Kinderrechte weiter in Warteposition

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Die Kinderrechte sollten nun in den Verfassungsrang. Die Kritik am Entwurf dazu hält an. Das geforderte Expertenhearing ist vorerst vom Tisch. Was nun?

Die Freude währte nur kurz – als endlich nach vielen Jahren des Hinhaltens ein Entwurf vorlag, die UN-Kinderrechtskonvention in der Bundesverfassung zu verankern. Doch der Entwurf der Regierungsparteien enttäuschte viele – und die Kritik will nicht verstummen. Sie wurde vor allem von Experten und Expertinnen des „Netzwerkes Kinderrechte“ und von den Grünen erhoben: Der Entwurf beziehe wichtige Rechte für Kinder nicht mit ein (etwa Bildung, Gesundheit und Lebensstandard) und beinhalte einen Gesetzesvorbehalt, der wiederum die grundlegenden Rechte relativiere (siehe auch die letztwöchige FURCHE sowie das Interview unten). Zusätzlich zur inhaltlichen Kritik geriet der Entwurf nun auch noch in die Mühlen des Parlamentarismus: Die Oppositionsparteien wollen bis März alle Vorlagen, die eine Zweidrittelmehrheit benötigen, boykottieren.

Wieder in der Warteschleife?

Der Grund: Zwistigkeiten rund um den Spionage-Untersuchungsausschuss. Dieser Boykott betrifft auch den Entwurf zur Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung, der am 1. Dezember im Verfassungsausschuss und Mitte Dezember im Plenum zur Abstimmung gelangen soll.

Würde der Entwurf nun zur Abstimmung kommen, wären die Chancen auf eine Zweidrittelmehrheit intakt. Das BZÖ signalisiert Zustimmung, die Grünen und die FPÖ sind gegen den Entwurf, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Stimmt eine Oppositionspartei mit, wird die Zweidrittelmehrheit erreicht.

Die weitere zeitliche Verzögerung ist aber nicht nur Grund für Ärger. So würden die Chancen steigen, noch Verbesserungen zu erkämpfen, hieß es von Seiten der Kritiker. Das „Netzwerk Kinderrechte“ macht sich wie auch die grüne Kinder- und Jugendsprecherin Tanja Windbüchler-Souschill für ein Expertenhearing stark, um weitere Rechte in der Verfassung zu verankern und den umstrittenen Artikel 7 des Entwurfes, den Gesetzesvorbehalt, zu Fall zu bringen. Das „Netzwerk Kinderrechte“ besteht aus 30 Organisationen, die mit Kinder- und Jugendlichen arbeiten oder sie vertreten, wie zum Beispiel die Bundesjugendvertretung oder die Kinder- und Jugendanwaltschaften.

Doch die Chancen, dass der Entwurf nochmals aufgeschnürt wird, sind begrenzt. Das vorliegende Papier war ohnehin ein mühsamer Kompromiss zwischen ÖVP und SPÖ. Die Volkspartei stimmte dem Entwurf erst zu, als der Gesetzesvorbehalt hineingeschrieben wurde. Der Fuß sei jedenfalls in der Tür, so die Jugendsprecherin der SPÖ, Angela Lueger. Jetzt müsse die Praxis beobachtet werden.

VP-Familienstaatssekretärin Christine Marek ist trotz der Kritik überzeugt, mit dem Entwurf den Kern der UN-Konvention getroffen zu haben. Kinderrechte in der Verfassung stellten ein wichtiges gesellschaftspolitisches Signal dar. Marek fügt hinzu: „Gesetze für faire Lebensbedingungen von Kindern“ müssten aber folgen.

Das geforderte Expertenhearing ist jedenfalls vorerst vom Tisch. Dieses hätte im Verfassungsausschuss beschlossen werden müssen. Die Tagesordnung sieht den Punkt nicht vor. Die Regierungsparteien rechtfertigen sich damit, dass der Entwurf ohnehin auf Ergebnissen des Österreich-Konvents basiere, der zwischen 2003 und 2005 unter Mitwirkung vieler Experten abgehalten wurde.

Bernd-Christian Funk war damals Vorsitzender des Grundrechteausschusses. Heute übt der Professor für Staats- und Verwaltungsrechts an der juridischen Fakultät der Uni Wien deutliche Kritik am Entwurf: Dieser habe mehr Symbolwert als „eine regulative Steuerungskraft“. Funk kritisiert vor allem zwei Punkte: „Die entscheidende Frage der Garantie und Durchsetzbarkeit dieser Rechte wird nicht angesprochen.“

Kindeswohl versus Sicherheit?

Auch Funk stößt sich am Artikel 7 des Entwurfes. Dieser Gesetzesvorbehalt sieht vor, dass die angeführten Rechte beschränkt werden können, wenn sie im Konflikt zur nationalen Sicherheit, zur öffentlichen Ordnung oder zum wirtschaftlichen Wohl des Landes stehen. Dies sei zwar ein typisches Muster bei Grundrechten, so Funk. Doch in Bezug auf diese Kinderrechte sei die Beschränkung durch den Artikel 7 weitgehend und „schwer nachvollziehbar“.

Was hätte er besser gemacht? Die gesamte Kinderrechtskonvention in die Verfassung zu heben, sei nicht zweckmäßig, so Funk. Sein Vorschlag, den er bereits während des Konvents gemacht hat: Es sollte eine generelle Verfassungsregelung geschaffen werden. Diese sollte vorsehen, dass völkerrechtliche Verträge, die Menschenrechte beinhalten, die gesamte Gesetzgebung und Vollziehung des Staates binden. Auf Ebene der Europäischen Union gehe man zunehmend in diese Richtung. Österreich hinke hier nach.

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