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Kirchensnacks in bunten Farben

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Auf blaßblauem Hintergrund lächelt Österreichs Lieblingsblondschopf entgegen. 717.000 Mal - in jedem Postkasten eines katholischen Haushaltes der Erzdiözese Wien. Auf „Goldis" Haupt ist locker das Wort „Dialog" gekritzelt, unter seinem Kinn prangt in weißen Lettern die Aufschrift „Die Kraft der Sieger". Ein Kommunikationsblatt für Jungsportler? Falsch. Ein Sportmagazin für Manager und Kommunikationstrainer? Alles falsch. Was es wirklich ist, prangt recht unscheinbar in mageren weißen Majuskeln auf der Stirn von Andi Goldberger: DAS MAGAZIN IHRER KIRCHE.

Nach langen Analysen, Testläufen und zwei Nullnummern ist es also endlich heraußen: das Monatsmagazin „Dialog" der Erzdiözese Wien, das vorerst einmal ein Jahr lang an alle Haushalte mit zumindest einem Katholiken verschickt wird. Es soll gleichsam ein „schriftlicher Hausbesuch" sein, wie es Mitherausgeber Generalvikar Helmut Schüller bei der Präsentation von „Dialog" bezeichnete. „Ich weiß schon, daß der Andi Goldberger kein Kirchenvater ist", aber bei einem Hausbesuch singe man auch nicht aus voller Brust „Ein Haus voll Glorie scheinet" und halte anschließend eine Lesung aus der Bibel. „Man schaut einmal: Wer steht da überhaupt vor mir?"

„Dialog" ist „für jene Menschen, die von sich aus nicht kommen", wie Schüller die Zielgruppe umschreibt.Und das sind immerhin etwa 82 Prozent der Katholiken. Von diesen „treuen Fernstehenden" erscheint ein knappes Drittel regelmäßig bei hohen kirchlichen Anlässen, der Best nur bei bestimmten Anlässen wie laufe, Hochzeit oder Begräbnis. Jener großen Mehrheit der Kirchenbeitragszahler soll durch das neue Magazin die Kirche wieder nahegebracht werden. Die groben Linien, an denen man sich orientiert, sind: mehr von Gott und von Lebensfragen, weniger von der Kirche und vom Bichtungsstreit reden.

Wesentliches Anliegen, wie es Wolfgang Bergmann, Direktor für Öffentlichkeitsarbeit und Kommuni kation formulierte, „die Kirche anhand von Menschen zu 1 zeigen, die auch den Glau ben weitertragen".

Das Blattkonzept, ent worfen von „Dialog"-Berater und -konzeptionist Martin Zimper, präsentiert sich leserorientiert. „Wenn uns die typische 35jährige Hausfrau mit Kindern nicht liest, haben wir etwas falsch gemacht", so Zimper. Appetitgerecht wird dem Leser eine bunte Palette dargereicht, die von Kirchen-Fast-Food-Häppchen über einen Round table, wo aktuelle Themen diskutiert werden sollen, bis zur Sozialreportage reicht.

Spirituelle Beilagen sind die Kolumne eines hohen kirchlichen Würdenträgers sowie eine kurze Meditation. Serviceadressen, ein Ombudsmann, Tips und ein Schuß Kultur dürfen nicht fehlen. Daß es ankommt, hat eine von der Erzdiözese in Auftrag gegebene Gal-lup-Umfrage gezeigt: Lediglich 17 Prozent meinen, daß der „Dialog" un-gelesen im Papierkorb verschwindet.

Die Finanzierung erfolgt über Inserate und über die Einnahmen aus dem Kirchenbeitrag. Pro Nummer werden 1 Schilling und 62 Groschen aus den Kirchbeitrags -geldern entnommen. Auf das Jahr umgerechnet kostet der „Dialog" die Erzdiözese Wien 12,5 Millionen Schilling.

Eine Umfrage, ob der Kirchenbeitrag für den „Dialog" verwendet werden dürfe, zeigte im übrigen eine recht hohe Akzeptanz dieser Finanzierungsquelle: fast zwei Drittel der befragten Kirchenbeitragszahler sprachen sich dafür aus.

Welches Ziel wird nun tatäschlich verfolgt und welche Resonanz erwartet man sich? Es gehe zum einen darum, die konkreten Angebote der Kirche mehr zu verbreiten, wie Generalvikar Schüller ausführte. Außerdem sollen Impulse gegeben werden. „Manche Menschen warten darauf, Ermunterung zu erfahren." Vielleicht komme es aufgrund der Lektüre von „Dialog" auch dazu, „daß sich jemand beim nächstbesten Katholiken zurückmeldet". Das brächte die Kirche „unter den heilsamen Druck, daß wir unsere Leute besser für diese Gespräche ausrüsten". Das Magazin solle, so Schüller „Türöffner sein", es werde dazu führen, daß sich die Leute mehr von der Kirche erwarten. „Da werden wir uns als Kirche sputen müssen!", machte er auf die Bumerangwirkung des Magazins aufmerksam.

Genau an diesen Punkt könnte man eine Beihe von Anfragen an dieses Magazin anschließen, so etwa jene, ob die Kirche tatsächlich so cool, lässig und zeitgeistig ist, wie sie hier präsentiert wird.

Noch brisanter ist aber die Frage nach dem von Helmut Schüller angeschnittenen möglichen Comeback und den Anfragen so mancher „treuer Kirchenferner". Welche Perspektiven, die sie nirgendwo anders finden, werden sie in der Kirche angeboten bekommen?

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