Keine Lust aufs Landleben

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Wer in Deutschland beabsichtigt, krank zu werden, sollte besser nicht in Ostdeutschland leben. In den neuen Bundesländern fehlt es an „Landärzten“. Nur schwerlich lassen sich Nachfolger für die Ordinationen in Dörfern und Kleinstädten finden. Sieben-Tage-Woche, zahlreiche Überstunden und eine miserable Bezahlung wirken unattraktiv auf Absolventinnen und Absolventen. Noch dazu gehen viele Jungmediziner ins Ausland, wo die Arbeitsbedingungen und die Gehälter besser sind.

Dabei werden sie in ganz Deutschland dringend gebraucht: Bereits jetzt ist in Deutschland jeder zweite Allgemeinmediziner über 55 Jahre alt, das Durchschnittsalter der 150.000 niedergelassenen deutschen Ärzte demnach auf hohem Niveau. „Wenn wir jetzt nicht handeln, wird das Problem dramatisch schon in den nächsten zehn Jahren“, sagt Deutschlands Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler. Der liberale Shootingstar im Kabinett Merkel, selbst Mediziner und Reserveoffizier bei der deutschen Bundeswehr, will mehr deutschen Abiturientinnen und Abiturienten die Möglichkeit bieten, den Arztberuf im Heimatland zu erlernen.

„Ich plädiere für die Abschaffung des Numerus clausus“, so Rösler Anfang April in einem Zeitungsinterview. Denn der Notendurchschnitt allein sage nichts darüber aus, ob jemand ein guter Arzt werde. „Ich finde, da kommt es noch auf ganz andere Faktoren an.“ Gleichzeitig will Rösler die Errichtung von neuen Arztpraxen wesentlich erleichtern und durch diverse Anreize Jungmedizinern das Landleben schmackhaft machen.

Nur insgesamt 8000 Plätze für 37.000 Bewerber

In Deutschland ist der Zugang zum Medizinstudium stark reglementiert. Der Numerus clausus sorgt dafür, dass nur die Besten der Besten eines Schulabschlussjahrgangs in die Sezier- und Hörsäle der medizinischen Fakultäten vorgelassen werden. Zuletzt hatten nur Schüler mit einem Notendurchschnitt von nicht mehr als 1,5 eine Chance auf einen Platz ohne Wartezeit. Für rund 37.000 Bewerberinnen und Bewerbern für ein Medizinstudium 2009/2010 gab es insgesamt nur 8500 Studienplätze.

Eine Abschaffung des Numerus clausus hätte auch Auswirkungen auf Österreich. Seit vielen Jahren „flüchten“ zahlreiche deutsche Studierende an die österreichischen Medizinuniversitäten, um die Zulassungsbeschränkungen in ihrem Heimatland zu umgehen. In Innsbruck kommen derzeit fast zwei Drittel der Bewerber für einen Studienplatz aus Deutschland, in Wien ist es jeder Dritte. Die Anzahl dieser Studierenden könnte sinken, wenn der Zugang in Deutschland schrittweise geöffnet wird. (sj)

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