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Informieren, nicht Bläh, Bläh...!

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Die Werbung ist in der letzten Zeit wieder stark in das Kreuzfeuer der Kritik geraten. Die Politiker bezweifeln ihren volkswirtschaftlichen Nutzen, verschanzen sich hinter vermeintlichen Konsumenteninteressen, wobei vor allem die übersteigerte, oft infantile Waschmittelwerbung die Argumente liefert, und liebäugeln mit einer progressiven Besteuerung der Werbung und gesetzlicher Begrenzung. In diesem Sinne wetterte erst vor kurzem Handelsminister Dr. Josef Staribacher auf dem Bildschirm gegen eine Werbung, die in vielen Fällen nicht informiert, sondern irreführt, ohne daß seitens der Werbewirtschaft dieser Fehlentwicklung Einhalt geboten werde. Es besteht kein Zweifel daran, daß derartige Attacken überaus publikumswirksam sind, wenngleich sie an den eigentlichen Problemen vorbeigehen.

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Die Werbung ist in der letzten Zeit wieder stark in das Kreuzfeuer der Kritik geraten. Die Politiker bezweifeln ihren volkswirtschaftlichen Nutzen, verschanzen sich hinter vermeintlichen Konsumenteninteressen, wobei vor allem die übersteigerte, oft infantile Waschmittelwerbung die Argumente liefert, und liebäugeln mit einer progressiven Besteuerung der Werbung und gesetzlicher Begrenzung. In diesem Sinne wetterte erst vor kurzem Handelsminister Dr. Josef Staribacher auf dem Bildschirm gegen eine Werbung, die in vielen Fällen nicht informiert, sondern irreführt, ohne daß seitens der Werbewirtschaft dieser Fehlentwicklung Einhalt geboten werde. Es besteht kein Zweifel daran, daß derartige Attacken überaus publikumswirksam sind, wenngleich sie an den eigentlichen Problemen vorbeigehen.

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Bedenklich stimmen muß es allerdings, wenn neuerdings auch Nationalökonomen und Soziologen den Wert der Werbung für die Gesellschaft von morgen bezweifeln und vielfach sogar überhaupt negieren. Daß wir in Österreich vor einer zweiten Industrialisierungswelle stehen, ist inzwischen zum politischen Schlagwort geworden. In den USA denkt man schon weiter und glaubt, daß sich das Industriezeitalter bereits seinem Ende zuneigt. Professor Daniel Beils „Nachindustrielle Gesellschaft“ ist dort ebenso ein Bestseller wie John Kenneth Galbraiths „New Industrial State“ und das eben erschienene Werk von Prof. Doktor Zbigniew Brzezinski „Between Two Ages“. Sie alle stellen übereinstimmend fest, daß heute die Produktion im Mittelpunkt all unseres Denkens steht, der Mensch aber im Hintergrund bleibt. Im nachindustriellen Zeitalter aber werden Technologie und Elektronik dem Menschen die Freiheit geben, sich wieder mit dem Sinngehalt des menschlichen Lebens zu befassen, nicht in metaphysischer Sicht, sondern im Hinblick auf das Endliche.

Galbraith meint, daß der Ubergang von der Industriegesellschaft zur nachindustriellen Gesellschaft vor allem durch drei Fragen bestimmt sein werde:

1. Produktion, zu welchem Zweck? Es kommt nicht auf den Markt an, es wird nicht mehr für den Markt produziert, sondern „für die wahren Bedürfnisse der Menschen“.

2. Produktion, für wen? Der Umfang der Produktion kann nicht unentwegt zunehmen: unter solchen Aspekten gewinnt die Frage nach der richtigen Verteilung besondere Bedeutung.

3. Produktion, unter welchen Bedingungen? Hier geht es um die Frage der industriellen Autonomie.

Die Futurologen spinnen diese Gedanken munter weiter. Jungk spricht von der notwendig werdenden Demokratisierung der industriellen und technischen Entwicklung: Diejenigen, die ein Produkt erzeugen und verkaufen wollen, sollen zuerst in einer „demokratischen Diskussion“ erörtern, ob das neue Produkt überhaupt notwendig sei, ob es der Verbraucher wolle und ob man es überhaupt brauche. Nach Ansicht mancher Futurologen wäre eine derartige Diskussion vor jeder Neuproduktion dem heutigen Verfahren bei weitem vorzuziehen, bei dem Technik, Wissenschaft und Wirtschaft immer neue Möglichkeiten ersinnen, um sie dann — eben durch die Werbung — dem Markt anzubieten.

