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Gute Filme für Osterreich

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Es gibt in der Weltproduktion eine bedeutende Anzahl wertvoller Filme, die bisher deswegen nie nach Oesterreich gekommen sind, weil nach der Erfahrung der Filmverleiher die Absatzmöglichkeiten so gering sind, daß ein Ankauf derartiger Filme für Oesterreich nicht rentabel erscheint. Es gibt außerdem höchst sehenswerte Filme, die wohl auf dem inländischen Markt erschienen sind, jedoch nur in verhältnismäßig wenigen Kinos aufgeführt wurden. Das Gros des Publikums erfährt von der Existenz solcher Filme überhaupt nichts. Also: die Filmkaufleute argumentieren, daß sie an kulturell oder künstlerisch wertvollen Filmen kaum interessiert sind, weil ihnen der entsprechende Absatz fehlte; dem steht aber anderseits die Tatsache gegenüber, daß ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung das Kino gerade deswegen meidet, weil das Niveau der Programme unbefriedigend ist. Diese wenigen Feststellungen genügen, um aufzuzeigen, daß hier gewissermaßen eine „organisatorische Kreislaufstörung“ vorliegt. Das Unterrichtsministerium will daher ab dem kommenden Jahr einer Einrichtung besondere Förderung angedeihen lassen, die als „Sonderfilmaktion“ in die Oeffentlichkeit treten soll. Diese Aktion setzt sich die regelmäßige Aufführung wertvoller Filme im gesamten Bundesgebiet zum Ziele.

Die Vorbereitungen konzentrieren sich auf drei Punkte: 1. Sicherung einer laufenden Programmierung: Viele Einzelbemühungen, gute Filme in Oesterreich aufzuführen, sind bisher sehr oft deswegen ins Stocken geraten oder überhaupt gescheitert, weil nicht die genügende Anzahl von geeigneten Filmen bzw. brauchbaren Kopien vorhanden war. Künftig werden sämtliche österreichischen Verleiher laufend ihre in Betracht kommenden Filme bekanntgeben, und zwar sowohl solche, die sich bereits in ihrem Verleih befinden, wie auch solche, von deren Existenz im Ausland sie wohl Kenntnis haben, wo aber der Ankauf mangels genügender Rentabilitätserwartung bisher unterblieben ist. Eine nach fachlicher Qualifikation zusammengesetzte „Programmierungsstelle“ wird dann aus dem Angebot die endgültige Auswahl treffen. 2. Sicherung der Abspielbasis: Im gesamten Bundesgebiet soll sich ein Netz von Kinos bilden, welche bereit sind, an bestimmten Tagen (einmal wöchentlich oder 14tägig) derartige Filme zu spielen. Diese Einrichtung soll zu einem festen Begriff werden, mit anderen Worten, das Publikum soll daran gewöhnt werden, daß regelmäßig an einem bestimmten Tag der Woche in bestimmten Kinos ein ausgesuchtes Filmprogramm zu sehen ist. 3. Bildung einer Publikumsorganisation: Es wird eine wesentliche Aufgabe sowohl der Programmierungsstelle wie auch des betreffenden Kinos selbst sein, die öffentlichen Stellen in Stadt und Land, aber ebenso auch alle Institutionen und das große Publikum selbst auf die gebotenen Möglichkeiten aufmerksam zu machen.

Die Förderung dieser Aktion durch das Unterrichtsministerium wird darin bestehen, vor allem zu gewährleisten, daß die richtigen Filme auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Es soll darüber hinaus aber auch vorgesorgt werden, daß wertvolle Filme, an denen ein kulturelles Interesse besteht, importiert werden. Die Unter-titelung fremdsprachiger Versionen soll, wo dies notwendig ist, durchgeführt werden können. Die Programmierungsstelle, die in engem Zusammenwirken mit den interessierten Stellen arbeiten muß, wird so weit dotiert werden, daß sie ihre Aufgaben erfüllen kann.

Eine große Anzahl von Einrichtungen und Stellen von Kunst und Wissenschaft, der Volksbildung, dann politische und religiöse Vereinigungen und nicht zuletzt die Schulbehörden' sind bereits ersucht worden, die von ihnen erfaßten Bevölkerungskreise mit dieser Aktion vertraut zu machen bzw. bei ihrer Durchführung aktiv mitzuwirken.

Kinobesitzer und Verleiher sehen sich vor die reelle Chance gestellt, auf diese Weise

künftig neue Publikumskreise zu gewinnen und vom Kino überhaupt den Pauschalvorwurf der generellen Niveaulosigkeit zu nehmen. Eine logische Konsequenz aus diesen Bestrebungen wird darin bestehen, daß die öffentlichen Stellen dazu werden übergehen müssen, wertvolle Filme Steuer- und abgabenmäßig anders zu behandeln als minderwertige Filme. Dies wird genau in dem Augenblick zu einer unabweislichen Forderung werden, wo der gute Film nicht mehr als eine verlorene Einzelaktion oder als eine mehr oder weniger idealistische Unternehmung in Erscheinung tritt, sondern als wohlorganisierte Macht einen realen Faktor im kulturellen Leben darstellt. Dieser kulturelle Faktor hat alle Aussicht, in sehr naher Zukunft auch eine wirtschaftlich bedeutungsvolle Dimension zu erhalten: da nichts so rasch und so empfindlich auf Nachfragebewegungen reagiert, wie die freie Marktwirtschaft, erscheint diese Prognose in dem Augenblick keinesfalls mehr utopisch, wo sich das an guter Unterhaltung (und darunter kann sehr wohl auch der einfache Unterhaltungsfilm verstanden werden, sofern er eben nicht nur Kitsch und Konfektion darstellt) interessierte Publikum gewissermaßen zu einer A b o n n e n-tenorganrsation zusammenschließt. Diese Organisation kann zahlenmäßig noch zusätzlich eine besondere Bedeutung gewinnen, da parallel mit dieser Sonderfilmaktion unter den gleichen Zielsetzungen eine „Jugendfilm-aktion“ im Aufbau begriffen ist. Gerade heute, da die Erziehung so sehr darauf orientiert ist, das eigene Urteilsvermögen des jungen Menschen zu bilden und zu festigen, erscheint eine Aktion wie diese, die sich nicht in der Ablehnung des schlechten Films erschöpft, sondern die Bejahung und Forcierung des guten Films anstrebt, besonders aktuell.

So ist zu hoffen, daß dem in allen Kreisen der

Bevölkerung vorhandenen echten Bedürf-n i s nach wertvollen Filmen, das heißt also nach Filmen, die auch dort, wo sie bloß unterhalten, echte Werte zu vermitteln vermögen, mit dieser Initiative in einer möglichst effektiven Weise Rechnung getragen wird. Es wird künftighin an jedem einzelnen liegen, wie oft und in welcher Anzahl gute Filme in seinem Kino gezeigt werden.

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