriebe und vor allem die mangelnde Zusammenarbeit zwischen Industrie und Landwirtschaft

Ein Schulbeispiel hierfür ist die erwähnte Melkmaschine. Die Werbung wurde von vornherein denkbar unglücklich durchgeführt, die gerade hier so notwendige gründliche Schulung unterlassen. Es wurde versäumt, immer wieder darauf hinzuweisen, daß diese einigermaßen komplizierte, eine sehr sorgfältige Behandlung erfordernde Maschine wohl schwere Handarbeit abnehmen kann, daß aber an ihre Stelle eine gewissenhafte Kopfarbeit treten müsse, die natürlich auch gelernt werden muß. Der „Dienst am Kunden“, der „Service“, wurde aber vernachlässigt, die Werbung meist nur vom Standpunkt eines augenblicklichen Geschäftes betrieben und die örtlichen Bedürfnisse nicht berücksichtigt. Die Folge davon ist, daß mindestens 80 Prozent aller gekauften Melkmaschinen unbenützt sind und verrosten. Solche vermeidbare Mißerfolge entmutigen die Käufer, dabei besteht über die Güte dieser Maschinen — bei richtiger Verwendung — kein Zweifel.

Die Verdienstmöglichkeiten für Industrie, Gewerbe und Handwerk sind natürlich mit der Beschaffung von Maschinen und Geräten noch lange nicht erschöpft: Immer wieder ergeben sich neue Bedürfnisse, deren Befriedigung im Interesse der bäuerlichen Bevölkerung gelegen ist . So lassen — nach einer Aufstellung der „Zentralstelle für Brandschutz“ — die Blitzschäden von 14,2 Millionen Schilling erkennen, wie dringlich es wäre, überall brauchbare Blitzableiter anzubringen. Wie wichtig die fachmännische Installation elektrischer Anlagen ist, geht aus der Tatsache hervor, daß die Brände durch nicht sachgemäße Anlagen im selben Jahr einen Schaden von insgesamt 13,8 Millionen Schilling verursachten. Audi die Sachverluste von insgesamt 14,4 Millionen Schilling durch fehlerhafte Bauausführungen erweisen die

Dringlichkeit, wenigstens die gröbsten Baumängel zu beseitigen.

lieber die bloße Erhaltung des Bestehenden hinaus ergeben sich zudem noch viele Betätigungsmöglichkeiten. Betriebsumstellungen setzen zumeist die gründliche Umgestaltung der Gebäude voraus. Welche Beträge dadurch aufgerollt werden, läßt ein Hinweis auf Schweden ermessen: Dort wurden in den letzten zehn Jahren rund 20 Prozent aller Stallungen mit einem Kostenaufwand von etwa 200 Millionen Kronen umgebaut.

Diese Angaben, die noch vielfach ergänzt und erweitert werden könnten, lassen die Bedeutung des inneren Marktes für die gesamte Volkswirtschaft erkennen. Es ist nur’ notwendig, ihn erst richtig zu erschließen! Die erforderlichen Anstrengungen werden aber weit geringer sein als die, die der Ausbau des Exports erfordert. Zudem werden die Erfolge nachhaltiger und sicherer sein.

Dies ist besonders im Tätigkeitsgebiet der Bäuerin der Fall, der durch den Einsatz von Haushaltmaschinen wenigstens ein Teil der schwersten Arbeit abgenommen werden sollte.

Dies gilt insbesondere, hinsichtlich der Preise. Durch den Bau möglichst weniger Typen in großen Serien könnten diese wesentlich herabgesetzt werden, wodurch der Absatz beträchtlich belebt werden würde.

Leider lassen die angebotenen Erzeugnisse hinsichtlich Güte und Geschmack oft alles zu wünschen übrig. Nicht selten findet man zum Beispiel in Bauernstuben neben bestem altem Hausrat Beleuchtungskörper, die eine ausgesprochene Kulturschande sind, ohne deshalb etwa billig zu sein!

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