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Hodischultaxengesetz - und was weiter?

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Nach eineinhalbjähriger lebhaftester Diskussion und Aktivität in den beteiligten Kreisen hat nunmehr der Nationalrat das Hochschultaxengesetz beschlossen. Zwei Extreme sind darnach einander gegenüberzustellen:

Der Erfolg des Geschehens besteht in der Vervierfachung des Kollegiengeldes aller Hochschullehrer, der fühlbaren Erhöhung der Remunerationen für Lehrbeauftragte und in der Sicherung eines angemessenen Prü-

fungshonorares; den Hochschülern kommt die gesetzliche Neuordnung des Ermäßigungssystems nach sozialen Grundsätzen zugute. Alle genießen den Vorteil einer umfassenden Regelung der Gesamtmaterie nach einheitlichen Gesichtspunkten, die an die Stelle von Dutzenden von Einzelverfügungen getreten ist.

Tiefpunkt der Ereignisse war zweifellos der Tumult, der während der letzten Protestkundgebung der Hochschüler entstand,

als ein oppositioneller Abgeordneter versuchte, aus dem Streit der Meinungen für seine Partei Kapital zu schlagen und sich darnach plötzlich tätlichen Bedrohungen ausgesetzt sah.

Innerhalb dieses weiten Spannungsbogens gab es genug dramatische Ereignisse, und der alte Erfahrungssatz, daß die österreichischen Hochschulen ein Politikum ersten Ranges sind, fand in jeder Phase des Geschehens seine Bestätigung. Ueber alles erhob sich aber zuletzt eines: Es gelang, das Problem aus der engen parteipolitischen Verstrickung zu lösen und schließlich dem Parlament einen Entwurf zu unterbreiten, von dem bedeutende Partien auch die Zustimmung der Rechtsopposition fanden. Mit Recht hat der Schlußredner des Tages, Nationalrat Gschnitzer, diesen bleibenden Gewinn in seiner Rede herausgestellt.

Mit der Debatte über das Hochschultaxengesetz wurde aber die Lage der Hochschulen im ganzen zur Diskussion gestellt. Der Unterrichtsminister hat kürzlich' betont, daß es sich dabei um eine europäische Aufgabe von säkularer Bedeutung handle. Nationalrat Gschnitzer hat in seinem Schlußwort zum Hochschultaxengesetz mutig die Sperrzone der Schlagworte und des illusionären Geredes durchstoßen und den kühnen Versuch gewagt, einige vielseitige und umfassende Themen zu behandeln, die bei nüchterner

Erfassung der derzeitigen Lage unserer Hochschulen zu allererst aufscheinen.

Nun darf die damit begonnene Entwicklung nicht abreißen.

Zunächst bleibt im Zusammenhang mit dem Hochschultaxengesetz noch ein übriges zu tun: Der Ministerrat hat anläßlich der Beschlußfassung über den Regierungsentwurf dieses Gesetzes die Absidit ausgesprodien, unter der Patronanz der Bundesregierung ein Studienförderungswerk ins Leben zu rufen. Dieses Studienförderungswerk soll nicht etwa an die Stelle der zahlreichen amtlidien und privaten Institutionen treten, die bereits bisher so viel für die wirtschaftliche Hilfeleistung, für die Studienförderung, für die Gesundenbetreuung, kurz zur Lösung der sozialen Frage in der Hodischülerschaft geleistet haben. Ein solches Studienförderungswerk dürfte sich audi nicht in den formalen Funktionen einer Dachorganisation versudien. Worauf es ankommt, ist die Beseitigung der gegenwärtigen Zersplitterung, die zu Zeiten die Entwicklung des Förderungswesens hemmt und eine gerechte und möglichst wirksame Verteilung der Mittel bisher noch nicht ermöglicht hat. Darüber hinaus bedarf es der Zusammenfassung aller Kräfte zur Lösung gewisser Großaufgaben (Krankenfürsorge, Erholungsheime) und schließlich verdient die grundsätzliche Neuorientierung des Stipendienwesens besonderes Interesse, weil nur so die im Hochschultaxengesetz normierte Unterstützung der Minderbemittelten durch die konsequente Förderung der Begabten ergänzt werden kann. Auf diesem Gebiet darf Oesterreich nicht mehr länger hinter dem

Vorbild des Auslandes zurückbleiben. Gebietskörperschaften, Kammern, Unterstützungsund Heimvereine, ferner die Studenten- und Akademikerverbände und insbesondere die Hochschulen und die Hochschülerschaft selbst sollten ohne Vorbehalt und rasch an die Lösung dieser Aufgaben gehen, zu der

hoffentlich das Unterrichtsministerium bald aufrufen wird.

Innerhalb des weitgespannten Bogens der vielerörterten Hochschulreform erkennen wir eine Reihe von Aufgaben, die auch bei weitgesteckter Zielsetzung im Sinne einer Gesamtreform vorweg in Angriff genommen werden müssen, die nicht auf die lange Bank geschoben werden sollten.

