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Ist Afrika nur mehr ein das man guten Gewissens

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Afrika fehlen die sozialen Tugenden ftir den wirtschaftlichen Fortschritt, hieß es kürzlich in der FURCHE (Nr. 34/94). Der Autor des folgenden Beitrages bringt eine differenzierte Darstellung des Themas.

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Afrika fehlen die sozialen Tugenden ftir den wirtschaftlichen Fortschritt, hieß es kürzlich in der FURCHE (Nr. 34/94). Der Autor des folgenden Beitrages bringt eine differenzierte Darstellung des Themas.

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Die Beiträge von Fridolin Koch zur Debatte um Entwicklungshilfe und Zusammenarbeitspolitik waren bisher wegen ihrer Konzentration auf den bevölkerungspolitischen Aspekt und ihrer gehämmerten Argumentation für geburtenregulierende Maßnahmen aufgefallen. Nunmehr mißt er (synchron mit der UN-Bevölkerungskon- ferenz in Kairo und leider auch kurz nach und wahrscheinlich auch kurz vor neuen afrikanischen Schreckensnachrichten) die Afrikaner, ihre traditionellen und neuen Eliten, ihre Politiker, Unternehmen und Kauffahrerinnen, mit den von Max Weber im Schwäbischen Land und im Protestantismus idealtypisch erkannten Maßstäben für die kapitalistische Wirtschaftsentwicklung. „Fehlen Afrika die sozialen Tugenden für den wirtschaftlichen Fortschritt?“ - Furche 34/1994 vom 25. August 1994.

Dabei kommt natürlich kein Ansatz für irgendetwas Positives heraus. Der Vergleich mit den fernöstlichen, auf den Weltmarkt drängenden Ländern, stellt den Afrikanern das denkbar schlechteste Zeugnis aus. Denn die komplette Frage, die Fridolin Koch stellt, ist: Fehlen in Afrika die sozialen Tugenden für die Entwicklung des Kapitalismus?

Auch diese Frage ist interessant. Gerade in einer Zeit, in welcher dieser Kapitalismus sich über die abgestorbenen sozialistischen Wirtschaftssysteme verbreitet und anscheinend ohne Alternative, nur mit den eigenen Herausforderungen konfrontiert, weltweit triumphiert. Aber gerade deshalb finde ich es, gelinde gesagt, zu simpel, die Voraussetzungen für den Kapitalismus auf einen Katalog von rein konservativen Tugendfächern zu verkürzen: die gibt es nicht nur in der protestantischen Ethik, nicht nur im Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus, nicht nur im Schwabenland oder in Japan, sondern überall auf Gottes Erdboden, wo es sie vor und eventuell nach dem Kapitalismus auch noch geben wird, übrigens auch in Afrika.

Zum wertvoll sperrigen Wesen des Kapitalismus gehören nicht nur Erwerbstätigkeit im Familienverband, Sparen, Investieren, ein Wirtschaftsklima von Treu und Glauben, Genügsamkeit und Achtung vor Gelehrsamkeit, dazu gehört immer

Risikobereitschaft und Zivilcourage. Es hätte kaum Kapitalismus und kapitalistische Entwicklung und Innovation gegeben, wäre nicht auch Toleranz der Mehrheit für die Querdenker in der Technik, bei den Geistesideen und in den Organisationen gegeben gewesen.

Schwarzafrika hat sich bisher dem Eindringen des Kapitalismus verschlossen, genauso wie die sowjetisch-sozialistischen Gesellschaftsund Wirtschaftsmodelle hier gescheitert sind. Der Wegfall der globalen Ost-West-Spannung hat keineswegs die von einigen Kommentatoren erhofften Veränderungen in Theorie oder bei der Praxis der Zusammenarbeit mit Afrika gebracht.

Seit Jahren verstärkt sich der negative Trend in den Kapitaltransfers mit dem Kontinent, immer weniger interessiert man sich für Afrika, nicht nur in den Banken, Handelskammern, Transport- und Kom- munikationsuntemehmen, sondern auch an den europäischen Hochschulen nimmt die Zahl der Studenten, die afrikanische Themen und Probleme bearbeiten wollen, drastisch ab und zwar besonders in jenen Ländern, die bisher aus traditionellen historischen Gründen relativ breite Beziehungen zu ihren ehemaligen Kolonien hatten.

MEHR ALS WELTVERBESSERER

Entwicklungshilfe und Mitarbeit an der mit Recht in Diskussion stehenden Zusammenarbeitspolitik der Staatengemeinschaften, der Staaten, Kirchen und NGOs sollte jedoch nicht pauschal mit Weltverbesserung abgetan werden. Auch Afrika ist Europas Nachbar, noch gibt es ein Reservoir von europäischen Gelehrten, Studenten, Bankern, Ingenieuren, Kaufleuten, Priestern und Helfern, die Afrika besser verstehen als ihre amerikanischen oder asiatischen Kollegen.

Aber sie sind unter Druck, verlieren an Terrain, Einfluß und Hoff

nung. Aus Europa, auch aus Österreich, kommen seit Jahren nur mehr Hochpreisangebote.

Im Vordringen sind hier die Inder, Pakistanis, Araber, Libanesen und in einigen Sparten sogar die Chinesen. Ihre Unternehmungen sind nicht vom Geiste des Kapitalismus getragen, aber sie können sich erfolgreich anpassen, sie beherrschen die afrikanische Zeit.

In Ruanda und Zaire funktioniert derzeit zum Beispiel schon wieder die pakistanische „Sulfo“ Waschmittel- und Seifenfabrikation, in Liberia die libanesische BIAO Bank, in Lagos die Aufzüge im Hochhausquartier des indischen-afrikanischen Multis Chellarams oder die Arzneimittelfabrik eines Jordaniers.

Könnten hier fortschrittliche Entwicklungen, wirtschaftliches Wachstum ansetzen? Für die Afrikaner wohl eher auch nicht. Die können lachen, wenn sie im Regen stehend, von einem vorüberfahrenden Auto angespritzt werden.

Der nigerianische Pianist Louis Mbanefo erzählte uns vor kurzem bei einer Diskussion um die wirtschaftliche Krisensituation die folgende Anekdote: Während seines Urlaubs im Süden kommt ein reicher Geschäftsmann mit einem alten lokalen Fischer ins Gespräch, den er beim Müßiggang beobachtet hat. Der Reiche versucht zu ergründen, warum der Alte, statt im Schatten zu ruhen, nicht mehr arbeitet, spart, investiert und delegiert, um sich zusätzliche Boote kaufen und mehr Fische fangen zu können. Um das anhaltende Unverständnis des Fischers zu überwinden, erzählt er ihm, wie er selbst als kleiner Laufbursche begonnen, hart gearbeitet und gekämpft habe und sich jetzt als Firmenchef herrliche Urlaube, wie eben diesen hier am Meer, leisten könne.

Im „Besoin d’Afrique“ von E. Or- senna, erschienen 1992/93 in Paris, wird eine in dem Weltbankmagazin „Finance and Development“ im De-

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