7113181-1996_05_18.jpg
Digital In Arbeit

Junge Computerfreahs wissen besser Bescheid

Werbung
Werbung
Werbung

Bei Eltern und Pädagogen löst das Thema „Computerspiel' meistens Stirnrunzeln oder sichtbares Unbehagen aus. Ihre Skepsis oder Ablehnung steht in auffallendem Gegensatz zur Begeisterung und Faszination von Kindern und Jugendlichen, was ja umso erstaunlicher ist, als Erwachsene heute oft mit den Jugendlichen geradezu wetteifern, um nicht für altmodisch und nichtjugendlich zu gelten.

Auch die veröffentlichte Meinung, seien es Medien oder pädagogische und psychologische Literatur, tendieren zur negativen Stigmatisierung. Sie beziehen sich vorwiegend auf rechtsradikale Computerspiele, verweisen auf die Gefahr von Aggressionsverstärkung, der sozialen Isolierung, des Kreativitätsverlustes und auf die Suchtgefahr. Und es sind gerade pädagogisch stark engagierte Menschen, die die Beschäftigung mit Computern häufig überhaupt ablehnen.

Zweifellos sind rechtsradikale Computerspiele abzulehnen, dürfen die angesprochenen Gefahren nicht bagatellisiert werden. Doch genau besehen, stellt sich die Frage von Ursache und Wirkung, ergeben wissenschaftliche Untersuchungen eine differenziertere Sicht.

Im Bahmen einer Veranstaltung „Computer-Spiel-Literatur" des Instituts für Jugendliteratur und Leseforschung präsentierte der Klagenfurter Entwicklungspsychologe Erich Löschenkohl ein Forschungsprojekt, das unter dem Titel „Faszination Computerspiel. Eine psychologische Bewertung" von Erich Löschenkohl und Michaela Beyer im Dezember 1995 im Bundesverlag als Buch erschienen ist.

Die langjährige Untersuchung und die dabei durchgeführten Workshops mit Eltern und Pädagogen machen zumindest eine Belativierung bisheriger Positionen notwendig.

Nicht nur, daß es keineswegs nur rechtsradikale und gewalttätige Computerspiele gibt, sondern eine große Zahl von Malprogrammen und Lernspielen für Kinder im Vorschulalter, Graphik- und Animationsprogrammen, kognitiven Konzentrationslei-stungs-, Umweltschutz- Abenteuer-und kooperativen Spielen, die von Kindern und Jugendlichen zu Recht mit Begeisterung aufgenommen werden. Es gibt auch „Interactive Stories", bei denen Geschichten erst entwickelt werden müssen, und „Living Books", deren Inhalt selbst entdeckt werden muß, die die Kreativität anregen.

Vor allem machte das Forschungsprojekt deutlich, daß es nicht die Computerspiele sind, die Kinder und Jugendliche aggressiv, süchtig und kontaktscheu machen. In den allermeisten Fällen sind es Familienprobleme, eine bereits bestehende Aggressivität und Isolation, die dazu führen, daß Kinder und Jugendliche aggressive Spiele bevorzugen und sich ausschließlich mit Computern beschäftigen.

Eine Hamburger Freizeit-Untersuchung widerlegt ebenfalls das Vorurteil von den einsamen, kontaktscheuen Computerfreaks: diese sind eher jung, aktiv und viel unterwegs. Und noch eines: im Alter von vier Jahren zeigten sich noch keine Unterschiede zwischen Mädchen und Buben im Umgang mit Computer spielen!

Von den Eltern und Pädagogen im Alter von 20 bis 64 Jahren, die an den Workshops im Rahmen des Klagenfurter Forschungsprojektes teilge nommen haben, lagen Ergebnisse von 43 Frauen und zehn Männern vor; 27 hatten ihre emotionale Ein Stellung, 16 ihre pädagogische Ein Stellung positiv verändert; nur drei äußerten sich negativ, sieben neutral:!

„Durch die praktische Spielerprobung konnten wir erst realisieren, wie viel Spaß und Faszination hinter vielen kooperativen Spielen steckt!"

„Das Spielen am Computer erfordert von den Eltern sehr viel Verständnis, denn nicht selten kommt es dazu, daß die Kinder besser Bescheid wissen, was das Neueste am Computermarkt ist. So ist es nicht selten der Fall, daß Eltern das Computerspiel aus Unwissenheit ablehnen ..."

„Ausschlaggebend war schließlich das gemeinsame Spiel mit meinem neunjährigen Sohn. Er war sehr glücklich, als seine Mutter, die Computergegnerin, sich mit ihm vor den Bildschirm setzte ...

Zu meinem Erstaunen mußte ich feststellen, daß mir mein Sohn in mancher Hinsicht überlegen war. Er entwickelte eine enorme Konzentration und Ausdauer. Ich konnte sehen, daß er viel unbefangener mit dem Computer umging als wir, und durch das viele Probieren kam er auch meistens schneller zur Lösung."

Die Autorin ist

freie Journalistin.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung