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Kaum jemand schafft sein Studium in der Mindestzeit

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Studenten verlieren Familienbeihilfe wegen Studiendauer". Schlagzeilen wie diese machten Anfang April dieses Jahres die Bunde in den österreichischen Medien. Als Folge des Sparpaketes wurden die Bedingungen für den Bezug der Familienbeihilfe verschärft: Die Mindeststudiendauer darf pro Abschnitt um nur ein Toleranzsemester überschritten werden.

Diese Vorgabe schaffen bei weitem nicht alle - durchschnittlich nämlich nur rund vier Prozent. Keine Absolventen in Mindeststudiendauer weisen laut einer Studie des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst (1995) die Studienrichtungen Architektur und Veterinärmedizin auf. Nur marginal sind die entsprechenden Absolventenzahlen bei Pharmazie (0,5 Prozent), Land-'und Forstwirtschaft (0,6 Prozent), den restlichen Studienrichtungen der Universität für Bodenkultur (0,7 Prozent) und bei den Übersetzern (0,8 Prozent).

„Die Lernleistung der Studierenden, so schreibt der ehemalige Bundesminister Budolf Schölten in der Studie, „wird im universitären Alltag weniger über positive Anreize gesteuert, als über den negativen Anreiz der ständigen Selektionsandrohung. Selbstverständlich kann ein herkömmliches Universitätssystem nicht ohne negative Sanktionen funktionieren - das österreichische ist aber anscheinend allzusehr davon geprägt."

Die VP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) sieht die lange Studiendauer darin begründet, „daß immer wieder neue Inhalte in die Studiengänge gepreßt werden und Überholtes nicht gestrichen wird. Neue Inhalte werden bestenfalls hinzugefügt, die Studienpläne überfrachtet - und die Studiendauer steigt und steigt." In den ursprünglichen kleinen Einzelprüfungen werden immer mehr Details geprüft. Diese Prüfungen wachsen im Lauf der Zeit zu Hürden in einem Umfang heran, der ihnen nicht zusteht.

Einen weiteren Grund für Studienverzögerungen sehen Studierende in den „unmotivierten Schikanen im täglichen Lehrbetrieb". Unflexible Öffnungszeiten von Bibliotheken, Computerräumen, Instituten, Kanzleien und Sekretariaten, belegte Listen nach zwei Minuten Aushang und vieles mehr frustrieren, entmutigen und kosten immens viel Zeit. „Es wäre schließlich nicht notwendig, stundenlang warten zu müssen, um sich für eine Prüfung anmelden zu können", kritisiert ein Student der Technischen Universität Wien.

Den Mangel an Praktikums- und Seminarplätzen, sowie Prüfungsterminen sehen viele als weitere Verzögerungsgründe. Eine Medizinstudentin von einer Horrornacht im Kampf um einen Übungsplatz: „Stundenlanges Warten, von zwölf Uhr in der Nacht bis neun Uhr in der Früh, schlechte Luft, keine Sitzmöglichkeiten, Kreislaufkollaps - und dann bekommt man den Platz gar nicht".

Für die Zukunft fordern die Fraktionen der Österreichischen Hoch-schülerschaft eine Entrümpelung der Studien plane. „Statt veralteten Fakten sollen im Studium Fähigkeiten vermittelt werden", so die AG. „Studieren ist ein sozialer Teufelskreis. Sind die Studienbedingungen schlecht, verdienen die Eltern zu viel für ein Stipendium oder man geht einer Erwerbstätigkeit nach, ist die Verlängerung der Studienzeit kaum noch aufzuhalten. Das heißt noch mehr arbeiten bei gleichzeitigem Verlust der ohnedies geringen staatlichen Unterstützungen.", schrieb das Studentenmagazin Uni Libre im April.

Im derzeit laufenden ÖH-Wahl-kampf setzen sich besonders die Kandidaten der AG, Wolfgang Gattringer und Christof Zellenberg, Spitzenkandidat der JES (Junge Europäische Studenteninitiative) für ein Studium in Mindestzeit ein. Gattringer wirbt mit Slogans wie „Studieren in der Mindeststudiendauer darf nicht länger Utopie sein ". Zellenberg verlangt den „Abbau der überlangen durchschnittlichen Studiendauer durch Modelle der leistungsgebundenen Studienfinanzierung".

In den verantwortlichen Gremien scheint man nicht über die vorherrschenden Probleme Bescheid zu wissen; zumindest äußert man sich sehr zurückhaltend. Universitätsdirektoren und Dekane erklärten gegenüber der furche, „keinen Über- beziehungsweise Einblick über die vielen Studienrichtungen" zu haben. Ein Studienabteilungsleiter gab immerhin zu, die Problematik zu kennen -„aber nur aus den Medien".

Wie und wann Bedingungen geschaffen werden, die ein Studium für die Mehrheit in Mindeststudiendauer ermöglichen, steht also in den Sternen. Denn dazu müßte sich erst das Interesse der verantwortlichen Personen regen.

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