"Ich will jungen Leuten ein Sprachrohr sein"

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Als UN-Jugenddelegierter Österreichs hat sich Aleks Semerciyan ein Jahr lang für die Rechte und Interessen von Kindern und Jugendlichen eingesetzt. Ein Bilanzgespräch.

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Als UN-Jugenddelegierter Österreichs hat sich Aleks Semerciyan ein Jahr lang für die Rechte und Interessen von Kindern und Jugendlichen eingesetzt. Ein Bilanzgespräch.

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Vor einem Jahr hat die Bundesjugendvertretung den 25-jährigen Aleks Semerciyan als UN-Jugenddelegierten ausgewählt. Im FURCHE-Interview berichtet der Wiener Jus-Student von seiner bewegten Zeit.

DIE FURCHE: Wie kann man sich den Arbeitsalltag eines UN-Jugenddelegierten vorstellen?

Aleks Semerciyan: Ich habe natürlich mit Jugendorganisationen zusammengearbeitet, um mehr über die Anliegen der Jugendlichen zu erfahren. Mit dem Außenministerium habe ich meinen Aufenthalt bei der UNO in New York geplant und mit dem Jugendministerium habe ich mich inhaltlich darauf vorbereitet. Außerdem habe ich gebloggt und E-Mails von Kindern und Jugendlichen beantwortet. Als UN-Jugenddelegierter arbeitet man grundsätzlich ehrenamtlich. Ich habe ja nebenbei noch studiert.

DIE FURCHE: Haben Sie eine E-Mail noch besonders in Erinnerung?

Semerciyan: Als die internationalen Schlagzeilen zu Syrien wieder tödliche Angriffe auf Zivilisten und vor allem auf Kinder und Jugendliche meldeten, hat mir ein Wiener Student eine kurze, aber vielsagende E-Mail geschrieben. "Die UNO sieht wie immer nur tatenlos zu!", und "Deine Position wird daran nichts ändern." Ich dachte mir, dass das eine sehr legitime Meinung ist, die wohl von vielen geteilt wird. Natürlich kann ich als UN-Jugenddelegierter nicht die Welt verändern. Auch ich bin mit vielen Entwicklungen unzufrieden. Deshalb möchte ich meine Kraft dazu einsetzen, etwas zu verändern.

DIE FURCHE: Welche Jugendthemen liegen Ihnen besonders am Herzen?

Semerciyan: Einerseits die Jugendbeteiligung an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen, weil Jugendliche die Führungspersönlichkeiten von morgen sind. Österreich nimmt mit dem passiven Wahlrecht ab 16 eine Vorreiterrolle ein. Meine Funktion ist es auch, denen eine Stimme zu geben, die noch nicht wahlberechtigt sind. Sämtliche Themen wie Gesundheits-und Altersvorsorge sind für junge Menschen genauso relevant wie Ausbildungsfragen.

DIE FURCHE: Warum haben Sie als internationalen Schwerpunkt Kinder und Jugendliche in Kriegs- und Konfliktsituationen ausgewählt?

Semerciyan: Ich denke, dass Friedensschaffung langfristig nur über die Kinder funktionieren kann. Für eine friedliche Zukunft ist es unerlässlich, dass Kinder ohne Hass und Fanatismus aufwachsen. Man muss zugeben, dass österreichische Jugendthemen im Vergleich oft "Luxusthemen" sind.

DIE FURCHE: Sie haben selbst Migrationshintergrund. Sehen Sie sich insbesondere als Sprachrohr für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund?

Semerciyan: Schon, weil ich aus eigener Erfahrung sprechen kann. Ich bin in Istanbul geboren und mit drei Jahren nach Wien gekommen, wo ich zweisprachig -mit Deutsch und Armenisch -aufgewachsen bin. Es ist mir wichtig, wie Jugendliche das Thema Integration wahrnehmen, und wie die Gesellschaft junge Menschen mit Migrationshintergrund wahrnimmt. Sie sollen trotz sprachlicher und sozioökonomischer Barrieren dieselben Chancen erhalten wie andere auch. Aber auch die Inklusion von Kindern und Jugendlichen mit körperlichen und geistigen Behinderungen ist mir ein Anliegen.

DIE FURCHE: Sie waren bei der UNO-Generalversammlung 2013 in New York und haben vor dem Dritten Komitee gesprochen, das für die Vertretung von Kindern und Jugendlichen verantwortlich ist.

Semerciyan: Ich war einen ganzen Monat lang in New York, konnte an den Sitzungen und Verhandlungen der UNO teilnehmen. Ein Themenschwerpunkt der Generalversammlung waren unter anderem die Milleniums-Entwicklungsziele. In Sri Lanka wird im Mai eine Weltjugendkonferenz stattfinden, um ein Folgeprogramm für die Ziele nach 2015 zu diskutieren. Außerdem soll dort auch über die Schaffung eines permanenten UN-Jugendforums gesprochen werden, wo sich NGOs mit Regierungsvertretern und UN-Jugenddelegierten austauschen sollen.

DIE FURCHE: Wieviel Anklang findet das UN-Jugenddelegierten-Programm weltweit?

Semerciyan: Derzeit haben nur 30 Staaten UN-Jugenddelegierte. Ein Problem ist, dass der Großteil von ihnen aus westlichen Ländern stammt, aber 80 Prozent der jungen Menschen in Asien und Afrika leben. Die Mehrheit der Kinder weltweit bekommt nicht mehr als die primäre vierjährige Schulbildung. Es waren aber auch nicht alle europäischen Staaten vertreten. In manchen Ländern wiederum gibt es zwei Delegierte, um die Gender Balance zu halten, etwa in Deutschland. Das wäre auch in Österreich erstrebenswert.

DIE FURCHE: Ist es nicht frustrierend, dass es bei der UNO oft bloß um symbolische Gesten geht?

Semerciyan: Es treffen ja 193 Staaten mit verschiedensten politischen und gesellschaftlichen Perspektiven aufeinander. Schon kleine Schritte in eine gemeinsame Richtung sind da ein Erfolg. Es ist auch wichtig, dass es zu keinen Rückschritten kommt.

DIE FURCHE: Ihre Amtszeit endet in wenigen Wochen. Wie sieht Ihre persönliche Bilanz aus?

Semerciyan: Rückblickend konnte ich die globalen Themen in vielen einzelnen Gesprächen österreichischen Jugendlichen näher bringen -und umgekehrt heimische Themen auf internationaler Ebene vertreten: Beim europäischen Jugendforum in Brüssel habe ich über unsere Erfahrungen mit dem Wahlrecht ab 16 Jahren berichtet. Und ich habe übermittelt, was jungen Menschen in Österreich laut der Umfrage "My World Survey" am wichtigsten ist: Eine gute Ausbildung, Umweltschutz und der Zugang zu reinem Wasser. Das größte Erlebnis war sicher der Aufenthalt in New York, als ich bei der UNO einund ausgegangen bin und die anderen UN-Jugenddelegierten kennenlernen konnte. Aber jetzt steht erst mal mein Studienabschluss an. Danach will ich weiter im internationalen Bereich arbeiten.

"Österreich nimmt mit dem Wahlrecht ab 16 Jahren eine Vorreiterrolle ein. Meine Aufgabe ist es, auch jenen eine Stimme zu geben, die noch nicht wahlberechtigt sind."

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