Kindergarten: Starre Orte des Anfangs
In den österreichischen Kindergärten herrscht ein massiver Fachkräftemangel. Das ist nicht zuletzt die Folge fehlerhafter Managementpraktiken, schildert die Organisationsexpertin Elisabeth Sechser in ihrem Gastkommentar.
In den österreichischen Kindergärten herrscht ein massiver Fachkräftemangel. Das ist nicht zuletzt die Folge fehlerhafter Managementpraktiken, schildert die Organisationsexpertin Elisabeth Sechser in ihrem Gastkommentar.
Kindergärten sind Anfangs-Orte. Hier werden die Jüngsten unserer Gesellschaft willkommen geheißen und ermutigt, sich als Teil unserer Gemeinschaft zu erleben, sich zu entfalten und zu lernen. Wie Bildungsarbeit hier ermöglicht wird, ist für die Entwicklung einer neuen Generation maßgebend. Der eklatante Fachkräftemangel in der Elementarpädagogik ist nur eines von wenigen Symptomen, deren Ursache man beheben könnte.
Im Verteidigungsministerium spricht man von einem jahrelang unbearbeiteten Investitionsstau und argumentiert damit die Budget-Aufstockung des Bundesheers und die Milliarden an Ausgaben, um militärische Resilienz zu stärken. Über das jahrzehntelange Investitionsversäumnis im elementaren Bildungsbereich wird kaum bis gar nicht gesprochen. Das verwundert, denn: Was nützt eine sogenannte „militärische Resilienz“, wenn die gesellschaftlich notwendige Resilienz für sozialen Frieden und Wohlstand vernachlässigt wird? Nicht in die Entwicklung menschlicher Fähigkeiten zu investieren, ist – wie die US-amerikanische Kulturhistorikerin und Systemwissenschaftlerin Riane Eisler sagt – „wirtschaftlicher Selbstmord“.
Die Lust geht verloren
Ein chronischer Fachkräftemangel, auch verursacht durch ein überholtes Managementkonzept, verhindert die Bildungsarbeit, die elementare Bildungsprofis andernfalls leisten könnten. Wie kann die Lust der Kinder am Lernen gefördert werden, wenn diese bereits den Erwachsenen in den Einrichtungen vergeht? Wie kann Selbstbestimmung und Gemeinschaft, die laut Bildungsplan gefordert wird, bei unseren Jüngsten gestärkt und etabliert werden, wenn schon die Pädagog(inn)en diese kaum erfahren?
Der Kindergarten ist durchwachsen von „oben nach unten“- Management, von massenhaften Standardisierungen, Dokumentationsaufgaben und Einzelbeurteilungen, sorglosen bzw. lieblosen Personalzuweisungen und von einem Führungskonzept, das fernab von gemeinsamer Mitbestimmung liegt. Zwischen Fremdbestimmung und einem vernachlässigten partnerschaftlichen Miteinander mit geteilter Verantwortungsübernahme werden Elementarpädagog(inn)en schlichtweg zu Ausführenden der an sie herangetragenen Anweisungen. Das demotiviert und nimmt die Freude am Beruf.
Alfie Kohn, ein bekannter Theoretiker der progressiven Erziehung und Bildung sowie der zeitgemäßen Managementlehre, bringt es auf den Punkt: „Kinder lernen, gute Entscheidungen zu treffen, indem sie Entscheidungen treffen, nicht, indem sie Anweisungen befolgen.“ Genau so ist das auch bei Erwachsenen. In vielen Organisationen scheint das noch nicht angekommen zu sein.
Alleine in Wien mangelt es in diesem Jahr an mehreren hunderten Elementarpädagoginnen, in der Steiermark schließen erste Kinderkrippen und Öffnungszeiten werden eingeschränkt. In Deutschland fehlen laut Deutschem Kitaverband bundesweit bereits 100.000 pädagogische Fachkräfte. Viele verlassen ihren Beruf aufgrund der prekären Arbeitsbedingungen. Mittlerweile hat es sich herumgesprochen, dass der Fachkräftemangel durch notgedrungene Fehlbesetzungen eine nur noch größere Not veruracht.
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