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GUTE UNTERHALTUNG!

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Tielfach wird das Fernsehen lediglich als ein neues Mittel zur Massenunterhaltung angesehen: Endlich gibt es da eine Möglichkeit, den Menschen im großen Maßstab zu helfen, die immer mehr überhandnehmende Freizeit totzuschlagen! Endlich ist es möglich, auch diejenigen in den Kreis der Unterhaltungs-industriekonsumenten einzubeziehen, die sich nicht dazu entschließen können, abends das nächste Kino oder gar ein noch weiter entferntes Vergnügungslokal aufzusuchen. Endlich wird es gelingen, den Geschmack weitgehend zu vereinheitlichen und so den Betrieb der Vergnügungsindustrie zu rationalisieren. Daß ein solches Vorgehen Erfolg haben kann, hat nicht erst das Fernsehen erwiesen.

Demgegenüber wird aber die zweifellos berechtigte Frage er- ; hoben, ob wir wirklich noch ein zusätzliches Unterhaltungsmittel brauchen und ob wir von der uns von der Technik geschenkten Möglichkeit des Fernsehens nicht einen besseren, vernünftigeren und wertvolleren Gebrauch machen könnten oder vielmehr sollten. Ob man nicht wenigstens dort, wo das Fernsehen auf Grund seiner organisatorischen Struktur nicht so unbedingt den Gesetzen kommerzieller Geschäftsgebarung unterworfen ist, den Mensche weniger das zeigen sollte, was sie sehen wollen, als dasjenige, was sie sehen sollen.

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Der Ausweg, den die Fernsehorganisationen im allgemeinen aus diesem Dilemma widerstreitender Meinungen gefunden haben, ist weniger salomonisch als billig: Kultur und Kunst werden groß geschrieben, die Aktualität wird zum Aushängeschild gemacht und die Unterhaltung wird daneben zur — reichlich erfüllten — Pflicht erhoben. Dabei brauchen wir mit dieser Lösung gar nicht so unzufrieden zu sein, wenn das Fernsehen nur allen diesen Aufgaben mit dem nötigen Ernst und der nötigen Verantwortung nachzukommen versucht.

Es ist hier nicht der Ort, eine tiefschürfende Untersuchung darüber anzustellen, was nun Unterhaltung eigentlich ist, und inwieweit und unter welchen Umständen der Mensch ihrer grundsätzlich wirklich bedarf. Aber die Erfahrung — gerade die mit dem Fernsehen geraachte — läßt es sehr deutlich werden, daß auch die Unterhaltung eine Eigenschaft haben (oder auch nicht haben) kann, die sich mit einem Wort bezeichnen läßt, das zwar im Gerüche steht, ein Schlagwort zu sein, aber doch recht deutlich verstanden wird: Niveau!

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Das äußerst lobenswerte Bemühen des Fernsehens, auch auf dem Sektor der Unterhaltung eigene Formen zu finden (wenn auch durch manche Anleihen aus anderen Gebieten des Unterhaltungswesens), hat in höchst merkwürdiges Produkt hervorgebracht, das in unwahrscheinlich kurzer Zeit so allgemein bekannt geworden ist, daß sich eine nähere Erklärung fast erübrigt: das Quiz. Solche Sendungen, in denen einzelne, im Prinzip aus dem Fernsehpublikum stammende Personen irgendwelche Fragen beantworten oder auch sonstige Aufgaben lösen müssen, wofür ihnen ein meist unverhältnismäßig hoher Preis winkt, sind in einer Vielzahl verschiedenster Varianten wohl in allen Fernsehländern über die Bildschirme gegangen.

Die außerordentliche Beliebtheit, die dieser Art von Fernsehsendungen — in einigen anderen Ländern noch viel mehr als bei uns — zuteil geworden ist, dürfte nur zu einem kleinen Teil auf das Moment der Ungewißheit, der Spannung (wird der Prüfling den großen Preis erringen?) zurückzuführen sein. Viel wesentlicher scheint es hier zu sein, daß der nur mit durchschnittlichen oder unterdurchschnittlichen Fähigkeiten begabte Zuschauer sieht, wie Menschen seinesgleichen überdurchschnittliche Leistungen (oder jedenfalls überdurchschnittlich belohnte Leistungen) vollbringen. Er identifiziert sich durchaus unbewußt mit dem Prüfling, der ja aus „seinen Kreisen“ stammt, und erlebt, welche Leistungen er selbst vollbringen könnte!

Das heißt aber, daß der Sendung ein um so größerer Erfolg beschieden sein wird, je durchschnittlicher deT Prüfling und je überdurchschnittlicher seine Leistung ist. So greift man zu dem — keineswegs verwerflichen — Mittel der Vorauswahl der Kandidaten. Es gibt sehr viele Menschen, die im allgemeinen nur über eine durchschnittliche Bildung verfügen, auf einem einzelnen Gebiet, dem ihres „Hobbys“, aber ganz außergewöhnliche Kenntnisse und Fähigkeiten aufweisen. Das sind dann, wenn man sich auf ihr „Fachgebiet“ beschränkt, die idealen Kandidaten für Quizsendungen.

