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Heilen durch die Kraft der Liebe

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Drogentherapie ohne Kosten für den Staat, aber auch ohne ausgebildete Mitarbeiter. Das versucht die christliche Organisation „Remar" in der kleinen Vorarlberger Gemeinde Dören.

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Drogentherapie ohne Kosten für den Staat, aber auch ohne ausgebildete Mitarbeiter. Das versucht die christliche Organisation „Remar" in der kleinen Vorarlberger Gemeinde Dören.

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Der Verein „Bemar" betreibt weltweit mehrere ähnliche Häuser für Drogentherapie, unter anderem auch in Deutschland und der Schweiz. Uber die Sinnhaf-tigkeit der Einrichtung sind die Meinungen der Experten geteilt.

In Vorarlberg lehnte etwa die Landesregierung eine Förderung für „Remar" ab. Das Netz der Drogenhilfe in Vorarlberg sei bereits sehr gut ausgebaut, so der Koordinator der Vorarlberger Drogeneinrichtungen, Thomas Boss. In Vorarlberg stehen Süchtigen eine Langzeit-und eine Kurzzeittherapiestation sowie mehrere ambulante Betreuungseinrichtungen zur Verfügung. Hauptgrund für die Ablehnung einer Förderung sei aber, daß es in Dören „kein qualifiziertes Personal gibt. Weder Ärzte noch Psychotherapeuten und auch keine diplomierten Sozialarbeiter", erklärt Boss. „Nur weil einer Ex-Junkie ist, heißt das nicht, daß er dazu qualifiziert ist, Therapien durchzuführen."

Tatsächlich arbeiten in den „Remar"-Häusern vor allem ehemalige Patienten. „95 Prozent sind ehemalige Rehabilitanden", bestätigt Monika Perez, führende Mitarbeiterin in Dören. Sie ist überzeugt: „Ein Mensch, der von den Drogen weggekommen ist, hat denen, die noch am Anfang stehen, sehr viel mitzuteilen. Ein Psychiater kennt die Situation eines Süchtigen ja gar nicht. Er hat sie nie selbst erlebt."

Bei Medizinern stößt das Konzept „Ex-Junkies helfen Junkies" auf Skepsis. Der Drogenbeauftragte des Landes Vorarlberg, Primär Reinhard Haller, ein Psychiater: „Ich selbst würde mich nur in eine anerkannte Therapie begeben." Aber: „Remar hat durchaus gewisse Erfolge."

Vorbehalte gibt es aber auch gegen die Organisation „Remar" selbst. Sie stammt aus Spanien und betreut derzeit in weltweit etwa 200 Zentren Flüchtlinge, Obdachlose, Waisen und Süchtige. Der Vorarlberger Drogenkoordinator Thomas Boss zitiert eine spanische Studie, die von einer „destruktiven Sekte" spricht. In einem Brief der Gemeinde Madrid heißt es, die „Evangelisierungs- und Pflegearbeit für Randgruppen manifestiert sich in der Praxis als Mechanismus zur Gewinnung neuer Gläubiger".

Der Sektenbeauftragte der Diözese Vorarlberg, Franz Schönberger, will das nicht bestätigen: „Remar" sei „eine internationale Organisation mit gewisser Nähe zu den Evangelikaien", christlichen Urgemeinden also. Um eine Sekte handle es sich nicht. Schönberger selbst hat zwar „größere Bedenken" wegen des unqualifizierten Personals, unterstellt aber zumindest „ehrliches Bemühen".

Auch „Bemar"-Mitarbeiterin Monika Perez bestreitet natürlich, für eine Sekte zu werben. „In den Therapiegesprächen versuchen wir, ein christliches Weltbild zu vermitteln. Das Wichtige dabei ist Vergebung. Denn die Leute kommen mit großen Schuldgefühlen zu uns." Schließlich seien viele durch die Sucht in Kriminalität oder Prostitution abgerutscht. Die Patienten - in Dören sind es jeweils etwa 15 - müssen sich harten Regeln unterwerfen. Im Haus gilt strenges Alkohol- und sogar Rauchverbot. Anfangs ist ein Kontakt zur Außenwelt für mindestens drei Monate untersagt. Nach und nach werden den Patienten dann kleine Arbeiten im Haus übertragen. Insgesamt dauern Therapien rund 18 Monate, ähnlich lange also wie in herkömmlichen Einrichtungen.

Nicht bestritten wird von Monika Perez, daß Patienten nach der Therapie oft in der Organisation bleiben. „Viele werden Missionare oder bleiben als Betreuer bei uns."

Rene Schubert, ein Deutscher, ist so ein ehemaliger Patient, der nun in Dören arbeitet: „Ich habe bei ,Remar' angerufen, weil bei staatlichen Einrichtungen bis zu einem halben Jahr Wartezeit war. Damals hatte ich nur noch 52 Kilo. Die haben gesagt: ,Komm und probier's.'" Im Therapiezentrum habe er erstmals „Liebe gefunden", seit zwei Jahren sei er clean. Schubert: „Ich bin in eine Familie aufgenommen worden."

Der Autor ist

freier Journalist in Bregenz.

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