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Kleines Einmaleins des roten Handels

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Schon die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ländern mit gleichen Wirtschaftssystemen werfen andauernd dornenreiche politische oder wirtschaftliche Probleme auf. Der Schluß liegt nahe, daß Wirtschaftsbeziehungen zwischen Volkswirtschaften mit verschiedenen Wirtschaftssystemen mindestens ebenso dornenreich sind. Hier halten wir schon mitten in den Fragen des Osthandels. Die wirtschaftspolitische Diskussion in Österreich über dieses Thema krankt daran, daß die Grundprinzipien einer Zentralverwaltungswirt-schaft offenbar nicht deutlich genug bewußt sind und daher häufig mit verkehrswirtschaftlichen Kategorien operiert wird; die Folge sind Fehlschlüsse.

Es wäre ein schier aussichtsloses Unterfangen, Sinn oder Widersinn des Osthandels politisch zu untersuchen, da je nach der politischen Position des Betrachters die Antwort verschieden ausfallen würde. Schon die rein ökonomische Darstellung von Wirtschaftsbeziehungen zwischen einer Zentralverwaltungswirtschaft im östlichen Sinn und einer Verkehrswirtschaft im westlichen Sinn bringt genug Schwierigkeiten mit sich. Zunächst einmal der grundlegende Unterschied beider Ordnungen: In der Zentralverwaltungswirtschaft oder staatlichen Planwirtschaft werden die Produktionsentscheidungen zentralisiert gefällt. Von einem Planungsministerium oder wie immer diese Behörde heißen mag; in einer Verkehrswirtschaft werden die Produktionsentscheidungen dezentralisiert gefällt; in den einzelnen Unternehmungen wird entschieden, was und wieviel produziert werden soll. Eine Lenkung der Produktion findet, wenn überhaupt, dann indirekt statt, etwa durch steuerliche Maßnahmen u. dgl. m., direkte Lenkungsmaßnahmen sind Sonderfälle. Partner auch im internationalen Wirtschaftsverkehr zwischen Verkehrswirtschaften sind daher die Unternehmungen. Auch wenn der Staat als Käufer oder Verkäufer auf ijiternati^nalen^ Märkten auftn^ kann^er die^ Marktdaten^beeinflussen, aber fetztlicfi verriaft er sich doch wie eine Unternehmung. Igt, eine Unternehmung nicht gewillt, in irgendein Lana zu exportieren, dann kann sie in der Regel dazu auch nicht gezwungen werden. Wenngleich in den westlichen Verkehrswirtschaften die verschiedensten Marktformen existieren und die vollkommene Konkurrrenz lediglich ein Modellfall ist. werden auf den einzelnen Märkten doch noch über den Preismechanismus Angebot und Nachfrage ausgeglichen.

In einer Zentralverwaltungswirtschaft östlicher Prägung haben wir es mit anderen Ordnungsprinzipien zu tun:

„Die planmäßige (proportionale) Entwicklung der Volkswirtschaft ist ein ökonomisches Gesetz des Sozialismus... Es bietet den Staatsorganen die Möglichkeit, die gesellschaftliche Produktion richtig zu planen... Staatliche Pläne werden für die gesamte Volkswirtschaft, für die Wirtschaftszweige und die einzelnen Verwaltungen, für die Republiken, Regionen, Gebiete sowie für die Wirtschaftsgebiete des Landes ausgearbeitet... Die sozialistische Planung beruht auf der Verbindung der Perspektivpläne, die die Hauptlinie der wirtschaftlichen Entwicklung für eine Reihe von Jahren zum Ausdruck bringen, mit den laufenden Plänen, die das konkrete Arbeitsprogramm für kürzere Fristen darstellen... Bei der Ermittlung der richtigen volkswirtschaftlichen Proportionen ist eine der wichtigsten Methoden das Bilanzsystem ... Eine Gegenüberstellung der verfügbaren Mittel und des Bedarfs ermöglicht es, Engpässe in der Volkswirtschaft, Mißverhältnisse im Entwicklungsstand und Entwicklungstempo zwischen einzelnen Zweigen aufzudecken und entsprechende Gegenmaßnahmen zu treffen.“ (Politische Ökonomie, Lehrbuch, herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Institut für Ökonomie. Die deutsche Ausgabe wurde vom Marx-Engels-Lenin-Stalin-Institut beim ZK der SED besorgt, Berlin 1955, S 473 ff.)

Die Festlegung der in einer Planperiode zu erreichenden Ziele ist eine politische Entscheidung. Sie kann etwa lauten: Bessere Versorgung der Bevölkerung, Ausbau bestimmter Industriezweige, forcierte Forschung u. dgl. In der Regel wird ein ganzes Bündel von Zielen vorhanden sein und eine Rangordnung der Ziele aufgestellt werden müssen. Gewisse Minima, wie etwa die Versorgung der Bevölkerung mit einem bestimmten Gut, können nicht unterschritten werden.

