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Junglehrer gesucht

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Wenn viele Eltern in Österreich in Bildungsfragen zur Devise „Mehr privat, weniger Staat" neigen, geht es nicht nur darum, den vielen Ausländerkindern in manchen öffentlichen Schulen auszuweichen, ein schwieriges Kind anzubringen oder eine ganztägige Betreuung in Anspruch zu nehmen. Denn Privatschulen waren schon vor der „Ausländerwelle" gut besucht, und sie sind nach wie vor beliebt, obwohl auch immer mehr öffentliche Schulen ganztägige Betreuung anbieten. Hörte man aber jüngst auf einer Enquete zum Thema „Alternative Schulen", daß an solchen Schulen der Anteil von Schülern mit alleinerziehender Mutter bis zu 40 Prozent betrage, so sagt das auch einiges aus.

In Wien könne von einer „Flucht" in Privatschulen keine Bede sein, betonte der Wiener Stadtschulratspräsi-dent Kurt Scholz bei dieser Enquete. Die Privatschulen seien für das öffentliche Schulwesen - wie Kabel-und Satellitenstationen für den OBF -gut: „Ich bin froh über diese Konkurrenz." Das Stagnieren der Zahl der Privatschüler in Wien begründet Scholz damit, daß Privatschulen Schulgeld verlangen müssen, die Summen seien allerdings im internationalen Vergleich meist bescheiden.

Weder die konfessionellen noch die anderen privaten Schulen wollen Bildungsstätten einer finanziellen Elite

Eine Schullaufbahn,

die meist langsamer zur Hochschulreife führt, bieten Privatschulen mit eigenen pädagogischen Ansätzen und Lehrplänen an.

sein, sie nehmen auch zunehmend ausländische und behinderte Kinder auf. Da der Staat bisher nur konfessionellen Schulen das Lehrpersonal zu 100 Prozent bezahlt, tritt Kurt Scholz dafür ein, daß das Privatschulwesen bundesweit gründlich diskutiert wird: „Das ist aber keine Spitze gegen den Minoritenplatz, sondern nur ein liebevolles Kitzeln der Erinnerung."

In den meisten Fällen macht wohl die weltanschauliche Komponente und das Bemühen um ganzheitliche Erziehung Privatschulen für Eltern besonders attraktiv. An Alternativschulen werden zudem die Lehrer deutlich geringer entlohnt, sind also meist besonders engagierte Idealisten. Nicht alle diese Lehrer haben zwar das vom Staat vorgeschriebene Lehramtsstudium, manche aber sowohl dieses als auch eine vom betreffenden Schulerhalter geforderte Ausbildung (etwa in Waldorf- oder Mon-tessoripädagogik, siehe Seite 16 und 17) absolviert.

Den vielen arbeitslosen Junglehrern machte Karl Bössel-Majdan, Prä-

sident des Kuratoriums für künstlerische und heilende Pädagogik, das Schulen auf der Basis der Waldorfpädagogik betreibt (ein Oberstufenrealgymnasium in Wien-Hietzing erlebte am 30. April die Gleichenfeier) auf der Enquete Hoffnung: „Wir suchen Junglehrer!" Die Verpflichtung zu einer Zusatzausbildung und die Bezahlung schrecke nämlich viele ab.

Die Förderung künstlerischer Begabungen, der sozialen Entwicklung hob Elisabeth Gergely als Markenzeichen der Österreichischen Vereinigung freier Bildungsstätten auf an-throposophischer Grundlage, die an Budolf Steiner orientierte Schulen führt, hervor. Auf die besondere Berücksichtigung der Individualität des Kindes in der Montessori-Pädago-gik, die in Wien schon vor Jahrzehnten eine Blüte erlebt hatte, wies Saskia Haspel vom Wiener Montessori-Zen-trum hin. Auch das „Netzwerk - Bun-desdachverband für selbstbestimmtes Lernen", das derzeit 25 Schulinitiativen in Österreich umfaßt, war auf der Enquete vertreten. Daß viele gute pädagogische Ansätze aus diesen Alternativschulen schon in öffentliche Schulen Eingang gefunden haben, ist bekannt, für die „reine" Lehre, und das während der ganzen Schulzeit, bürgt aber wohl nur die Alternativschule. Dieser ganzheitliche Anspruch ist, obwohl die Zeugnisse, vor allem Beifezeugnisse, noch nicht allgemein Anerkennung finden, sicher ein Hauptgeheimnis ihres Erfolges.

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