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Religiöse Bildung im umfassenden Sinn betonen in Österreich nicht nur die katholischen, sondern auch andere Privatschulen.

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Religiöse Bildung im umfassenden Sinn betonen in Österreich nicht nur die katholischen, sondern auch andere Privatschulen.

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Die evangelische Superintenden- tur von Wien und der Elternverein „Freunde zur Errichtung eines evangelischen Gymnasiums“ planen aufgrund der großen Nachfrage die Errichtung eines Privatgymnasiums. - Anlaß für eine Bestandsaufnahme der wenigen nichtkatholischen konfessionellen Privatschulen Österreichs.

Über 900 Schüler besuchen eine evangelische Privatschule in Wien, aufgeteilt auf drei Volksschulen und eine Hauptschule. Darüber hinaus gibt es heuer erstmals eine Expositur im zweiten Bezirk mit einer Vorschule und einer ersten Klasse. Außerdem wird eine Integrationsklasse für Behinderte geführt. „Wir mußten jährlich etwa 100 Schüler abweisen”, erklärt der Superintendent die Expansion. Etwa drei Viertel der Schüler sind evangelisch. Der Rest ist katholisch — vielfach handelt es sich um Kinder aus Mischehen. Dazu kommt eine Handvoll Konfessionsloser, deren Eltern sich aber zum Religionsunterricht der Kinder verpflichten müssen. „Viele Eltern wünschen, daß ihre Kinder Religionsunterricht erhalten“, erklärt der Superintendent das Phänomen.

Die Religionsstunden sind nach Konfessionen geteilt und finden parallel statt. Die evangelischen Stunden besorgt dabei der Klassenlehrer selbst. „Religion soll nichts Aufgepfropftes sein“, meint Horn. Daher ist die Befähigung zum Religionsunterricht eine Voraussetzung für die evangelischen Pädagogen an den Privatschulen. Der Superintendent will diese Einrichtungen nicht als Eliteschulen betrachtet wissen. Vielmehr scheinen die Vermittlung christlicher Werte und das hohe Niveau der Schulen die Eltern zu überzeugen.

Außerhalb Wiens befinden sich nur zwei Schulen in evangelischer Hand: eine Volksschule in Salzbtfrg und das Schulzentrum im burgenländischen Oberschützen, das neben Real- und Oberstufenrealgymnasium beiden gemeinsam ist der Schwerpunkt Musikerziehung - ein Oberstufenrealgymnasium für Studierende der Musik umfaßt. Die Schüler dieses Zweiges studieren parallel dazu an der Expositur der Musikhochschule Graz in Oberschützen.

Die drei Typen gemeinsam werden von etwa 370 Schülern besucht, etwa 60 Prozent davon sind katholisch, der Rest evangelisch. Die Ausnahme bilden zwei Schüler islamischen Glaubens, die ihren Religionsunterricht am Nachmittag erhalten, gemeinsam mit Glaubensgenossen aus anderen Schulen. Soweit reicht also die Toleranz, der Schüler muß sich nur zu einer in Österreich offiziell anerkannten Konfession bekennen.

Abseits von katholischen und evangelischen Anstalten gibt es noch sechs israelitische Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht - alle in Wien: drei Volksschulen, zwei Hauptschulen und ein Gymnasium. ? Im zweiten Wiener Gemeindebezirk, bekannt durch seine jüdische Tradition, besuchen insgesamt 140 Knaben und Mädchen die Talmud- Thora-Schule, die Volks- und Hauptschule umfaßt. Die Schule genießt das Öffentlichkeitsrecht. Ein Pädagoge, der sich an dieser Schule bewirbt, muß sich natürlich orthodoxjüdischen Grundsätzen beugen, etwa hinsichtlich der Kleidervorschriften: Arme und Beine sind bedeckt zu halten, bei Frauen und Männern gleichermaßen, Schulbücher und Unterrichtsthemen sind einer Religionszensur unterworfen. Die orthodox-religiösen Traditionen bestimmen den Biologieunterricht, das Thema Sexualität beispielsweise wird ausgeklammert.

Knaben und Mädchen werden getrennt unterrichtet, obwohl die Gesamtzahl der Schüler sehr gering ist. „Die momentan größte Klasse hat 14 Schüler“, erzählt Josef Klein, Schulleiter der religiösen Abteilung. Es gibt acht Schulstufen, je eine Klasse für Knaben und Mädchen, bei nur 140 Schülern. Hohe Schulgebühren müssen für den Ausgleich zwischen staatlicher Bezahlung und realen Kosten sorgen. Bis zu 4.500 Schilling pro Kind und Monat kann das kosten. Dabei gilt: je mehr Kinder eine Familie hat, je weniger bemittelt sie ist, umso weniger zahlt sie.

Dürfen Volksschullehrerinnen auch Knaben unterrichten, so gilt strenge Trennung in der Hauptschule: Männer betreuen Buben, Frauen Mädchen. Nach der achten Schulstufe besuchen die Knaben eine Art religiöse Fachschule, die „Jeschida“, die Mädchen eine Büroschule.

Die meisten Kinder sind österreichischer Nationalität, doch auch Briten, Kanadier, Israelis oder Amerikaner befinden sich unter ihnen. Bei der Aufnahme der Schüler ist das Kriterium Orthodoxie.

Weniger streng präsentiert sich der Schulverein Beth Chabad, der gut 100 Schüler in Hauptschule und zwei Klassen Volksschule - allerdings nur eine mit Öffentlichkeitsrecht — betreut. Die deutsche Sprache steht im Kontrast zu der nationalen Vielfalt der Schüler: Die Mehrzahl kommt au S Osteuropa, aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Spezialbetreuung, etwa Deutsch als Fremdsprache, erleichtert diesen Migrationskindern den Einstieg in das Schulsystem. „Der Schulverein legt besondersdarauf Wert, jüdische — israelitische — Identität, sowohl auf der Seite der Religion, als auch auf der aktuellen Seite der Lebensführung, auszubilden“, erläutert Schulleiter Hans Pokorny. Folglich unterrichten vier Rabbiner zusätzlich zum Religionsunterricht Hebräisch als zweite lebende Fremdsprache neben Englisch. Die nicht-jüdischen Lehrer, die vom Stadtschulrat zugeteilt werden, müssen natürlich eine gewisse religiöse Toleranz mitbringen.

Weitere 320 bis 350 jüdische Kinder werden in Wien im zweiten Bezirk-in Kindergarten, Volksschule und Gymnasium der Israelitischen Kultusgemeinde Wien — natürlich mit Hebräischunterricht - betreut.

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