7097179-1994_49_10.jpg
Digital In Arbeit

Gute Ideen — kein Wille zur Umsetzung

Werbung
Werbung
Werbung

Analysiert man das Sparprogramm der Koalitionsparteien betreffend die Familien und setzt es in Beziehung zu den zahlreichen Veranstaltungen anläßlich des Internationalen Jahres der Familie 1994, sind zwei Reaktionen möglich: Wut oder Resignation. Nachdem Nestroy in dem Punkt widersprochen werden muß, wonach die Resignation die edelste aller Nationen sei, bleibt die Wut.

Ein Jahr wurden nun Familienfeste gefeiert, Artikel geschrieben, Reden ge- und Enqueten abgehalten mit dem Ziel, die Bedeutung von Ehe und Familie gebührend hervorzuheben.

Sucht man jedoch danach, was einen längerfristigen politischen Erfolg für die Familien bedeutet hätte, stößt man vor allem auf das Sparpaket der Regierung, das besonders die Familien trifft. Außer Enqueten nichts gewesen?

Schon seit längerer Zeit vergessen Spitzenpolitiker der SPÖ regel mäßig die kleinen Leute und den sozialdemokratischen Grundwert Solidarität. Gleichzeitig haben zahlreiche Spitzenpolitiker der ÖVP aufgehört, christlich-soziale Familienpolitik zu machen.

Auch die 15 Arbeitskreise, die im Auftrag des Familiehministeriums vom Institut für Ehe und Familie koordiniert wurden, haben bis jetzt nur zweierlei gebracht: gute Ideen und viel Papier. Davon können sich Österreichs Familien aber noch nichts abschneiden, fehlt doch der politische Wille zur Umsetzung der vielen guten Ideen.

Eine einheitliche Familienbeihilfe und einheitliche, vom Kindesalter unabhängige Kinderabsetzbeträge — wie von den Koalitionsver- handlern geplant — sind ein schwerer familienpolitischer Rückschritt, über den gerade viele Familienpolitiker der OVP nur weinen können, haben sich viele von ihnen doch lange für eine Altersstaffel und sogar für eine Staffelung nach der Anzahl der Kinder stark gemacht. Die geplante Vereinheitlichung vernachlässigt — wie in sozial- und familienpolitischer Urzeit - erneut, daß ältere Kinder höhere Kosten verursachen als jüngere. Für die Fa- milienverhandler von SPÖ und ÖVP: Ein Erstkommunionanzug kostet einfach mehr als ein Strampler! Leider ist es sehr schwer möglich, solch einfache Überlegungen in den Hirnen von Fa-milienpolitikern zu verankern. Wann wird endlich verstanden werden, daß bei der Steuer sowie bei allen finanziellen Grenzen diverser Förderungen immer berücksichtigt werden muß, wieviele Menschen von einem Einkommen leben!

So wie die derzeitige familienpolitische Diskussion infolge der Regierungsverhandlungen läuft, sieht es danach aus, daß die Familien froh sein können, wenn Familienbeihilfe und (erhöhtes) Karenzgeld nicht gekürzt oder gestrichen werden.

Was ist mit all den vollmundigen Ankündigungen zu Beginn des heurigen Jahres?

Bis dato ist von einer familiengerechten Steuerreform ebensowenig die Rede wie von der Verbesserung der Situation der Alleinverdiener. Von familienpolitischen Fernzielen wie der Sicherung und Steuerfreistellung des Existenzminimums für alle Familienmitglieder, der Einführung eines Erziehungs- und Pflegegehalts mit sozialrechtlicher Absicherung oder der vollen Anrechnung der Erziehungszeiten für die Pension wagen die Politiker nicht einmal mehr zu reden.

Die triste Situation der derzeitigen Familienpolitik am Ende des Internationalen Jahres der Familie 1994 läßt nur einen Schluß zu: Lieber kein Jahr der Familie voll der Lippenbekenntnisse mehr, dafür aber echtes Engagement für die Familien in der kommenden Legislaturperiode!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung