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Kirche in osterreich

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Der erste Teil dieses Artikels („Furche-' Nr. 17, 29. April 1967) Versuchte eine Einführung in die Arbeit zu geben, die das Institut für kirchliche Sozialforschung gegenwärtig über Wunsch der postkon-zl'liaren Studienkommission leistet und die verläßliche religionssoziologische Aussagen über die Situation der katholischen Kirche und ihrer Seelsorge in Österreich erbringen soll.

Der heutige Beitrag soll nun einige Ergebnisse dieser Arbeit Vorlegen, die nicht nur die Verantwortlichen in der Kirche bewegen, sondern wohl für viele Funktionäre des öffentlichen Lebens und der Partelen und darüber hinaus auch für eine große Zahl aufgeschlossener Österreicher von Interesse sein wer-dtn. Denn wen interessiert nicht, wie religiös und katholisch unser Land Ist oder wie intensiv das kirchliche Leben der Kathollken unseres Landes ist. Stoßen wir nicht Immer wieder bei Diskussionen in dieser Frage auf eine beachtliche Unsicherheit? Zwar werden häufig selbstverständlich scheinende Pauschalaussagen zum besten gegeben, Aber wen packt nicht jenes leise Unbehagen, das einen bei ideologischen Unwirklichkelten Uberkommt, wenn er etwa hört, daß „die Arbeiterschaft“ areligiös und „die Jugend“ religiös völlig desinteressiert sei und daß „der Mensch unserer Industriegesellschaft“ mit der Religion nichts mehr anfangen könne? Zweifellos wäre es genauso eine Ideologie, in diesen Fragen einlachhin das Gegenteil zu behaupten, daß also „alles in Ordnung“ sei, daß die Arbeiterschaft das Maximum an Religiosität und Kirchlichkeit besitze, daß in der Jugend keine religiösen Probleme vorhanden seien oder daß die Industriegesell-sehaft der üblichen Art von Religiosität und Verkündigung nicht teilweise. verständnislos gegenüberstehe, Aber es sollte Uhs am Ende dieser Ausführungen wenigstens das eine klar sein, daß uns ms

empirisch fundierte Kenntnis der religiösen Situation nottut, wenn wir in der Diskussion dieser Fragen heute ernst genommen werden wollen.

Empirisch fundierte Kenntnisse der religiösen Situation

Wenn hier von der katholischen Kirche in Österreich die Rede ist, dann sind darunter 89 Prozent aller Österreicher gemeint. Dieser Katho-Hikenanteil ist regional verschieden, er beträgt zum Beispiel in der Stadt Wien 81 Prozent, erreicht aber in der Diözese St. Pölten mit 96 Prozent überdurchschnittliche Höhe, Auch altersmäßig variiert der Anteil der Katholiken an der Bevölkerung, indem die jüngeren Lebensalter einen höheren Anteil aufweisen. In dieser Hinsicht überrascht die Tatsache, daß der Katholikenanteil nach Berufsgruppen kaum unterschiedlich ist. Es gibt zwar kleinere Abweichungen zwischen den einzelnen umfassenden Berufsgruppen der Arbeiter, Angestellten und Selbständigen, aber sie fallen kaum ins Gewicht. Diese Aussage wird auch dadurch bestätigt, daß nahezu alle Katholiken ihre Kinder taufen lassen. Das bedeutet, daß in keiner Berufsgruppe, auch nicht bei den Arbeitern, in der nächsten Zeit eine wesentliche Verschiebung des Katholikenanteils stattfinden wird.

Der Katholikenanteil, der also im gesamtösterreichischen Durchschnitt bei 90 Prozent liegt, dürfte sich auch in den kommenden Jahren nicht wesentlich verändern. Es gibt war in Österreich jährlich rund 10.000 Austritte, denen 5000 Rück- und Übertritte gegenüberstehen, was in etwa einen jährlichen Verlust von 0,08 Prozent ausmacht, auf das Ganze gesehen aber kaum eine größere konfessionelle Mobilität begründet. Auffällig ist jedoch, daß zwei Drittel aller Austritte auf die

fünf österTelchlichen Großstädte

über 100.000 entfallen, davon wieder 41 Prozent auf die Stadt Wien, und daß die Austritte gewöhnlich im mittleren Lebensalter zwischen 30 und 50 Jahren erfolgen. Daß die Großstädte am ehesten von der konfessionellen Struktur Österreichs abweichen, ist auch daran ersichtlich, daß ihr Anteil an Personen ohne religiöses Bekenntnis überdurchschnittlich hoch ist. So gibt es in Österreich 3,b Prozent ohne religiöses Bekenntnis, von denen aber 66 Prozent wiederum auf die Großstädte Wien, Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck entfallen.

Diese grundlegenden Daten zur KonfessionszugehÖrigkeit enthalten wertvolle Hinweise auf eine wenigstens mihimale und prinzipielle Akzeptierung der Religion in ihrer institutionalisierten Form. Man wird kaum den vollen Sachverhalt treffen, wenn man für die Mehrzahl oder Viele der Kathollken das Urteil fällt, es handle sich hier um bloßes Brauchtum, nicht aber um eine echt religiöse Grundhaltung. Dies wird auch dadurch nahegelegt, daß in unserer Gesellschaft der Austritt aus der Kirche nahezu formlos und ohne gesellschaftliche Diskriminierung möglich ist und daß trotzdem etwa in Wien die Mehrzahl aller Katholiken ohne jegliche spezielle Mahnung ihrer Kirchenbeitragspflicht nachkommen. Irgend etwas muß also diesen „Traditionskatho-liken“ oder, wie man gerne abfällig zu sagen pflegt, „Taufscheinkatholiken“ ihre Zugehörigkeit zur katholischen Kirche bedeuten, findet sie doch eine Bestätigung selbst im finanziellen Bereich, auf dem unsere Mitbürger ansonsten überaus empfindlich sind.

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