Hier liegt aber auch die Gefahr: Man kann nämlich noch weitergehen und den Kandidaten für seine Aufgabe richtig trainieren; von da ist es dann aber nur noch ein Schritt, ihm die Antworten auf seine Fragen bekanntzugeben und ihn die Rolle des Prüflings einfach spielen zu lassen. Daß solche Ge-

Vor dem Bildschirm danken keine Hirngespinste sind, beweisen die Quizskandale, die sich in den letzten Jahren in einigen Ländern abgespielt haben.

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Im deutschsprachigen Raum, der uns hier ja in erster Linie interessiert, sind nach dem Quizprinzip sehr gute, sachliche Sendungen entstanden, wie etwa unser Quiz „Einundzwanzig“, das kaum mehr in die Sparte „Unterhaltung“ eingeordnet werden kann. Hier fällt sogar die Möglichkeit der Votauswahl in dem oben geschilderten Sinn weg, da die Kandidaten nicht nur Fragen aus einem selbstgewählten, sondern auch aus mehreren anderen, vom Zufall bestimmten Wissensgebieten beantworten müssen.

Unter Verwendung einer stark abgewandelten Quizform gestaltete Robert Lembke Jahre hindurch im Deutschen Fernsehen eine Unterhaltungssendung von hohem Niveau: „Was bin ich?“. Sie wurde gelegentlich auch vom Österreichischen Fernsehen übernommen und wird so manchem Zuschauer noch in angenehmster Erinnerung sein.

Daneben wurde sehr oft das Quizprinzip in verschiedensten Formen zum Grundelement großer, abendfüllender „Unterhaltungssendungen“ gemacht. An Stelle der Beantwortung von Fragen trat vielfach die Lösung von Geschicklichkeitsaufgaben, und man scheute sich auch nicht, die Aufgaben lediglich als Vorwand zu benützen, um den Prüfling auf irgendeine Weise bloßzustellen oder zu entwürdigen, was offenbar häufig mit Humor verwechselt wird.

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Es ist aber jedenfalls auffällig, daß von den vielen Versuchen, abendfüllende Unterhaltungssendungen (mit und ohne Quiz) zu gestalten, nur ganz wenige zu einem auf die Dauer befriedigenden Ergebnis geführt haben. Die Qualität einer solchen Sendung hängt ganz offensichtlich nicht nur vom Autor, sondern auch von der Persönlichkeit des jeweiligen „Quizmasters“ oder Conferenciers ab. An ihm liegt es auch, ob das Programm mit dem nötigen Schwung abgewickelt wird — was nicht mit einem forciert-gemachten Tempo gleichgesetzt werden darf, hinter dem nur zu leicht Leerlauf und Substanzlosigkeit sichtbar werden. Außerdem werden durch den großen PTOgrammbedarf des Fernsehens die Ideen für solche umfangreiche Sendungen allzu rasch erschöpft.

Vielleicht sollte man sich mehr um die kürzeren Unterhaltungssendungen bemühen, mit denen man anscheinend leichter das erreichen kann, was unbedingt vom Fernsehen zu fordern ist: Unterhaltung mit Niveau.

THEMATISCH BEMERKENSWERT war - die Form hat sich noch nicht geändert — die letzte Sendung „Christ in der Zeit“. Hier wurde nicht gegen die weltlich-materiellen Formen des Weihnachtsfestes in unserer wohlhabenden Zeit gewettert — was ja doch vergebens wäre-, hier wurden die Zuschauer eingeladen, neben den „bürgerlichen“ Weihnachten auch etwas Zeit zur Besinnung zu finden und die tiefere Bedeutung dieses Festes nicht zu vergessen: Eine in ihrer Schlichtheit besonders eindringliche Mahnung, von einem vorzüglichen Prediger gesprochen, i

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BESONDERES LOB gebührt dem Fernsehfilm „Das Wunder einer Nacht“ (Drehbuch: Hans Naderer und Carl Merz, Regie: Rolf Kutschera), der schon im November bei der V//. Internationalen Festwoche des religiösen Films gezeigt und dort mit vollem Recht durch eine „lobende Erwähnung“ ausgezeichnet worden ist. Selten noch wurde ein so heikles (weil zum Kitsch verleitendes) Thema mit so viel Charme und mit so viel bezaubernden Einfällen auf den Bildschirm gebracht. Ein echtes Weihnachtsgeschenk des Fernsehens an seine Zuschauer.

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ALS EXPERIMENT durchaus zu begrüßen war der Versuch, das „Weihnachtsoratorium“ von Johann Sebastian Bach mit einer Bildfolge zu begleiten. Aber diese Bildfolge wirkte — bei allem anerkennenswerten Bemühen der Gestalter — in dieser Länge, mit den vielen Kamerabewegungen, der Vergrößerung von Bilddetails (teilweise bis zur Unkenntlichkeit) und mit der Vermischung der Stile eher ermüdend, als die Musik ergänzend und erläuternd. Und es erhebt sich die Frage, ob zu diesem zum Hören geschaffenen Kunstwerk nicht jede Bildfolge grundsätzlich inadäquat sein muß ...

