Karate-Kids im Pausenhof

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Die Zahl der Verhaltensauffälligkeiten an Wiener Schulen stagniert, doch die Brutalität der Übergriffe nimmt zu.

Sie sind überfordert oder gelangweilt, gewalttätig oder depressiv, zittern vor einer Entscheidungsprüfung oder der Matura - und nicht selten vor mobbenden Klassenkollegen: Über 100.000 Schüler, ihre Eltern oder Lehrer erhalten in Österreich Jahr für Jahr Hilfe von Schulpsychologen. Allein 22.000 sind es in der Bundeshauptstadt, weiß Mathilde Zeman, Leiterin der Abteilung Schulpsychologie beim Stadtschulrat Wien. Die mannigfaltigen Probleme in den Klassenzimmern kennt sie selbst aus langjähriger Beratungstätigkeit: "Ein Drittel der Schüler kommt wegen Lernschwierigkeiten zu uns, ein Drittel wegen Problemen bei der Wahl der Schullaufbahn. Der Rest sind Verhaltens- und Erziehungsprobleme, Konzentrationsstörungen, Legasthenie oder persönliche Krisen."

Kampfkunst in der Klasse

Eine Trendänderung verzeichnet die Schulpsychologin vor allem im Bereich der Verhaltensauffälligkeiten in der Schule: Wurde lange Zeit ein steter Zuwachs von Anmeldungen verzeichnet, so stagniere diese Zahl seit fünf Jahren auf hohem Niveau. "Was jedoch zugenommen hat, ist der Schweregrad aggressiver Handlungen", weiß Zeman. "Wenn man noch vor einer Schülergeneration mit dem Raufen aufgehört hat, wenn jemand am Boden lag, so wird heute weiter geschlagen und getreten - teilweise nach Vorbildern der fernöstlichen Kampfkunst." Auch die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die bei Schuleintritt nicht gruppenfähig seien und aggressiv reagierten, würde ansteigen.

Als Ursache für diese Entwicklung ortet Zeman vor allem "eine gewisse Orientierungslosigkeit" in der elterlichen Erziehung: "Kinder und Jugendliche suchen Grenzen und brauchen die Vermittlung von Werten und Normen. Das fehlt immer immer mehr - und wird mehr und mehr von der Schule verlangt." Im großstädtischen Bereich würde sich diese Problem noch weiter verschärfen. Umso eindringlicher appelliert die Expertin, die gezielte Lehrerfortbildung über den Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten auszubauen.

10.000 Schüler, 1 Experte

Im Unterschied zu den Pflichtschulen, wo längst Psychagogen und Beratungslehrer Einzug ins Regelschulwesen genommen hätten, herrsche an den Bundesschulen großer Bedarf an psychologisch geschulten Lehrern. Umso positiver bewertet Zeman den Wiener Schulversuch "Betreuung und Integration verhaltensauffälliger Schüler an AHS". Dabei werden Lehrerinnen und Lehrer an der schulpsychologischen Beratungsstelle in zweijährigen Lehrgängen zu Schülerbetreuern qualifiziert.

Schließlich müsse aber auch die Zahl der Schulpsychologen erhöht werden, fordert Zeman. Derzeit stehen in Wien für knapp 200.000 Schüler 20 Psychologen zur Verfügung. "In diesem Fall kann die Hilfe nicht mehr in dem Ausmaß gegeben werden, wie sie benötigt wird."

Nähere Informationen unter

www.schulpsychologie.at

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