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Im Spannungsfeld der Beziehungen

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DER CHRIST IN DER POLITISCHEN VERANTWORTUNG, Von Hans Asmussen. Schriftenreihe „Politik", herausgegeben von Prof. Arnold Bergsträsser. Rombach-Verlag, Freiburg im Breisgau. 64 Seiten. Preis 5.80 DM.

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DER CHRIST IN DER POLITISCHEN VERANTWORTUNG, Von Hans Asmussen. Schriftenreihe „Politik", herausgegeben von Prof. Arnold Bergsträsser. Rombach-Verlag, Freiburg im Breisgau. 64 Seiten. Preis 5.80 DM.

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Um den Weg christlichen Handelns in der Politik zu bestimmen, sucht der Autor — einer der bedeutendsten evangelischen Theologen des deutschen Sprachraumes — den Ort für den Glauben in der Politik zu finden. Dabei erfolgt die Konfrontierung nicht mit einer subjektiven Gläubigkeit, die sich nur vom Glauben •bleiten kann, sondern mit diesem selbst.

Der Verfasser — selbst der CDU nahestehend — weiß als Theologe um die Problematik seines Versuches, die Wirklichkeit politischen Handelns dem Glauben gegenüberzustellen, und dies heute, da auch die Sozialisten (in der Bundesrepublik) eine ernste Verbundenheit mit dem Christlichen deklarieren, also der Feind, der oft die eigene Position bestimmt, fehlt. Das Christliche, als Unterscheidung zwischen CDU und SPD, beginnt, verbal, zu verschwinden, wenn auch sehr wesentliche Unterscheidungsmerkmale offenkundig sind und in den Nuancen das Bestimmende des Unterschiedes zu sehen ist.

Eine Partei soll sich nicht in den Dienst der Kirche stellen, wie das alte Zentrum, das, angesichts der machtpolitischen Situation, dazu freilich gezwungen gewesen war. Ebensowenig darf man so vermessen sein und davon ausgehen, daß das Christliche als Etikette einer Partei auch etwas über die Christlichkeit der einzelnen Mitglieder dieser Partei auszusagen geeignet ist. Solches annehmen hieße eine „unerträgliche Überheblichkeit“ (Seite 8) zur Schau tragen, ist doch jedes politische Handeln auf das Kompromiß angewiesen und vermag kein unmittelbarer Vollzug von Glaubenswahrheiten im Bereich der Welt zu sein.

Dagegen kann aber nicht, wie dies in der zeitgenössischen evangelischen Theologie zuweilen geschieht, das Heil von der Schöpfung getrennt werden. Geschieht dies, handelt es sich um eine — durch theologische Formeln überdeckte — Säkularisierung des Alls. Daher muß der Christ auch in der Politik das Gute tun. Das aber heißt, das Problem der Macht analysieren, die zu diskriminieren Mode geworden ist, während doch Macht auch verstanden werden kann als „jede Form von Vermögen, welches uns befähigt, kraftvoll Einfluß zu üben“ (Seite 19).

Wenn man einen Bestimmungsgrund für christliches Verhalten in der Politik zu geben vermag, so ist es dieser: Unter allen irdischen Werten ist der Mensch der höchste Wert. Alles politische Handeln muß darauf gerichtet sein, daß „der Mensch in seinen irdischen Beziehungen sein Menschsein bewähren kann" (Seite 22). Politisches Handeln liegt im Spannungsfeld der Beziehungen von Einzelmensch und Gemeinschaft. Das politische, ein durchaus innerweltliches Han-

dein, bedarf des Einsatzes der Macht. Die Erlösung, außerweltlich konstituiert, hat auch innerweltliche Bezüge, befindet sich also an der Grenze zwischen Diesseits und Jenseits. An dieser Grenze aber steht die Politik nicht. Daher bedarf es einer reinlichen Scheidung kirchlicher und politischer Interessen. Das Interesse der Kirche liegt da, wo das Interesse der Politik nicht liegen kann (Seite 28), betreibt die Kirche doch das (vom Politischen her gesehen) „Außerordentliche“ (Seite 29). Dadurch aber setzt die Kirche dem Politischen auch eine Grenze. Anderseits aber gibt es Sachgebiete, welche zum Aufgabenbereich sowohl der Kirche wie des Staates gehören.

Eine große Frage für den aus dem Glauben lebenden christlichen Politiker ist es, ob „in den von Jesus überlieferten Worten bestimmte Weisungen für das politische Handeln gegeben sind“. Die Politik muß das Allgemeingültige anstreben und es mit den Mitteln staatlichen Zwanges durchzusetzen versuchen. Aus diesem Grund kann auch die Bergpredigt mit ihren Postulaten nicht als Grundordnung einer allgemeinen sittlichen Weltordnung angesehen werden (Seite 39),

darf man doch ihre Forderungen nicht mit Zwang durchsetzen, obwohl das Evangelium positive Hinweise auf das Phänomen der Macht gibt (Seite 40). Der Öffentlichkeitsanspruch, den die Kirche stellt, ist daher zunächst kein irdischer, sondern kommt aus dem Innersten der Kirche, welche in ihrer Weise die Welt in Anspruch nimmt (Seite 47). Daher auch das stete Bemühen der Kirche um einen rechtlichen Ort, will sie nicht zum Kon- ventikeltum verurteilt sein.

Das Buch ist eine jener seltenen Publikationen, die in der Frage der Beziehung von Glauben und Politik nicht den Standort nur des Politikers oder nur der Kirche einnehmen, sondern die Ambivalenz des Christen aufzeigen, der nun einmal Bezüge zum Diesseits und zum Jenseits hat. Die Thesen des Autors können — von ganz wenigen Vorbehalten abgesehen — von jedem katholischen Christen akzeptiert werden. Daneben ist das kleine Buch aber auch eine hervorragende Einführung in das Wesen des Politischen. Schon das müßte ein Grund sein, von allen, denen Politik ein Anliegen ist, studiert zu werden.

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