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Kann der Staat Pakte erfüllen?

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Die Republik riskiert durch die Spar-Dotierung des Unterrichtsressorts Millionenklagen. Alte Verpflichtungen können nicht mehr eingehalten werden.

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Die Republik riskiert durch die Spar-Dotierung des Unterrichtsressorts Millionenklagen. Alte Verpflichtungen können nicht mehr eingehalten werden.

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DieFurche: Was werten Sie als Erfolge ihrer bisherigen kurzen Amtszeit? Elisabeth Gehrer: Neben den zwei Gesetzen, die durchgebracht worden sind - das Schulzeitgesetz und das Gesetz für Englisch in Berufsschulen -war es möglich, die Autonomie zu stärken. Wir haben eine Schulveran-staltungsverordnung gemacht, in welcher die Schulpartnerschaft mehr Entscheidungsmöglichkeiten hat.

DieFurche: Wie sieht für Sie die ideale Schule aus?

Gehrer: Die ideale Schule ist für mich eine Schule, in der die Lehrer ihren Beruf als Berufung empfinden, in die die Schüler gern gehen und auf die sich die Eltern verlassen können. Wenn sie die Aufgabe erfüllen will, die Jugendlichen auf die Zukunft vorzubereiten, dann muß auch die Schule sich immer wieder ändern, zum Beispiel von nur enzyklopädischem Wissen zu exemplarischem Lernen. Es müssen in der Schule neue Schlüs-selcjhalifikationen vermittelt werden. In einem Spruch sagt ein Schüler seinem Lehrer: „Ich vergesse, was du mir gesagt hast, ich erinnere mich an das, was du mir gezeigt hast, und ich weiß das, was du mich hast tun lassen.” Es geht um mehr selber Projekte machen, weil man den Gesamtumfang des Wissens einfach nimmer in die Köpfe hineinstopfen kann.

DieFurche: Wie weit sind Ihre Reformpläne bezüglich Kernstoff und Erweiterungsstoff gediehen? gehrer: Es liegt bereits die Lehrplanarchitektur da, die Einteilung in die Kernbereiche und Erweiterungsbereiche, die Grundlagen, die neuen Schlüsselqualifikationen. Die neuen Schlüsselqualifikationen heißen neben Fachwissen und Fachkompetenz: Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz.

Methodenkompetenz ist Teamfähigkeit, Konfliktlösungfähigkeit, Projektmanagement. Sozialkompetenz muß jeder verstärkt mitkriegen. Wir müssen weg vom Gruppenegoismus zu mehr Solidarität. Wir müssen vom Verteilungsdenken zu einem echten Leistungsdenken. Und Selbstkompetenz heißt, in der Schule muß die Grundlage zur Freude am lebens-begleitenden Lernen gelegt werden.

Ich hoffe, daß wir das im Schuljahr 1997/98 einmal aufsteigend für die ersten Klassen Hauptschule und Gymnasium umsetzen können. Die Kernbereiche werden für 25 Schulwochen definiert sein, die restlichen Schulwochen sind dann für Erweiterungsbereiche vorgesehen.

DieFurche: Ist der Streit über die Schule der 10- bis 14jährigen vorbei? gehrer: Die Frage der gemeinsamen Mittelstufe stellt sich derzeit nicht. Ich bin der Überzeugung, daß man auch nach der Hauptschule jede Möglichkeit zu weiterführender Bildung hat. Das zeigt sich daran, daß derzeit 80 Prozent der Maturanten jährlich über die Hauptschule zur Matura kommen. Es zeigt sich auch, daß durch die verstärkte Möglichkeit der Profilbildung, zum Beispiel Hauptschule mit technischem, mit musischem, mit wirtschaftlichem Schwerpunkt, die Anziehungskraft der Hauptschule zunimmt. Unser differenziertes Schulsystem ist gut, ich sehe keinen Grund, da etwas zu ändern.

DieFurche: Was halten Sie davon, Ethik statt Religion zu unterrichten und Kreuze aus den Klassen zu entfernen' gehrer: Solange ich Unterrichtsministerin bin, wird weder der Religionsunterricht ausgesetzt noch werden die Kreuze aus den Klassen entfernt. Ich meine, daß der junge Mensch heutzutage mehr denn je eine Werteerziehung braucht, und eine Werteerziehung geschieht in einer Religionserziehung. Wir sind immerhin noch das christliche Abendland, und die christliche Religion ist immerhin noch unsere vorherrschende Religion, unsere Identität und unsere Kultur. Ich halte überhaupt nichts davon, Kinder so total liberal und wertneutral aufwachsen zu lassen, um später einmal zu sagen, jetzt entscheidet euch für was. Denn dann entscheiden sie sich für nichts, weil sie nichts kennen.

