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Kein Rückzug mehr!

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„Die neunte Klasse der allgemeinbildenden höheren Schule — das ist wie im Gesetz vorgesehen durchführbar.“ Was Unter-lichtsminister Piffl-Percevic in einem Vortrag schon durchscheinen ließ, liegt nun schwarz auf weiß vor. Seit kurzem haben die Abgeordneten des Nationalrates den Bericht des Ministeriums über die Lage des österreichischen Schulwesens -—speziell im Hinblick auf die umstrittene Frage— in Händen. Er schließt mit der eindeutigen Feststellung: „Die uns gestellten Aufgaben sind zu meistern. Es liegt in der Hand der heutigen Gesellschaft, des Gesetzgebers und der Vollziehung, insbesondere auch der Universitäten, diese Bildungsoffensive erfolgreich zu führen und nicht kleinmütig zum Rückzug zu rufen.“

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„Die neunte Klasse der allgemeinbildenden höheren Schule — das ist wie im Gesetz vorgesehen durchführbar.“ Was Unter-lichtsminister Piffl-Percevic in einem Vortrag schon durchscheinen ließ, liegt nun schwarz auf weiß vor. Seit kurzem haben die Abgeordneten des Nationalrates den Bericht des Ministeriums über die Lage des österreichischen Schulwesens -—speziell im Hinblick auf die umstrittene Frage— in Händen. Er schließt mit der eindeutigen Feststellung: „Die uns gestellten Aufgaben sind zu meistern. Es liegt in der Hand der heutigen Gesellschaft, des Gesetzgebers und der Vollziehung, insbesondere auch der Universitäten, diese Bildungsoffensive erfolgreich zu führen und nicht kleinmütig zum Rückzug zu rufen.“

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Die Durchführbarkeit des 1962 übernommenen Auftrags schien tatsächlich in Frage gestellt — nicht deswegen, weil man, wie die Opposition behauptete, nicht rechtzeitig vorgesorgt hatte, sondern weil eben gerade die Durchführung der Schulgesetze die Schleusen in einem Ausmaß geöffnet hatte, wie es nie vorausgesehen werden konnte.

Seit dem Schuljahr 1962/63 ist die Zahl der allgemeinbildenden höheren Schulen des Bundes von 153 auf 230, also um 35 Prozent, gestiegen, die Zahl ihrer Klassen von 2469 auf 3509, also um 42 Prozent, und die Zahl der dort unterrichteten Schüler von 68.638 auf 103.679, also um 51 Prozent. Hier liegen die Schwierigkeiten begründet — nicht in der erst 1970 „drohenden“ neunten Klasse. Was braucht nun das neunte Jahr? Ohne Änderung der Schulorganisa-tion wird es 327 zusätzliche Klassen „kosten“ und damit 523 zusätzliche Lehrkräfte. Wenn man dagegen rechtzeitig auch die diskutierte Änderung der Schulorganisation mit der Einführung einer Mittleren Reife vornimmt, müßten 448 Lehrer zusätzlich genügen.

Der echte Raummehrbedarf wird mit 250 Klassen berechnet, die in zwei Jahren bei der Verwendung von Fertigteilen mit einem Aufwand von 70 bis 80 Millionen Schilling pro Jahr — also im Verhältnis zum Gesamtbauprogramm des Bundes relativ geringen Sätzen — hingestellt werden können.

Kritischer scheint schon die Personalfrage zu sein. Aber auch hier gibt der Bericht ganz konkrete, vernünftige Lösungsvorschläge — Ubergangslösungen zum Teil, die vielleicht nicht auf Dauer gelten können, aber das sollen sie ja auch gar nicht. Angesichts so großer Aufgaben aber scheint der Ausweg zum vorübergehenden Behelf berechtigt. Dazu gehört zunächst die Möglichkeit, allen jenen Lehramtsstudenten, die schon mehr als zwölf Semester hinter sich gebracht haben, eine rasche Abschlußprüfung und den Eintritt in das Berufsleben zu ermöglichen, auch wenn sie noch nicht alle vorgeschriebenen Lehrveranstaltungen hinter sich gebracht haben.. Dazu gehört weiter, daß man sich bemüht, Praktiker ohne Lehramtsprüfung für dem Schuldienst zu gewinnen, etwa Architekten für darstellende Geometrie, Ärzte für Biologie, Industriechemiker und -Physiker für ihre Disziplinen. Für die weitere Versorgung werden dann die bereits angelaufene Studienreform, vielleicht die Einführung von Kurzoder Ein-Fach-Studium, vor allem aber eime systematische Studien-und Berufsberatung mithelfen müssen, die zu hohen Ausfallsquoten zu drücken, ohne dabei die Qualität der Lehrer zu beeinträchtigen.

Als einzig Richtschnur habe „die qualitativ und quantitativ ausreichende Versorgung unserer Schulen mit Lehrern, das heißt, die den erhöhten Erfordernissen unserer Zeit

gerecht werdende Heranbildung unserer Jugend“ zu dienen, heißt es im Bericht. Damit geht der Minister auf

die nicht unbegründeten Bedenken der Gegner des 13. Schuljahres ein, der Verlängerung der Schulzeit werde nicht auch eine Verbesserung des Bildungsangebots gegenüberstehen.

Schon die Lehrpläne der bereits angelaufenen fünfklassigen Oberstufen mit der zusätzlichen Fremdsprache, mit der Erweiterung auf Sozial- und Wirtschaftskunde und so manche Ergänzung des Stoffes widerlegten diese Bedenken, die auf der anderen Seite durch so manche als überflüssig empfundene außerschulische Belastung des Schulbetriebs, vor allem aber durch die bekannten Personal- und Raummangelerscheinungen genährt wurden. Der andere Einwand, daß damit der Eintritt ins Berufsleben um ein weiteres Jahr verzögert wird, muß nun vor allem durch die Hochschulreform und die dort zu erreichende Straffung der Studien entkräftet werden.

Nun wäre es richtig, die Parteienverhandlungen auf eine Neugestaltung der obersten Spitze zu konzentrieren. Wenn der Abschluß der siebenten Klasse zur Drehscheibe gestaltet wird, die den Weg in den Beruf über spezifisch vorbereitende Kurse oder an die Hochschule mit darauf ausgerichtetem Unterricht freigibt, dann könnte die Diskussion um das 13. bzw. 9. Schuljahr zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht werden.

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