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Hilfestellung beim Umgang mit Geld

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Etwa 25.000 Menschen in Österreich haben einen Sachwalter, denn sie sind psychisch krank oder geistig behindert und brauchen Unterstützung. Die Frage ist, wie diese Unterstützung aussieht.

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Etwa 25.000 Menschen in Österreich haben einen Sachwalter, denn sie sind psychisch krank oder geistig behindert und brauchen Unterstützung. Die Frage ist, wie diese Unterstützung aussieht.

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Wien war die erste Stadt der Welt, in der 1784 Joseph II. eine eigene medizinische Versorgungseinrichtung für psychisch Kranke und geistig Behinderte errichtete. Vorher wurden die Betroffenen, meist in Armen-, Alten- und Krankenhäusern oder Gefängnissen eingesperrt. Auch im neuen „Narrenturm“ wurde ihnen die Handlungsfähigkeit aberkannt und ein Richter bestellte für sie, ohne Hinzuziehung eines Arztes, einen Kurator. Im Vordergrund stand die Kontrolle der „Irren“, die Fürsorge spielte eine Nebenrolle.

1916 trat die Entmündigungsordnung in Kraft. Aufgrund dieser konnte Betroffenen die Geschäftsfähigkeit ganz oder teilweise entzogen werden: In der Regel durften Entmündigte keine Verträge unterschreiben oder sonstige Geschäfte eingehen. Sie durften ihr eigenes Geld nicht verwalten. Psychisch Kranke und geistig Behinderte wurden weiterhin ausgegrenzt. Im „Dritten Reich“ wurden sie Massensterilisierungen unterworfen. Viele von ihnen wurden - als „unwert“ abgestempelt - ermordet.

Erst 1984 hob das „Bundesgesetz über die Sachwalterschaft für behinderte Personen“ nach langen Diskussionen den Großteil der Regelungen der Entmündigungsordnung auf. Der Entzug der Geschäftsfähig-, keit sollte nur mehr in den notwendigen Teilbereichen erfolgen; der beigestellte Sachwalter soll mit den Betroffenen soweit als möglich Zusammenarbeiten. 1991 trat das auch heute umstrittene Unterbringungsgesetz in Kraft, das die Aufnahme und den Aufenthalt psychisch Kranker in psychiatrische Anstalten und Abteilungen regelt. Voraussetzung eines entsprechenden Verfahrens sind nun auch Zeugnisse von zwei Fachärzten. Das Gericht und der Patientenanwalt müssen sofort verständigt werden.

Ob ein Sachwalter bestellt wird, wird vom zuständigen Bezirksgericht in einem Verfahren entschieden. Dieses kann vom Betroffenen beantragt oder vom Gericht aufgrund von Anregungen durch Angehörige, Ämter, Behörden sowie soziale Dienste eingeleitet werden. „Wir bemühen uns im Verfahren beide Seiten anzuhören“, beschreibt Albert Maresch vom Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft die Rolle des Sachwalters. Der vom Justizministerium finanzierte Verein bildet Sachwalter aus, beziehungsweise begleitet und unnennt sie dem Gericht. „Die Definition, daß wir die Bedürfnisse der Betroffenen berücksichtigen und ihre Wünsche mit ihnen gemeinsam umsetzen sollen, klingt gut, ist aber oft ein heikler Grenzgang.“

Es sei unmöglich, alle psychisch Kranken und geistig Behinderten über einen Kamm zu scheren. „Es spielen viele soziale Faktoren mit“, so Maresch weiter. Die Betroffenen haben in unterschiedlichen Ausmaß Schwierigkeiten beim Umgang mit Geld oder mit Ämtern und Behörden.

MIT DEM GERICHT

Oft kommen dazu Probleme beim Aufrechterhalten des Kontaktes mit sozialen Einrichtungen wie der Heimhilfe, Essen auf Rädern oder dem Psychosozialen Dienst. „Häufig fehlt den Betroffenen auch der Mut und das Wissen, die ihnen zustehenden finanziellen Mittel und Betreuung einzufordern.“ Der Kontakt zu Familie, Verwandten und Freunden ist ebenfalls vielfach unterbrochen oder nicht vorhanden.

Der Sachwalter tritt bei Gericht als Verfahrensvertreter auf. „Gemeinsam mit dem Richter wird versucht, die Maßnahmen mit der Per son abzustimmen“, beschreibt Maresch. Dann tritt der Sachwalter, als solche können auch nahe Angehörige oder gute Bekannte bestellt werden, seine nicht immer leichte Aufgabe an.

Sie vertreten den Betroffenen, je nach Ausmaß des Gerichtsbeschlusses bei Vertragsabschlüssen, die zum Beispiel die Wohnung regeln und gegenüber Behörden. Es wird versucht, eine persönliche Beziehung aufzubauen. Regelmäßig wird dem Gericht über eventuelle Fortschritte berichtet. „Jeder Mensch, egal ob behindert oder nicht, hat positive Seiten, Stärken die gefördert werden können“, betont Maresch. Er fordert gerade für Menschen, die in einer psychiatrischen Anstalt waren, eine Versorgung. Also auch attraktive Möglichkeiten zur Arbeit, zum Wohnen, zur Freizeitgestaltung und eine nachgehende Betreuung. Es würde nicht ausreichen jemand einige Briefe zu schicken. Viel stärker unterstützt werden müßten auch die Angehörigen. Oft wird ein Sachwalter bestellt, nur weil die Angehörigen sich nicht länger mit den Betroffenen auseinandersetzen wollen. In vielen Fällen sind die Angehörigen schlichtweg überfordert - hier sollte durch verstärkte ambulante Versorgungsangebote und Tageszentren eine wirkliche Unterstützung geschehen.

Der Ausbau der Versorgung außerhalb von Krankenhäusern ist Ländersache — dort werden die Kompetenzen schon seit Jahren hin und her geschoben. Es wird auf die — teilweise nicht bestreitbare - Qualität bestehender Einrichtungen hingewiesen. „Wenn jemand in Gefahr ist seine Wohnung und den Arbeitsplatz zu verlieren greift die Betreuung der Psychosozialen Dienste viel zu kurz.

Es fehlt an einem koordinierten Vorgehen, das auf individuelle Bedürfnisse, Schwächen und Stärken eingehen kann“, so Maresch. Verstärkt werden müßte auch die Propagierung einer neuen Sicht des Wortes Integration. In einem Buch über das Leben eines autistischen Kindes („Kai lacht wieder“, Hartmut Gangeimann) heißt es: „Die Behinderung besteht zu einem großen Teil aus unseren Ängsten und Vorurteilen gegenüber den betroffenen Menschen.“

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