6761050-1968_16_04.jpg
Digital In Arbeit

Kein Überfluß an Fachkräften

Werbung
Werbung
Werbung

In Österreich dürfte in den nächsten 20 bis 30 Jahren kein Überfluß an hoch- und höchstqualifizierten Fachkräften eintreten — die Gefahr arbeitsloser Akademiker mit ihrer ganzen, in den dreißiger Jahren demonstrierten Brisanz, scheint also für Österreich nicht aktuell. Auch wenn die „Produktion” an Maturanten und Akademikern im gleichen Maß anhält und weitersteigt, wie in den letzten zehn Jahren, wird sieden Bedarf der Wirtschaft angesichts einer sich stark veränderten Struktur nur ungenügend decken können, um so weniger, als auch weiterhin mit einer gewissen Abgabe von Fachkräften an das Ausland gerechnet werden muß.

Zunächst steigen die Geburtenstärken der nun nachrückenden Jahrgänge — zwischen 1955 und 1965 um rund ein Drittel. Das bedeutet entsprechende Vermehrungen der Schülerzahlen sechs und zehn Jahre später. Aber nicht nur das: Immer mehr Eltern wollen ihren Kindern eine höhere Schulbildung zukommen lassen. Damit steigt der Anteil jener Kinder und Jugendlichen, die ins Gymnasium oder Realgymnasium, in die technisch-gewerblichen oder kaufmännischen Schulen übertreten, statt wie früher sich mit Volks- und Hauptschule zu begnügen.

Maturanten nötig!

Als man 1964 mit den Berechnungen für den OECD-Bericht des Unterrichtsministeriums begann, schätzte man — auf Grund der damals vorliegenden Gegebenheiten und Trends — für 1976 mit einer Gesamtzahl von 15.000 Maturanten (gegenüber 11.500 im Ausgangsjahr 1965). Bei einer zweiten, späteren, schon auf überprüften Grundlagen und veränderten Trends aufbauenden Schätzung kam man schon auf 19.0 Maturanten für 1976 — aber gleichzeitig meldeten die Statistiker der Wirtschaft einen Bedarf von 28.0 Maturanten für 1976 an, um ihren Führungskräftemachwuchs dek- ken zu können.

Diese Diskrepanz wird kaum überbrückt werden können. Heute kommen etwa 13 von 100 Jugendlichen eines Jahrgangs bis zur Reifeprüfung. Ein Anteil von 15 Prozent scheint mit entsprechendem Nachdruck ohne weiteres erreichbar. Schon die Schätzung, die für 1976 rund 19.000 Maturanten erwartet, also um mehr als die Hälfte mehr als heute, rechnet mit einer Quote von 17 Prozent. Zur Deckung des angemeldeten Bedarfs aber müßte jeder vierte Jugendliche bis zur Matura gelangen, was wohl nur durch eine spürbare Senkung des Niveaus erreichbar wäre — damit aber wäre wieder der Wirtschaft nicht geholfen.

Bildungsreserven ausschöpfen!

Den österreichischen Bildungsplanem stehen also große Aufgaben bevor. Sie müssen einerseits alles daransetzen, die vorhandenen Bildungsreserven — vor allem in den schulfemen Bereichen — auszuschöpfen. Die Untersuchung über das Burgenland hat gezeigt, daß es dort noch manchen jungen Menschen gäbe, der das Zeug in sich hätte, bis zur Matura und darüber hinauszukommen, aber auf der Volks- oder Hauptschule stehen bleibt, weil ihm bisher der Weg in die höhere Schule nicht gewiesen wurde. Hierzu gehört auch das Bemühen, jene Kinder, deren Eignung nicht für den gewählten Bildungsgang ausreicht, rechtzeitig auf einen anderen Weg umzuleiten, um ihnen die ihnen angepaßte bestmögliche Ausbildung zu geben, gleichzeitig aber die Klasse zu entlasten, wo Schüler, die nicht mitkommen, immer eine Belastung darstellen.

Was für die Mittel- und höhere Schule gilt, gilt ebenso auch für die Hochschule. Auch hier müssen die Bemühungen verstärkt werden, vorhandene Begabungen zu erkennen und zu fördern, gleichzeitig aber fehlgeleitete auf den rechten Weg zu weisen. In den vergangenen Jahren wurde das Netz der höheren Schulen so verdichtet, daß heute in jedem politischen Bezirk — abgesehen von einigen in unmittelbarer Großstadtnähe — eine zur Matura führende höhere Schule bereitsteht. Dem entspricht der Ausbau des Hochschulwesens. Wenn aber die Studden- reform an den Hochschulen bemüht ist, die Studiendauer zu verkürzen und frühzeitig eine Auslese zu treffen, so sollte auch im Bereich des mittleren Schulwesens durch entsprechende Beratung der Übergang in andere Wege geebnet werden, wo der eingeschlagene nicht durchgestanden werden kann.

Führungskräfte für die Wirtschaft

Sicher wird aber auch die Wirtschaft überlegen müssen, wie weit die als Bedarf angemeldeten Zahlen einem anzustrebenden Idealziel entsprechen und wie weit der realisierbaren Wirklichkeit, wie weit auch den unabdingbaren Notwendigkeiten. Zweifellos wird eine durch Automation und Rationalisierung veränderte Wirtschaft mehr Eüh- rungs- und Gestaltungskräfte brauchen als heute verfügbar sind. Zweifellos wird es auch möglich sein und möglich sein müssen, mehr fähige junge Menschen als bisher durch gute Schulung zu Führungskräften heranzubilden. Auch diese Bemühungen haben ihre natürliche Grenze, nur darf diese Grenze nicht durch materielle Beengtheit gesetzt werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung