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Keine Armee mit gleichem Haarschnitt

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Zwanzig Seiten umfaßt die Pressemappe mit'den Ergebnissen der Frühjahrstagung der katholischen Rischöfe. Eine Stellungnahme zum zehnten Jahrestag des Reaktorunglücks von Tschernobyl ist darin ebenso zu finden, wie eine Erklärung zur EU-Konferenz in Turin. Der vielbeachtete „Brief an die Jugend", in dem sich der Eisenstädter Bischof Paul Iby unter anderem für verheiratete Priester und weibliche Diakone aussprach, war dagegen kein Kommentar wert. Auf bohrende Journalistenfragen deutete der Grazer Bischof Johann Weber an, daß er zwar persönlich Ibys Vorschläge teile. Allerdings äußerten viele Mitbrüder die Befürchtung, der Brief erwecke Hoffnungen, die nicht erfüllt werden könnten.

Einig sind sich die Bischöfe in ihrer Kritik am Sparpaket. So appellieren sie an die Regierung „unzumutbare Härten" der Sparmaßnahmen für Familien, Arbeitslose, Ausländer und Frauen zu entschärfen. Die Antwort auf die Probleme durch die Umstrukturierung der österreichischen Wirtschaft im Zeichen der europäischen Integration könne „nicht darin bestehen, den Druck auf die Schwachen zu erhöhen". Besonders kinderreiche Familien, die für die Gesellschaft „immense Leistungen" erbringen, würden durch das Sparpaket extrem belastet. Kindererziehung und Pflege in den Familien seien kein „Sozialhobby", wie Weber betonte, sondern tragen zum gesellschaftlichen Wohlstand ebenso bei wie die Erwerbsarbeit. Zur Aufwertung dieser Formen von Arbeit sei die Entwicklung eines neuen Arbeitsbegriffes notwendig. In diesem Zusammenhang sprechen sich die Bischöfe für die Arbeitszeitverkürzung und flexible Arbeitszeitmodelle aus. Die furche konfrontierte die im Parlament vertretenen Parteien mit dieser Stellungnahme. Bis auf die Freiheitlichen haben alle geantwortet.

Zumindest in ihrem eigenen Bereich will die katholische Kirche die Folgen des Sparpakets abschwächen. Bei der Berechnung des Kirchenbeitrags soll es künftig mehr Ermäßigungen für die sozial Schwachen geben. Die Steuerfreibeträge für Sonderausgaben werden „weiterhin in voller Höhe abgezogen und nicht wie im staatlichen Bereich halbiert".

Während die Bischöfe mutig brennende sozialpolitische Fragen anpackten, scheuten sie sich vor Äußerungen zu brisanten kirchlichen Themen. Obwohl nach einer jüngsten „profil"-Umfrage 72 Prozent der Befragten die Vorfälle rund um Kardinal Hans Hermann Groer für noch nicht geklärt halten, konnte sich der Episkopat nur zu einer sehr allgemein gehaltenen Erklärung zur kirchlichen Situation durchringen. Darin heißt es, daß „trotz anfänglicher Reserven sehr viele Kontakte zwischen den verschiedenen Richtungen" begonnen haben. Die Bischöfe hätten „sich meist sehr intensiv" an diesen Initiativen des Dialogs beteiligt. Den Anliegen der Frauenkommissionen, der Ombuds-stellen bezüglich sexuellen Mißbrauchs von Kindern und Jugendlichen und der Befragung von Bischofskandidaten habe man „in verschiedenen Diözesen" Rechnung getragen.

Die Bischöfe wollen zum Beginn des dritten Jahrtausends einen Hirtenbrief zum Thema Kirche und Gesellschaft erarbeiten. Das Schreiben soll an das „Mariazelle/ Manifest" von 19^2 anschließen und ebenso wie der Sozialhirtenbrief von 1990 Ergebnis eines breiten Diskussionsprozesses sein. Den Auftakt bildet eine Fachtagung in Gösing bei Mariazell vom 5. bis 7. September. Zusammen mit dem Episkopat sollen 60 Experten erste „Fragen und Thesen" formulieren. In einem zweiten Schritt wird unter Einbeziehung verschiedenster Institutionen des universitären Bereichs und der Ökumene ein Grundtext erarbeitet. Dieser wird anschließend einem „breiten Diskussionsprozeß unter Einbeziehung der Basis und all ihrer Strömungen" zugeführt.

Eng damit ist die Einladung der Bischöfe an alle Katholiken zur „Wallfahrt der Vielfalt" Anfang September nach Mariazell verbunden. An mehreren Orten im Großraum des Wallfahrtsortes wird es am 7. September Möglichkeiten zu Begegnungen geben. Höhepunkt des nächsten Tages bildet ein gemeinsamer Gottesdienst. Das Ziel der Wallfahrt formulierte Weber; „Ich hoffe, daß dort der Konservativste mit dem Progressivsten streiten und beten kann." Er wünsche sich „wirklich kontroverse Zusammentreffen". Denn die Kirche sei keine „Armee mit gleichem Haarschnitt", sondern „in sich vielfältig". Neben der Buntheit sei eines der Kennzeichen der katholischen Kirche auch das verschiedene Maß der Entschlossenheit. „Wir sind keine Kirche, in der nur die Entschlossenen Platz haben", unterstrich Weber. Denn oft sei man „in Versuchung, zu schnell zu wissen, was geschehen soll".

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