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Keine aquidistanz

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Mit dem 1. März hat sich die politische Landschaft Österreichs wesentlich verändert. Sowohl der ÖCV wie auch der MKV hatten ihr politisches Engagement zum Großteil auf die bisherige Situation abgestimmt. Klaus und seine Mannschaft waren den beiden großen farbstudentischen Verbänden durchaus wohlgesinnt — kein Wunder, denn mehr als die Hälfte der Volksparteiregierung war bei ihnen korporiert.

Innerhalb einer Woche finden nunmehr jene entscheidenden Tagungen der Hoch- und Mittelschüler statt, von denen eine klare Sellungnahme zur aktuellen Situation erwartet wird. Der ÖCV fand sich am Muttertagswochenende in Klosterneuburg zu seiner 13. Cartellversammlung ein, der Mittelschüler-Kartell-Verband trifft sich zu Pfingsten anläßlich seines 28. Pennälertages in Innsbruck.

Noch in der April-Nummer der CVZeitschrift „Academia“ wurde eine — unter einem Viertel der Mitglieder durchgeführte — Meinungsumfrage veröffentlicht, die neben den verbandsinternen Problemen auch die politische Einstellung zu erheben versuchte. Welche Parteien sind mit dem Ideengut des CV vereinbar? 93 Prozent der Befragten gaben der ÖVP den Vorzug, 15 Prozent erachteten die SPÖ als wählbar für CVer, immerhin 23 Prozent liebäugelten mit den Freiheitlichen und 2 Prozent sehen auch in der KPÖ eine den CV-Prinzipien entsprechende Vertretung. Scheint den CVern somit die Wertung der Parteien nach ihrer Wählbarkeit klar, so bleibt dennoch die Frage offen, ob ihr Urteil auch mit ihrer Überzeugung identisch ist. Immerhin glauben 26 Prozent der Befragten zwar nicht „ganz rechts“, jedoch „rechts“ zu stehen, 46 Prozent geben „Mitte rechts“ als ihre Überzeugung an und nicht weniger als 20 Prozent stehen der „Mitte links“ nahe. 2 Prozent, die sich selbst als „linksstehend“ bezeichnen, bleiben aussichtslos in der Minderheit. Trotzdem gibt es „linksaußen“ im CV. Nicht zuletzt entstammt der Initiator des Bundesheervolksbe-gehrens, Dr. Däim, aus dem CV, der ihn kürzlich allerdings dimittierte. Dennoch hat die Diskussion um „links“ und „rechts“ eher verbandsinternen Charakter. Diskussionsfreudige Sozialisten hofften längst schon, einen zu den Parteien äqui-distanten CV vor sich zu haben. Nun hat aber die Klosterneuburger Cartellversammlung die Gretchenfrage beantwortet: Der CV hält nichts von Äquidistanz. Ausschlaggebend für die Haltung der Hochschüler und Alten Herren sind die Programme und die politische Realität. Der CV warnt die Minderheitsregierung der Sozialisten vor etwaigem Machtmißbrauch und lehnt jede Politik, die den Forderungen des Christentums widerspricht, ebenso ab wie politische Maßnahmen, die veraltetes marxistisches Gedankengut oder pseudoreligiöse Tendenzen enthalten. Diese unmißverständliche Resolution, gerichtet an die Adresse der SPÖ, ist mit dem Hinweis versehen, daß man der neuen Regierung „Wachsamkeit“ entgegenbringen werde — was nichts anderes bedeutet, als daß der CV dem Kreisky-Team „auf die Finger schauen wird“. Schätzte man den MKV noch vor wenigen Jahren als den „kleinen Bruder“ des CV ein, so hat sich vor allem in den vergangenen drei Jahren dieses Bild gewandelt. Sehr massiv versuchte der Mittelschülerverband den politischen Interessen seiner Mitglieder Nachdruck zu verleihen.

Während Studentenorganisationen des In- und Auslandes ihr Heil im „Underground“ suchten, hat der MKV genau das Gegenteil getan. Sein erklärtes Ziel war dabei die Formierung einer „pressure group“. Ein vierteiliges Konzept zur Reform des Schulwesens war dazu der Auf- * takt. Die konzeptive Arbeit wurde auch anerkannt: Der MKV ist bei Gesetzesbegutachtungen zugezogen worden.

Der 28. Pennälertag in Innsbruck wird die politische Haltung des MKV — unter den neuen Bedingungen — nun aber nicht neu formulieren, sondern konkretisieren, das aber wesentlich härter als der CV. Der MKV steht der Minderheitsregierung Kreiskys „sachlich — kritisch, aber skeptisch gegenüber“. Denn, so wird betont, die Entwicklung habe gezeigt, daß der Sozialismus noch immer den ganzen Menschen beansprucht, auch wenn er in Wahlzeiten ein tolerantes Gehaben an den Tag legt.

Dabei entbehrt diese eindeutige Haltung des MKV gegenüber der sozialistischen Minderheitsregierung nicht einer gewissen Komik: Was nämlich dem CV sein Daim, das ist dem MKV sein Kirchschläger. Der derzeitige Außenminister ist MKVer und gehört einer niederösterreichischen Verbindung an.

Dr. Kirchschläger allerdings hat sich bei seiner Berufung ausgedungen, an keinen SPÖ-Veranstaltungen teilnehmen zu müssen und hat auch seinen Weg bei heiklen innenpolitischen Fragen geklärt. „Unter voller Respektierung der persönlichen Gesinnung und Einstellung“ war der MKVer Dr. Kirchschläger bereit, sein Regierungsamt zu übernehmen. Da Kreisky ihm freigestellt hat, „etwas, was mit meinem Gewissen nicht vereinbar ist, nicht zu tun, wußte ich, daß keine inneren Konflikte entstehen können ... Vor der Angelobung hat mir der Kanzler erneut, auch im Beisein seiner Parteifreunde, meine Stellung völlig klargestellt“, meint dazu der Außenminister.

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