In den Plansalden zeigen sich dann jeweils die Knappheiten der einzelnen Güter. Stark vereinfacht sieht ein Planschema für ein Gut etwa folgendermaßen aus:

Auf der Aufkommenseite: Bestand zu Beginn der Planperiode plus inländisches Aufkommen während der Planperiode (plus Einfuhr während der Planperiode); auf der Verwendungsseite: Inlandsverbrauch während der Planperiode (plus Ausfuhr während der Planperiode) plus Bestand am Ende der Planperiode. Aus diesem stark vereinfachten Planschema ist bereits die Rolle der Außenwirtschaft ablesbar. Das Lehrbuch der Ökonomie (Politische Ökonomie, a. a. O., S. 584) definiert den Außenhandel folgendermaßen:

„Der Außenhandel ist ein Monopol des sozialistischen Staates. In der UdSSR sind sämtliche Außenhandelsoperationen in einem besonderen staatlichen Organ konzentriert, dem Ministerium für Außenhandel: sie sind dem sozialistischen Aufbau untergeordnet und werden auf Grund der staatlichen Export- und Importpläne abgewickelt, die einen festen Bestandteil des Volkswirtschaftsplanes darstellen.

Das Außenhandelsmonopol ist eine unerläßliche Bedingung für die Existenz und die Entwicklung der sozialen Wirtschaft.

Dem Außenhandelsmonopol in der UdSSR obliegen gegenwärtig zwei Hauptfunktionen.

Erstens sichert es die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Landes des Sozialismus von der kapitalistischen Umwelt und bewahrt seine Volkswirtschaft, seinen Binnenmarkt vor dem Eindringen des Auslandskapitals, vor dem verheerenden Einfluß der Wirtschaftskrisen und der Anarchie des kapitalistischen Weltmarktes.

Zweitens dient es der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der UdSSR mit den volksdemokratischen Ländern.“

Aus dieser Definition lassen sich bedeutsame Schlüsse ziehen. Vor allem hat der Außenhandel volkswirtschaftlich nur eine ergänzende Rolle und wird über ein Außenhandelsmonopol abgewickelt. Die Außenhandelsbehörde hat die Aufgabe, den Einfuhrbedarf, der sich auf den einzelnen Bedarfs- und Produktionsplänen ergibt, zu sammeln; er bildet die Verwendungsseite der Handej|$lbilanz. Aji| $er.Aufkommenseite erscheinen alle Güter, -die zur Ausfuhr vorgesehen sind. Die Kunst der Außenhandelsbehörde besteht nun darin, für die Exportgüter den Importbedarf einzutauschen. Wesentlich ist, daß bei der Erstellung des volkswirtschaftlichen Gesamtplanes darauf geachtet wird, ihn ins Gleichgewicht zu bringen. Im Gleichgewicht ist der Plan dann, wenn unter Zugrundelegung der zu erreichenden Ziele die zentrale Leitung keine Möglichkeit mehr sieht, durch eine Änderung der Verwendungsentscheidungen eine Nutzensteigerung zu erzielen. Der Außenhandel spielt für das Plangleichgewicht je nach seiner Bedeutung für die Volkswirtschaft eine unterschiedliche Rolle. Allgemein gilt, daß die Handelsverträge entweder vor oder nach der Planerstellung abgeschlossen werden können. Werden sie vor der Planerstellung abgeschlossen, dann sind die im Vertrag enthaltenen Planentscheidungen (Ein- bzw. Ausfuhr bestimmter Güter) bereits Daten für den Volkswirtschaftsplan. Wird der Handelsverträg nach der Planerstellung abgeschlossen, bedeutet dies, daß der Aus- bzw. Einfuhrbedarf bereits im Plan feststeht und die Wünsche der Handelspartner sich nur mehr innerhalb der gegebenen Daten bewegen können.

Eine Zentralverwaltungswirtschaft wird daher immer trachten, Handelsverträge auf der Grundlage des Naturaltausches (Güter gegen Güter) abzuschließen. Schon ein Spitzenausgleich etwa aufgelaufener Clearing-Salden in Gold oder harter westlicher Währung wird nur dann zu erreichen sein, wenn die zu importierenden Güter für das Plangleichgewicht notwendig sind.