Was man sich überlegen kann, ist, ob jemand, der keinen Religionsunterricht hat, nicht als Ersatz dafür einen sogenannten Ethikunterricht bekommt, damit nicht die Abmeldung vom Religionsunterricht nur aus dem Grund geschieht, daß man eine Stunde frei hat. Das geschieht auch, gerade in höheren Klassen.

DieFurche: Was halten Sie von Alternativschulen ä la Montessori, die derzeit aufblühen?

Gehrer: Ich halte die Alternativschulen für eine Bereicherung im Schulangebot. Ich meine, daß gewisse Bereiche aus der Montessori-Pädagogik unbedingt ins Schulwesen hineingetragen gehörten, wir werden auch Elemente durch Lehrerbildung, durch Diskussion, auch durch eine Enquete ins normale Schulwesen hineinbringen. Ich meine nur, wenn man so was Besonderes will: seine Kinder in einer Waldorf-Schule, in einer Montessori-Schule haben, müssen die Eltern finanziell etwas beitragen, weil das von der öffentlichen Hand nicht total finanziert werden kann.

DieFurche: Wie steht es um Ihre finanziellen Mittel in Sparpaket- Zeiten? gehrer: Wir haben im Schuljahr 1995/96 eine Einsparung von 1,9 Milliarden Schilling, und zwar hauptsächlich durch Dienstpostenreduktionen, obwohl wir einen Schülerzuwachs von zirka 9.000 Schülerinnen und Schülern haben werden. Die Lehrer werden da Enormes leisten. Wir erfüllen unser Sparpaket für 1996. Was weiter noch möglich ist, das werde ich nach der bewährten Methode der offenen Planung mit den Betroffenen diskutieren.

Wenn man die Budgetfrage anspricht, muß man auch sehen, daß ein Budget sich an den gesetzlichen Erfordernissen orientieren muß. Und da ist mein Problem im Budget, daß für Dienstposten um 400 Millionen Schilling zu wenig ins Budget genommen wurde. Da kann ich reden so viel ich will, über Ersparen und Einsparen und Hinsparen und Hersparen, die Leute sind da und müssen gezahlt werden. Und genauso ist meine ganz große Sorge der Schulbaubereich. Da wurde im Budget von 800 Millionen Schilling auf290 Millionen gekürzt. Wir können die vertraglichen Verpflichtungen im Schulbaubereich nicht mehr erfüllen. Da muß ich wirklich an die Vernunft auch im Finanzministerium appellieren, denn wenn ich nicht zahle, wozu ich vertraglich als Republik verpflichtet bin, werde ich geklagt, und dann kostet mich das Millionen mehr.

DieFurche: Wie steht es im Kulturbereich mit Einsparungen? Gehrer: Im Museumsbereich ist es so, daß wir die zwei oder drei Museumsmilliarden gut ausgenützt haben. Aber die Renovierung der Albertina ist natürlich ein Problem. Die müssen wir jetzt schrittweise angehen. Wenn wir schon Besitzer der weltgrößten Graphiksammlung sind, dann haben wir auch eine Verpflichtung, diese weltgrößte Graphiksammlung in anständigem Rahmen zu zeigen. Weiters ist es so, daß wir heuer bei den Museen ganz starke Einschnitte gemacht haben, um die gesetzliche Verpflichtung zu erfüllen, für die Sammlung Leopold die jährliche Ratenzahlung aufzubringen. Ich versteh' das nicht, wenn die Republik eine Verpflichtung eingeht, 75 Millionen Schilling im Jahr zu zahlen, das ist ja mit der Stiftung Leopold so vereinbart, dann muß ich das auch ins Budget nehmen. Da kann ich doch nicht sagen, nehmt das irgendwoher, von den Museen oder irgendwoher.

Man hat auch den Denkmalschutz halbiert. Von 200 Millionen auf 100. Ich glaube nicht, daß wir es uns im Millenniumsjahr leisten können, unsere Kulturdenkmäler nicht anständig zu renovieren. Das heißt, ich werde ganz sicher den Antrag stellen, daß imBudget wieder der normale Betrag hineinkommt. Ich meine, daß Museen, Kulturdenkmäler, Baudenkmäler zur Identität und Kultur eines Volkes dazugehören.

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