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Digital In Arbeit

Kein Lächeln mehr am Morgen

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Die Einsamkeit zu Hause und die fehlenden Gesprächsmöglichkeiten mit Kollegen machen manchen Telearbeiterinnen mehr zu schaffen als sie dachten.

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Die Einsamkeit zu Hause und die fehlenden Gesprächsmöglichkeiten mit Kollegen machen manchen Telearbeiterinnen mehr zu schaffen als sie dachten.

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Die Vorteile von Telear-beit sind, besonders für den Auftraggeber, offenkundig: Der daheim arbeitende Mensch ist stets erreichbar, er ist mit Hilfe der On-line-Verbindung mit seinem Betrieb in Dauerkontakt. Die Büroflächen und deren Ausstattung werden verringert und somit teure Quadratmeter eingespart, die Arbeitszeit wird an die betrieblichen Erfordernisse angepaßt, betriebliche Sozialleistungen wie Fahrtkostenzuschuß oder Betriebskantinen sind ebenfalls überflüssig.

Die Nachteile eines Arbeitsplatzes in den eigenen vier Wänden sind jedoch nachweisbar und unumstritten:

■ Aus dem „Kollegen” im Betrieb, den man begrüßt, mit dem man ein paar Worte wechselt und Neuigkeiten austauscht, wird ein Einzelgänger, der lediglich mit seinem PC kommuniziert. Statt der Mitarbeiter gibt es für ihn/sie: PC, Maus, Drucker und Modem.

■ Die erwartete „Unabhängigkeit” wandelt sich in der Praxis leider häufig in eine erhöhte Abhängigkeit von der Firma, der der Mitarbeiter nun „rund um die Uhr” zur Verfügung steht. Wenn es um Sonderarbeiten und Aufträge geht, wird zuallererst der Heimarbeiter bedacht, seine/ihre Stunden sind ja endlos dehnbar, man kann notfalls ja auch in der Nacht weiterarbeiten.

■ Überstunden sind nicht kontrollierbar - die Freizeit verfließt mit der realen Arbeitszeit.

■ Ein Teil der Wohnung gilt für den Telearbeiter als Büro, steht also den Wohnbedürfnissen der Familie nun nicht mehr zur Verfügung. Die Miete zahlt der Telearbeiter aber unvermindert weiter

Viele Betriebsräte warnen nicht umsonst davor, daß Tele-Heimarbeit heute sozialrechtlich noch gänzlich ungeschützt ist und daß die berufliche Identität verlorengeht. Der Gefahr der Selbstausbeutung sind Tür und Tor geöffnet. ■

Ein zusätzliches Problem ergibt sich neben der noch gänzlich ungeschützten Arbeitsform der Telearbeit in psychologischer Hinsicht: Sie kann in die soziale Isolation führen.

Roswitha K., seit einem Jahr für ihre Firma zu Hause tätig: „Ich habe mir das anders vorgestellt. Wegen der Anfahrtszeit nach Wien bin ich zu Hause in Niederösterreich geblieben.

Ich habe mir davon eine Verbesserung meiner Lebensqualität erhofft. Das Gegenteil ist eingetreten: Ich stelle fest, daß ich zwar jetzt keine Anfahrtszeit, parallel dazu aber auch absolut keine Kommunikation mehr habe. Kommunikation war aber für mich immer sehr wichtig. Seit ich zu Hause arbeite, fühle mich isoliert und vereinsamt.

Dazu kommt, daß ich für meine Firma auch oft nachts Daten eingeben muß, das heißt Zeiten nützen soll, in denen das Netz nicht so ausgelastet ist. Das stört natürlich auch meine Familie. Ich habe zwei Schulkinder, die am frühen Nachmittag heimkommen, und einen Mann, der erst spät abends von der Arbeit kommt. Der PC ersetzt mir meine Kolleginnen von meinem früheren Arbeitsplatz keinesfalls, auch wenn es täglich am Bildschirm ,Guten Morgen' in Großbuchstaben für mich heißt.

Natürlich erspare ich mir neben den Fahrtkosten auch eine Menge Garderobe und den regelmäßigen Besuch beim Friseur, seit ich zu Hause arbeite. Denn wen interessiert es schließlich heute, wie ich aussehe? Den Computer sicher nicht.

Das Achten auf mein Äußeres hat mir aber gut getan, ich habe mich als Person ernst genommen und erhielt auch Anerkennung von anderen. Das fehlt mir heute. Das Geld, das ich jetzt erspare, werde ich demnächst vielleicht zum Psychotherapeuten tragen müssen.”

Besonders für Frauen kann Telearbeit den Verlust der mitmenschlichen Kommunikation bedeuten. Sie kehren mit Telearbeit vielleicht nicht „zurück an den Herd” - mit Sicherheit aber zurück in eine neue Form der Isolation.

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