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Hilfe für frustrierte Lehrer

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Die Zeiten für Lehrer sind nicht einfach: Junglehrer warten jahrelang auf eine freie Stelle, und die Lehrer, die das Glück haben, an einer Schule unterrichten zu können, sind oft frustriert und vom „Burn-out"-Syndrom bedroht. Neue Unterrichtsmethoden wie das „offene", handlungsorientierte Lernen und die Integration behinderter Kinder - per Gesetz nun auch in Hauptschulen und Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS) eingeführt - überfordern zunehmend. Eine neue, aus den Vereinigten Staaten kommende Art von Lehrerfortbildung - die Lernwerkstatt - soll nun auch Lehrern in Osterreich wertvolle Unterstützung beim Erlernen neuer Unterrichtstechniken bieten.

Die sogenannten „lernwerkstät-ten" schießen zwar nicht gerade wie die Schwammerln aus dem Boden, meint Claudia Gritsch, Leiterin der Lernwerkstatt am Pädagogischen Institut (PI) in Wien, aber es gibt sie bereits in erklecklicher Anzahl. Allein in Tirol sind es sieben, im Burgenland gibt es drei, in Wien sind ebenfalls drei Lernwerkstätten etabliert und weitere in Planung, in der Steiermark, Vorarlberg und in Niederösterreich gibt es je eine.

Wer in eine solche IernWerkstatt hineingeht, kann Lehrer bei einer für sie außergewöhnlichen Tätigkeit beobachten: sie lernen. Aber nicht aus dicken Büchern wie in ihrer Studienzeit, sondern sie machen Experimente, bauen Instrumente, diskutieren über theoretische Probleme und versuchen, diese dann in der Praxis zu lösen. In der Fachsprache nennt man das „entdeckendes Lernen".

So probiert etwa ein Physik-Lehrer mit einfachen Mitteln aus, der Frage nach dem Entstehen des Windes in der Natur nachzugehen. Ein anderer versucht herauszufinden, warum sich ein leichter Gegenstand in einem Sodawasserglas in regelmäßigen Intervallen auf und ab bewegt. Ein EnglischVehrer wiederum baut eine Art überdimensionales Blasrohr mit der Absicht, diesem verschiedenartige Töne zu entlocken.

Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, die Fragestellungen entwickeln sich frei aus dem Interesse der Lernenden und sind an kein vorher definiertes Ziel gebunden. Man will entdecken, angreifen, messen, systematisieren, kreativ arbeiten.

Alles nur unnützes Zeug, mag man denken. Die Idee der Lern werk-statte kommt aber aus einer Branche, in der selten etwas ohne Kosten-Nut-zen-Bechnung etabliert wird, nämlich aus den Ausbildungszentren amerikanischer Groß kqnzenit.

Die US-Ausbildungs pfofis :hahen schon sehr früh erkannt, daß man etwas nur lernen kann, wenn man es selber ausprobiert und dann mit Hilfe der eigenen Fehler weiterkommt. Die Amerikaner nennen das „learning by doing" beziehungsweise „try and error "Verfahren und setzten es ein, um das kreative Potential ihrer Führungskräfte zu schulen.

Genau das sollen nun auch Lehrer in einer Lernwerkstatt tun können. Sie haben die Möglichkeit, entdeckendes Lernen selbst zu erleben, um ihre Schüler dann bei deren erkundenden Versuchen entsprechend unterstützen zu können.

Letztlich soll das entdeckende Lernen diese Schüler besser auf künftige Berufskonzepte vorbereiten. Lebenslanges Lernen, die Bereitschaft, immer wieder neue Qualifikationen zu erwerben und die Fähigkeit, das erworbene Wissen flexibel anzuwenden, gelten als die besten Garanten für die Jugend von heute, in der Welt von morgen einen Job zu finden.

Österreichs Lern Werkstätten entstanden meist auf Eigeninitiative einiger aufgeschlossener Lehrer, die mit viel Mühe und Einsatz ein „Lernzimmer" mit den notwendigen Materialien - von der Säge bis zum Computer - und einer Bibliothek einrichteten. Mittlerweile zeigt auch das Unterrichtsministerium Interesse am Projekt Lern Werkstatt und fördert diese Vorhaben finanziell.

Können Lernwerkstätten aber auch dem gestreßten „Durchschnittslehrer" bei seinen Alltagssorgen helfen - etwa beim Fertigwerden mit einer schwierigen Klasse? Bichard Triendl, Tiroler Pädagoge und Lernwerkstattleiter, sieht gerade darin eine wesentliche Aufgabe der neuen Lehrerfortbildung: In sogenannten „Workshops" werden zum Beispiel Fallgeschichten schwieriger Schüler gemeinsam analysiert und besprochen. Oft hilft schon das einfache Herstellen von Kontakten zu Lehrerkollegen, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. „Lehrer haben das Bedürfnis nach Hilfe und Unterstützung. Sie brauchen einen Baum, der nicht unbedingt von der Schulbehörde eingesehen werden kann und in dem sie angstfrei mit Kollegen über ihre Probleme, Defizite und Fehler reden können", meint Triendl. Der Lehrer sei viel zu sehr Einzelkämpfer im Klassenzimmer, fühle sich allein gelassen mit schwer lösbaren Aufgaben. In Fachkreisen wird von zehn bis 30 Prozent der Lehrerschaft gesprochen, die mit ihrem Job unzufrieden und in hohem Maße frustriert sind. -Und nicht ganz zu Unrecht beschwert sich mancher Erzieher, daß die Gesellschaft immer mehr Erziehungsverantwortung an die Schule abschiebt.

Die Lernwerkstatt als Ort der Begegnung zwischen Lehrern (und vielleicht auch Schülern) zur gemeinsamen Problembewältigung ist zur Zeit noch ein schöner Traum. In der Praxis kommen Lehrer vorerst vor allem für Fortbildungsseminare in die Lernwerkstatt am Pädagogischen Institut in Wien, berichtet die Leiterin Claudia Gritsch - und zumeist besuchen Lehrkräfte das Seminar, die ohnehin reformorientiert arbeiten. Das erstaunt nicht zuletzt angesichts der Tatsache, daß im Unterrichtsministerium bereits mit Nachdruck an den „Lehrplänen 2000" gearbeitet wird.

In den neuen Lehrplänen sollen die „offenen" Unterrichtsformen, wie man sie in' einer Lernwerkstatt selbst erfahren kann, feste Bestandteile sein. Spätestens dann werden alle Lehrer von der Volksschule bis zum Gymnasium, ihren Unterricht auf neue Art gestalten müssen.

Adressen-Info:

Lernwerkstatt, Pädagogisches Institut, Burggasse 14-16,1070 Wien, Tel: 0222/52) 62 22/726.

Die Lernwerkstatt ist mittwochs und freitags zwischen 14J0 und 16J0 Uhr frei zugänglich.

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