Bei den Wirtschaftsverhandlungen anläßlich des Staatsbesuchs wurde von sowjetischer Seite auch immer nur darauf verwiesen, daß der Handel zwischen Österreich und der UdSSR auf der Basis des Naturaltausches durchgeführt werden soll. Eine besondere Situation, die ein Abweichen von dieser Grundkonzeption rechtfertigen würde, ist im Fall Österreich für die UdSSR offensichtlich nicht gegeben. Es wäre den Sowjets sicher ein Leichtes, ein Mehrfaches der Warenmenge aus Österreich zu beziehen, die sie jetzt abnehmen, und es würde ihnen auch nichts ausmachen, sie in harter westlicher Währung oder in Gold zu bezahlen, aber offenbar haben sie keinen Anlaß, dies zu tun.

Ein ganz entscheidender Punkt wird von westlichen Kaufleuten entweder übersehen oder zumeist verkannt: das Außenhandelsmonopol. GkrchgültigTwelchen Namen die'',',PHTnä“'trägt,' mit der der Exporteur oder Importeur in Verbindung tritt, Außenhandelsbank, Rasnoimport; Exportchleb u. dgl., er tritt immer nur mit dem Staat in Beziehung, mit einer Behörde, die zwar — das liegt im Wesen jeder Verwaltung — einen gewissen Ermessensspielraum hat, aber nur ein Organ zur Planerfüllung mit genauen Vorschriften ist.

Für ein westliches Unternehmen bedeutet der Warenaustausch mit einer Zentralverwaltungswirtschaft immer ein gewisses Risiko, das, abgesehen von allen politischen Überlegungen, allein schon im Wesen der Planwirtschaft begründet liegt. Es ist durchaus möglich, daß sogar durch einige Planperioden hindurch ein bestimmtes Gut in einer bestimmten Anzahl von Einheiten benötigt und auch importiert wird. In den folgenden Planperioden wird es aber nicht mehr benötigt, sei es, daß sich die Zielsetzungen geändert haben oder die eigene Produktion den Inlandsbedarf deckt oder von einem anderen Land gekauft wird. Dann hilft kein im verkehrswirtschaftlichen Sinn „noch so günstiger Preis“.

Hat nun eine Unternehmung wegen des Geschäftes mit einer Zentralverwaltungswirtschaft investiert und die Produktion ausgeweitet, dann kann es böse Überraschungen erleben. Vom betriebswirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen, ist es daher nicht unbedenklich, wenn ein entscheidender Teil der Produktion in eine Zentralverwaltungswirtschaft verkauft wird. Sind nun viele Unternehmungen eines verkehrswirtschaftlich organisierten Wirtschaftssystems vom Handel mit einer staatlichen Planwirtschaft abhängig, so ist dies, auch wenn lediglich ökonomische Motive die Leitung der Planwirtschaft bestimmen, bedenklich, weil von einer Handelsvertragsperiode zur anderen gar nicht abgeschätzt werden kann, was abgenommen oder angeboten wird. Wir wissen doch nicht, um konkret zu werden, was gebraucht wird. Wir kennen weder den Volkswirtschaftsplan noch die Außenhandelsbilanz der Planwirtschaften. Es gibt keine ausreichenden Statistiken über Produktion, Verbrauch u. dgl.

Es ist für ein Unternehmen unmöglich, einen „östlichen Markt“ zu erobern, aus dem einfachen Grund, weil es ihn nicht gibt. Nichts kann zu größeren Enttäuschungen führen, als die Anwendung verkehrswirtschaftlichen Denkens auf die Handelsbeziehungen mit einer staatlichen Planwirtschaft. Diese Schwierigkeiten sind schon lange erkannt, wenngleich sie in der Praxis nicht immer zur Kenntnis genommen werden. Die Folge davon ist, wir haben es auch beim Staatsbesuch wieder erlebt, daß die haarsträubendsten Vorschläge gemacht werden, die zeigen, wie wenig über planwirtschaftliche Prinzipien gewußt wird.

Vielleicht wäre es möglich, auch das ist kein neuer Vorschlag, den Warenaustausch mit den Planwirtschaften besser abzuwickeln, würde dem Außenhandelsmonopol eine ähnliche Institution entgegengesetzt werden. Alle Ostgeschäfte müßten von dieser Stelle abgewickelt werden. Es wäre gar kein besonders großer Apparat nötig, nur einige Speziahsten. Auch die bürokratische Abwicklung könnte ohne besondere Formalitäten durchgeführt werden.

Der Handel mit einer staatlichen Planwirtschaft verlangt eine genaue Kenntnis dieses Wirtschaftssystems. Mit allgemeinen Phrasen und statistischen Zahlenspielereien ist es nicht getan. Auch nicht mit Erklärungen, die der Enttäuschung Ausdruck geben, wie wenig man erreicht habe. Die Kenntnis der Zusammenhänge würde manche Hoffnungen, die sich als trügerisch erweisen, gar nicht erst aufkommen lassen.

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