Unter diesen Umständen scheint es' geboten zu sein, sich immer wieder mit der Stellung der Werbung in der modernen Marktwirtschaft und ihrer Zukunft auseinanderzusetzen. Diese Auseinandersetzung ist um so notwendiger, als sich in den letzten Monaten aus der Werbewirtschaft selbst immer zahlreicher kritische Stimmen zu Worte meldeten. Ein Großer der österreichischen Werbewirtschaft, Kommerzialrat Fred Ungart, hat bei seinem Abschied von der aktiven Tätigkeit einen ziemlich bissigen Ausspruch Prinz Bernhards der Niederlande zitiert, daß die Werbung die Leute zum Ankauf von Dingen verleite, die sie nicht brauchen, um Geld, das sie nicht haben. Das Bonmot scheint Staribacher ebenso zu rechtfertigen wie die amerikanischen Zukunftsforscher. Tatsächlich geht das große Unbehagen an der Werbung von der Tatsache aus, daß sie zu wenig informiert. Das „Bläh, Bläh“ überwiegt, der Gag gilt den „Kreativen“ mehr als das Produkt und das Publikum. „Normale Werbung“ ist diesen jungen Leuten suspekt. Sie verwechseln, wie ein hochangesehener Schweizer Werbefachmann, Adolf Wirz in Zürich, einmal sagte, die Werbung mit dem Showbusineß. Sie kreieren Werbung zu ihrem eigenen Amüsement und zu dem ihrer Kollegen. Ein Blick in die Fachzeitschriften der Werbewirtschaft — in allen Ländern — beweist diesen Jahrmarkt der

Eitelkeiten: Man nimmt sich selbst viel zu ernst, legt sich eine — dem Außenstehenden unverständliche — „Fachsprache“ bei, die oft schon die Grenzen des Lächerlichen überschreitet und streut sich gegenseitig Weihrauch Und macht gute Geschäfte dabei! Aber wie lange noch?

Die Kritik an diesen Zuständen kommt immer mehr aus den Kreisen der Werbewirtschaft selbst. Dafür nur zwei Beispiele: Fairfax Cone, der Nestor der amerikanischen Werbeberater, meint, daß die Leute, die diese Reklame produzieren, sie sicherlich bewundernswert und spaßig fänden, in Wahrheit sei dieses Getue lächerlich. Und einer, der es wirklich wissen muß, da er kreativer Direktor einer großen Agentur ist, John Straiton, stellt in einem Artikel in einer amerikanischen Fachzeitschrift fest, daß wir gegenwärtig Zeugen einer Explosion der Eitelkeit und Klügeleien in der Werbung seien. Scheinbar hätten alle Werbegestalter das Bedürfnis, sich gegenüber allen anderen aufzuspielen. So dominierte das Bizarre. Man halte den Verbraucher für seinesgleichen und umwerbe ihn nicht, wie er sei, sondern wie er als Konsument der „neuen Werbung“ sein solle. Damit aber verliert die Werbung ihren Sinn. Darauf aber kommen schön langsam auch die Auftraggeber. Auch dafür ein Beispiel: der Präsident von General Motors kritisierte vor amerikanischen Werbefachleuten die Autowerbung: „Sie übersieht. geflissentlich, wer und was der Auto-käufer ist. Sie versucht zu sehr, sich klug aufzuspielen und erreicht den Käufer nicht mehr.“ Ist es wirklich so, daß man diese viel kritisierte Werbeartistik braucht, damit eine werbliche Botschaft durchdringen kann? Ist der Bote wirklich so wichtig, wenn nicht gar wichtiger als die Botschaft? Es wird gut sein, wenn man sich wieder auf die eigentliche Funktion der Werbung besinnt, die nie und nimmer Selbstzweck sein kann, wie es heute oft den Anschein hat. Vielleicht ist die Werbewirtschaft als eigenständiger Wirtschaftszweig überhaupt ein Irrweg? Es müßte eigentlich wie ein Fanal wirken, wenn sich kürzlich der Werbeleiter einer Handelskette darüber beklagte, daß die Agenturen oft Schwierigkeiten hätten, die Marketingkonzeption eines Unternehmens zu erfassen. Was soll die Werbung also tun? Informieren! Sie soll harte, nackte Tatsachen vorlegen und sich auf relevante Botschaften beschränken. Wer etwas zu sagen hat, meint Wirz, soll es lebendig sagen, ohne überflüssige Narretei und überspannte Artistik.

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