Hier muß zunächst den Zweiflern an der Lebenskraft unserer Hochschulen gesagt werden, daß sie als Forschungsinstitute noch durchaus leistungsfähig und gesund sind, daß sie aber bei dem Versiegen der materiellen Mittel in ihrer Kapazität auch nicht annähernd ausgenützt bleiben. Bei der Lösung dieses Problems müßte der Staat mit gutem Beispiel vorangehen und die Mittel seines Etats für Förderungszwecke in erster Linie den Hochschulinstituten zugute kommen lassen, anstatt sich in kostspieligen und riskanten Neugründungen zu versuchen. Die Hochschulen verdienen dieses Vertrauen.

Das wissenschaftliche Forschungswesen verlangt aber auch eine gewisse Koordination der Kräfte und Aktivitäten. Dieses Problem ist in der Bundesrepublik Deutschland und in der Schweiz bereits gelöst worden. Dem österreichischen Nationalrat wurde vor Jahren der Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung eines Oesterreichischen Forschungsrates vorgelegt. Ueber den Entwurf ist längst die Kontroverse parteipolitischer Auseinandersetzungen zu einem undurchdringlichen Gestrüpp zusammengewachsen. Sollten die bei der parlamentarischen Behandlung des Hoch-schultaxengesetzes gewonnenen Erfahrungen nicht dazu ermutigen, auch diese Materie aus der parteipolitischen Verstrickung zu lösen?

Nun soll man beileibe nicht meinen, die Hochschulreform erschöpfe sich in legislatorischen Aufgaben. Ueber allem solchen Bemühen müßte wohl der Grundsatz stehen, daß die Entwicklung vom Geistigen her kommen muß, daß also der Hochschule selbst eine wichtige Rolle zukommt und daß die Hochschulverwaltung schließlich nichts anderes tun sollte, als die wirksamen Kräfte zu ermutigen, sie zusammenzufassen und zu gewährleisten, daß sie dem letzten gemeinsamen Ziele dienlich bleiben.

In diesem Sinne müßte sich wohl die Unterrichtsverwaltung mit der Frage einer Aktivierung der wissenschaftlichen Lehre beschäftigen. Mit Recht hat Nationalrat Gschnitzer das vielerorts feststellbare Fehlen kontrollierter, zielbewußter Lehrmethoden festgestellt. Die Hochschulen technischer Richtung beobachten mit Sorge das ständige Anwachsen des Lehrstoffes. Das Rezept für die Konzentration auf das “Wesentliche und das den Anfänger Fördernde ist noch nicht gefunden. Vielleicht hat die Erschlaffung der unterrichtenden Funktion der Hochschulen ihren Grund auch darin, daß die pädagogische Begabung bei Berufungen so wenig gewürdigt wird.

Diese und viele andere Fragen dürften aber keineswegs allein unter dem Gesichtspunkt einer bloßen Reform der Studien- und Prüfungsordnungen zusammengefaßt werden, wie dies in der abgelaufenen Zeit leider vielfach geschehen ist. Bei aller scharfsichtigen Erkenntnis ungünstiger Umweltverhältnisse darf doch anderseits nicht die Tatsache vernachlässigt werden, daß der Urgrund der Krise des geistigen Lebens im Geistigen liegt und daß die Geistigen mitschuldig sind.

Obwohl die Hochschule eine unvergleichliche Sattelstellung in der Schnittlinie der spirituellen und materiellen Welt innehat, ist der fruchtbare Kontakt zwischen der Hochschule und ihrer Umwelt fast erloschen. Die Hochschule — und die wissenschaftliche Welt — leidet in diesen Tagen schwer darunter, daß es ihr bei den derzeitigen von Grund aus gewandelten Verhältnissen noch nicht ge-

lungen ist, ihre Stellung, ihre Aufgaben und ihre Notwendigkeiten der Umwelt verständlich zu machen. Dieses Verständnis muß aber vorhanden sein, soll etwa das Gesamtproblem der Hochschulen anläßlich der Schaffung eines umfassenden Hochschulgesetzes vertrauensvoll in die Hände der Volksvertretung gelegt werden können.

Der Unterrichtsminister hat kürzlich in einer Rundfunkansprache darauf hingewiesen, daß von den Großmachtpositionen des alten Oesterreich nur mehr die geistige erhalten geblieben sei. Nodi immer — so hieß es — zehrten wir von der aus jener Zeit überkommenen Substanz, und zwar in ideeller, materieller und personeller Hinsicht. Indessen sei die Grenze, bis zu der die Erschöpfung betrieben werden kann, bereits erkennbar. Dieses Zeitmaß dürfen die Kreise des akademisdien Lebens nicht außer acht lassen, wenn sie an die im vorigen angedeuteten Aufgaben herantreten.

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