Hass als Medienthema

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Der Journalist als "Gatekeeeper", als "Torwächter": Einer, der Wichtiges und Richtiges zum Leser/Hörer/Seher durchlässt, Irrelevantes aber verwirft. So haben wir es noch gelernt.

Dann kam das digitale Zeitalter - und mit ihm die Verlockung: Jeder "User" kann nun Öffentliches kommentieren und Privates öffentlich machen; kann "posten" (deponieren), auch "liken" (bestärken) oder seinen "tweed" (Gezwitscher) zur globalen Polyphonie hinzufügen.

Das hat sein Gutes: Dem Internet ist ein Siegeszug von Redefreiheit und Meinungs-Pluralismus zu danken. Wo etablierte Medien nicht hinleuchten, auch da ist jetzt Weite und Tiefe möglich. Der Leser als Schreiber - und umgekehrt.

Das hat aber auch seinen Preis. Seit es Nachricht und Analyse zum digitalen Nulltarif gibt, da verlieren die klassischen Kauf-Medien an Boden, müssen folglich einsparen, bisweilen auch Feuermauern zwischen Bericht und PR abbauen. Und manche müssen zusperren. In der Uferlosigkeit des Internets verschwimmen zudem Meldung und Meinung, Wissen und Unwissen, Gewissen und Gewissenlosigkeit, Information und Emotion. Und, wie sich zeigt: Ausgerechnet die "Sozialen Netze" werden auch Hort für Wut und Hetze.

Das Zwitschern der Redaktionen

Und die gute alte Zeitung? Noch "zwitschern" ihre Redaktionen hoch über dem digitalen Wahnsinn. Und doch wächst auch dort die Verlockung, die digitale Empörungskultur medial ernst zu nehmen. Wo ein "Shitstorm" im Internet tobt, da glauben mehr und mehr "Torwächter", nicht mehr daran vorbei zu kommen. Das war zuletzt so bei Angela Merkel und ihrer angeblich "herzlosen" Begegnung mit einem Flüchtlingsmädchen. Das haben auch Wolfgang Schäuble und Yanis Varoufakis im Griechen-Drama erlebt.

Jetzt rast Solches auch über Österreich: Ein paar verwirrte, verirrte Zeitgenossen schreiben im Internet Unerträgliches zum akuten Flüchtlingsdrama. Sie lösen eine enorme digitale Erregung im "Netz" aus -und werden prompt von etablierten Medien enthüllt: nicht nur mit ihren Hassbotschaften, sondern auch mit ihren Berufen: als Lehrling, als Supermarkt-Mitarbeiterin, als Rettungskräfte -jetzt sogar mit Namen ihrer Arbeitgeber! Damit aber geht es nicht mehr "nur" um Personen, sondern auch um die Reputation von Firmen, die gar nichts damit zu tun haben. Die Folge: Panik in den Betriebsführungen, auch Entlassungen.

Hinhören anstatt hinzuschlagen

Als Helmut Schüller vor Jahren die Aktion "Land der Menschen" gegen wachsenden Bürger-Frust startete, da zeigte sich bald: Hinter mancher Hassrede stehen ganz andere persönliche Verdrossenheiten und dickflüssige Leidensgeschichten. Auf die Motive solcher Verdrossenheit hinzuhören wäre besser, als hinzuschlagen.

Deshalb glaube ich: Hass-Postings von Einzelnen sind Themen für Psychologen, im Extremfall für Richter. Nicht aber für Zeitungen. Zuviel wird dabei aufgewühlt, verallgemeinert und zerstört.

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