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Digital In Arbeit

Impuls für eine neue Solidarität

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DIEFURCHE: Haben Sie sich jemals während ihrer beruflichen Laufbahn diskriminiert gefilhlt? FlUL'ENMINISTERlN BARBARA PRAMMER: Ja. Vieles, von dem ich spreche, kenne ich aus eigener Erfahrung. Sehr vieles. Beruflich genauso wie gesellschaftlich. Ich war bei meinem ersten Kind Alleinerzieherin, zu einer Zeit wo das sehr stark thematisiert wurde. Noch dazu in einer kleinen Gemeinde. Bei meinem zweiten Kind war ich hingegen zu Hause. Ich habe zwar nebenbei studiert, war aber grundsätzlich Hausfrau. Daher kenne ich viele Situationen aus eigener Erfahrung.

Ein berufliches Fortkommen konnte ich einmal aufgrund eines Mannes nicht realisieren - auch das habe ich erlebt. Ich glaube schon, daß das, was ich in der Frauenpolitik als wichtig erachte, aus tiefster Uberzeugung und von Herzen kommt.

ieFurchk: Hätten Sie es als Mann leichter gehabt?

PRAMMER: Nein, das glaube ich nicht. Ich habe aber viel Glück gehabt und bekenne mich auch dazu. Ich war sozusagen zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Wenn man meine Karriere kennt, wäre es unverfroren zu sagen, ein Mann hätte es leichter gehabt.

ieFurciie: Was sindfür Sie die wichtigsten Ziele in der Frauenpolitik? PRAMMER: Die Situation der Frauen in der Berufswelt stark zu thematisieren. Das ist für mich zur Zeit das Hauptanliegen. Die jüngste Arbeitslosenstatistik ist dramatisch. In erster Linie sind Frauen betroffen, die schlecht qualifiziert sind und Wieder -einsteigerinnen. Es ist für die Frauen derzeit nahezu unmöglich, nach der Kinderpause wieder in einen entspre-

„Politik wurde mir in die Wiege gelegt"

Barbara Prammer, 43, behauptet von sich selbst, daß ihr die Politik „in die Wiege gelegt" wurde. Der Vater war („seit ich denken kann") in ihrer Heimatgemeinde Ottnang am 1 lausruck (Bezirk Vöcklabruck, Oberösterreich) als Gemeinderat und Bürgermeister tätig.

Ihre eigene politische Laufbahn begann die damals 20jährige als Jugend- und Frauenfunktionärm des Bezirks Vöcklabruck, über die „gewerkschaftliche Schiene".

1991 zog sie in den oberöster-reichischen Landtag ein. Seit März 1995 war Prammer Landesrätin in Oberösterreichj zuständig für Naturschutz und Wohn-bau. Sie war somit die erste Frau in der oberösterreichi-

chenden Beruf zurückzukehren. Oftmals sind sie von Aus-und Weiterbildungsmaßnahmen abgeschnitten.

Letztlich geht es im Prinzip immer wieder um die Frage, wie eine Frau Beruf und Kinder vereinbaren kann, um ansatzweise genauso gut wie männliche Kollegen im Beruf reüssieren zu können.

ieFuuche: Unterstützen Sie das Frauenvolksbegehren in allen Punkten

sehen Landesregierung. Prammer wurde bereits vor zwei Jahren gefragt, ob sie nicht Frauenministerin werden wolle.

Damals sagte sie ab. Mit ihrem Einzug in die Bundesregierung Anfang dieses Jahres bekommt die Frauenministerin auch zusätzliche Kompetenzen; Konsumentenschutz und Gentechnik.

Während ihrer Karenzzeit schloß sie in Linz ihr Soziologiestudium ab. Seit 1980 ist Prammer verheiratet und hat mittlerweile zwei Kinder.

Neben den Frauen-fragen, die für Prammer schon immer ein „zentrales Anliegen" waren, engagierte sich die neue Frauen-ministerin für den Naturschutz, zuletzt gegen das Kraftwerk Lambach. bin

Prammer: Es ist so, daß alle Punkte wesentlich sind. Es ist mir klar, daß nicht jeder Punkt eins zu eins in einen Gesetzestext gegossen und damit umgesetzt werden kann. Ich, und wohl auch die Initiatorinnen, unterscheiden sehr stark zwischen kurz-, mittel- und längerfristigen Zielvorgaben. Genauso sollte das Volksbegehren meines Erachtens auch verstanden werden. Es ist aber höchste Zeit, daß sämtliche Punkte des Frauenvolksbegehrens in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion gestellt

werden, und daß man von diesen Ansätzen her nach Lösungsmöglichkeiten sucht. Insofern bin ich sehr froh, daß es dieses Frauenvolksbegehren

gibt. ' ,\ W

Ich denke, es ist auch eine einmalige Chance, die Frauen wieder zusammenzuführen. Über alle Partei- und ideologischen Grenzen hinweg zu sagen: wir haben einen Anspruch in der Gesellschaft. Den artikulieren und dokumentieren wir auch. Vielleicht entsteht so etwas wie eine Bewegung.

iefuuche: Welche Frauen sollen sich durch Sie repräsentiertfühlen? prammer: Ich glaube alle, das ist mein Anspruch. Ich sage deswegen alle, weil jeder Frau bewußt sein soll, daß, egal in welcher Situation sie steht, sie von Benachteiligungen betroffen sein kann. Es gibt Benachteiligungen, die subjektiv gar nicht als solche empfunden werden. Manche Frauen sagen auch: vergessen wir das, das ist ja gar nicht so wachtig. Aber es gibt einen kleinsten gemeinsamen Nenner, und das ist der Ausgangspunkt. Da sollte auch das Wort Solidarität wieder an Bedeutung gewannen. Denn natürlich ist es klar, daß es in erster Linie einmal um jene Frauen geht, die es sich in dieser Gesellschaft nicht so richten können, die nicht in der Lage sind, alleine und ohne öffentliche Unterstützung zu Rande zu kommen. Ich denke, da ist es notwendig, alle Frauen anzusprechen, damit so etwas wie Solidarität entsteht. Auf der anderen Seite ist keine Frau davor gefeit, daß sie nicht irgendwann einmal in eine Situation kommt, wo sie sagt: jetzt hat es mich auch erwischt. Den Freibrief, daß es immer gut geht, hat keine.

Das Gespräch führte

Monika Kunit

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