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INS SCHWARZE GETROFFEN hat in jeder Beziehung die Reihe „M ü n c h e n — W i e n“ mit der dritten Sendung „Vorweihnacht im Wirtschaftswunder“. Während die Sendung „Fußballsonntag“ die durch die erste Sendung ausgelösten Erwartungen durchaus erfüllte, wurde mit der dritten Sendung ein weit darüber hinausgehender, vorzüglicher zeitkritischer Bilderbogen geschaffen, woran die thematische Vermengung der beiden Städte zweifellos wesentlichen Anteil hatte. Die Szenenausschnitte aus dem Kärntnertor-Theater setzten den gut gesehenen und ebenso gut gestalteten Bildfolgen der „Weihnachts~ Stimmung“ wirkungsvolle Glanzlichter auf.

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SCHON VOR BEINAHE SECHS JAHREN brachte das Österreichische Fernsehen eine ganz ausgezeichnete Eigeninszenierung von Anton Wildgans' „In Ewigkeit, Amen“. Hätte man Werk und Dichter nicht gekannt, die außerordentlich starke Wirkung, die damals vom Bildschirm ausging, hätte einen vermuten lassen, daß hier der Glücksfall eines echten Fernsehspiels vorliegt. So war es ein guter Gedanke des Regisseurs Theodor Gradier, das Stück wieder ins Fernsehen zu bringen, in einer neuen Inszenierung, mit einer größtenteils neuen Besetzung. Das fordert natürlich einen Vergleich heraus, der durch die lange, zwischen den beiden Aufführungen liegende Zeit einigermaßen schwierig ist: Es hat aber doch deutlich den Anschein, daß die Inszenierung vor sechs Jahren um einige Nuancen besser war. Vor allem die Gestalt des Untersuchungsrichters schien diesmal etwas verschwommen, anders gesehen, als man es vom Stück her erwarten würde, und sonderbarerweise waren gerade einige für die Charakterisierung dieses Menschen sehr wesentliche Sätze gestrichen worden. Unabhängig davon hinterließ auch diese Inszenierung durch die intensiven Leistungen der Darsteller (Leopold Rudolf, Kurt Sowinetz, Martha Wallner, Kurt Heintel und andere) einen nachhaltigen Eindruck.

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EINEN MERKLICHEN FORTSCHRITT hatte die Reihe „I m Kreuzfeuer der Presse“ schon bei der zweiten Sendung zu verzeichnen. Die Fragen waren präziser und kürzer und dementsprechend zahlreicher als bei der ersten Sendung, und das Ganze vermittelte einen lebendigen und natürlichen Eindruck. Im Mittelpunkt des Kreuzfeuers stand diesmal Außenminister Dr. Kreisky, dessen Antworten oft noch kürzer und prägnanter waren als die Fragen. Die Verlegung in das Abendprogramm wird sicher den Zuschauerkreis beträchtlich erweitert haben.

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GANZ BESONDERS INTERESSANT war diesmal auch die Sendung „Was halten Sie davon?“ Es ging — in höchster Aktualität — um den Neonazismus und, in Zusammenhang damit, um unsere Stellung zur Vergangenheit. Und wenn hier auch die Idealform einer Diskussion noch immer nicht ganz erreicht ist, so wurde doch sehr offen und miteinander über das gestellte Thema gesprochen; und diesmal versuchte auch niemand, sich hinter parteipolitischen Standpunkten und Dogmen zu verschanzen, was ganz besonders vermerkt zu werden verdient.

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MAN KANN STREITEN darüber, ob man Carl Sternheims „Die Mar quise von Ar eis“ unbedingt auf den Bildschirm bringen muß; für die Zeit so unmittelbar vor dem Weihnachtsfest hätte man sich jedenfalls etwas anderes einfallen lassen können.

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AUS DEM RAHMEN des üblichen Durchschnitts fiel in der Sendereihe „Auch das ist Österreich“ der Film über die österreichische Kunststoffindustrie. Ernst Schott hat hier — abgesehen von einigen kleinen, aber doch störenden Mängeln (im Kommentar beispielsweise war einige Male deutlich von einem „Spritz g u t verfahren“ die Rede, was offensichtlich „Spritzgußverfahren“ heißen sollte) — eine der besten und interessantesten Sendungen dieser Reihe geschaffen.

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AM ANFANG DES NEUEN JAHRES stand eine großartige Fernsehinszenierung von Jacques Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ in einer Eurovisionsübertragung des Westdeutschen Rundfunks. Unter der musikalischen Leitung von William Steinberg und der Regie von Karl O. Koch gestaltete ein vorzügliches Ensemble in zauberhaften Dekorationen von Hein Heckroth ein richtiges Märchen.

Dr. B.

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