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Heide Schmidt: Ich bin nicht antiklerikal

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Die gesellschaftspolitische Relevanz der Kirche steht für Heide Schmidt „außer Frage”, das Verhältnis Kirche & Staat gehöre deswegen hinterfragt.

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Die gesellschaftspolitische Relevanz der Kirche steht für Heide Schmidt „außer Frage”, das Verhältnis Kirche & Staat gehöre deswegen hinterfragt.

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Viel Kritik hat der Chefin des Liberalen Forums, Heide Schmidt, ihre jüngst im ORF geäußerte Kritik am Konkordat und damit zusammenhängende Aussagen über „Privilegien” der Kirche vor allem im schulischen Bereich eingebracht. Dabei sieht sie sich nicht als antiklerikale Kulturkämpferin. Im Gespräch mit der furchk betonte sie nachdrücklich: „Nein, ich bin absolut nicht antiklerikal. Ganz im Gegenteil - auch vom Programmatischen her nicht. Ich halte den gesellschaftspolitischen Stellenwert der Kirche für sehr wichtig.”

Es sei allerdings ein Spezifi-kum in Osterreich, so Schmidt, daß man sofort der Gegnerschaft geziehen werde, wenn man einmal etwas hinterfrage, „und bei der Kirche ist das alles noch viel deutlicher, da darf man überhaupt nichts hinterfragen, weil manche darin schon ein Sakrileg sehen. Ich halte das für einen Mangel an Gesprächskultur.”

Auf die Frage der furche, was der Anlaßfall sei, über katholische Privatschulen zu diskutieren, die doch nachweislich allgemein anerkannt und von-Eltern als Werterziehungsund Bildungsstätten geradezu gesucht werden (rund zwölf Prozent der Schulen in Osterreich sind katholische Privatschulen mit mehr als 64.000 Schülern!), meinte Heide Schmidt: „Ich hinterfrage nicht die katholischen Privatschulen. Es geht mir um die Gleichbehandlung privater Initiativen; ich halte es für notwendig, daß man bei der Förderung von Privatinitiativen argumentativ vorgeht. Man müßte andere Privatschulen mil den katholischen gleichstellen, sonst kommt es zu einer Ungleichbehandlung. Diesbezüglich haben wir sogar schon einen Entschließungsantrag eingebracht. Ich sehe natürlich, daß das ein finanzielles Problem ist. Aber ich sehe nicht ein, mit welcher Selbstverständlichkeit hier einerseits Privilegien gewährt werden, und auf der anderen Seite manche Initiativen zu Bittstellern degradiert werden, wie zum Beispiel die Steiner-Schulen.”

Hier rennt Heide Schmidt aber - zumindest bei der katholischen Kirche - offene Türen ein, ist doch Österreichs „Schulbischof” Helmut Krätzl dieser Tage erst dafür eingetreten, daß in Österreich „alle Pri-vatschulen” gefördert werden, so sie das gesetzte Schul- und Bildungsziel anstreben und die Schüler nachweislich zu freier Entscheidung und zu sozial und demokratisch denkenden Bürgern erziehen.

Was will Heide Schmidt bezüglich des Konkordats? „Alle Verträge, sogar den Staatsvertrag und andere zwischenstaatlichen Verträge, kann ich diskutieren, nur das Konkordat nicht?” fragt sie. „Das kann ich nicht mitvollziehen.” Aber wozu diskutieren? Diskussion um der Diskussion willen? „Aber nein, es geht um viel mehr. Man muß die Aufgaben des Staates genau abstecken, deswegen bin ich auch in die Politik gegangen, und zugleich alle Verflechtungen des Staates mit anderen Institutionen abchecken.” Das „Ineinander von Kirche und Staat” hält die Liberalenchefin deswegen für eine „falsche Regelung”, „weil bei einem konfessionellen Unterricht eine Art Identifikation des Staates mit dem Glaubeii sichtbar wird, und Glaube ist für mich Privatsache. Es geht auch nicht, Kinder in eine bestimmte Richtung zu programmieren.”

Ziel ist für Heide Schmidt „die offene Gesellschaft mit Eigenverantwortung und Kritikfähigkeit”. „Ich anerkenne selbstverständlich den Beitrag der katholischen Privatschulen zur Entwicklung dieser Gesellschaft. Auch war das Wort der Kirchen in der Migrationsdebatte ein sehr wichtiges und zum Teil heilsames; es ist nicht so, daß ich mir heraussuche, was mir gefällt. Die gesellschaftspolitische Relevanz der Kirche steht außer Streit. Aber gerade deswegen fordere ich eine Demokratisierung ihrer Strukturen und zweitens bin ich sehr hellhörig bei Dingen und Äußerungen seitens der Kirche, die in Richtung geschlossene Gesellschaft gehen.” Sie sei von diesen Grundsätzen überzeugt, so Schmidt zur furchk auf die Frage, ob sie glaube, daß eine

Mehrheit der Österreicher so denke wie sie, und trete dafür ein, auch wenn sie sie nicht für mehrheitsfähig halte. „Diesen Maßstab, Dinge für Mehrheiten zu tun, den habe ich nicht.”

Ihr Gesprächsklima mit der Kirche bezeichnet Heide Schmidt als gut, wenngleich es „mit Teilen” nicht funktioniere. Sie verweist auf ein fruchtbares Gespräch mit Vertretern der Katholischen Aktion vergangene Woche.

„Ich glaube, daß der Dialog zwischen Kirchen und Politik wichtig ist. Daran liegt mir etwas. Er darf aber nicht darin bestehen, daß man Bereiche ausspart oder über etwas nicht reden darf.”

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