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Kluges Nützen von Freiräumen

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Wichtige Regionen in Österreichs Bildungslandschaft sind die Privatschulen. Im strengen Wortsinn sind die Schulerhalter sehr selten ganz „privat".

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Wichtige Regionen in Österreichs Bildungslandschaft sind die Privatschulen. Im strengen Wortsinn sind die Schulerhalter sehr selten ganz „privat".

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Das Privatschulgesetz von 1962 enthält zwei wesentliche Grundsätze: zum einen das Recht auf Gründung von Privatschulen, zum anderen wird der private vom gesetzlichen Schulerhalter als der „andere" abgehoben. Das oft kritisierte staatliche Bildungsmonopol ist aufgebrochen, zum Quasi-Monopol geworden.

Privatum als das Eigene oder pri-vatus als die Einzelperson trifft im strengen Wortsinn auf Privatschulen nur in den seltensten Fällen zu. Neben der katholischen Kirche und ihren Einrichtungen, deren Trägerschaft vom Kindergarten bis in die Akademie-Stufe reicht und den weitaus größten Sektor des Privatschulwesens in unserem Lande besetzt, sind es große Organisationen wie Kammern, andere wirtschaftliche Gruppierungen, weltanschauliche Vereinigungen oder Stiftungen, von denen Schulen mit bestimmten Zielsetzungen geführt werden, „privat" im Sinne von „nicht-staatlich". Sogar wenn eine Stadt oder ein Bundesland eine mittlere oder höhere Schule führen, gilt diese als. „Privatschule", da der Bund gesetzlicher Schulerhalter für diesen Schultypus wäre. (Anmerkung: Traditionsreiche englische Privatschulen wie Eton, Harrow oder Winchester werden bis heute „Public Schools" genannt, aber ihre „Öffentlichkeit" war zur Zeit ihrer Gründung nichts anderes als das Loslösen vom insgesamt kirchlich dominierten Schulwesen.)

Besondere Zielsetzungen und das Nützen von Freiräumen gehören zweifellos zu den Charakteristika von Privatschulen. Drei Initiativen der letzten Monate zeigen dies deutlich. Die Errichtung des Evangelischen Gymnasiums in Wien (nach Oberschützen im Burgenland der zweite Standort einer evangelischen höheren Schule in Österreich) ist der klassische Fall einer religiösen Grundorientierung schulischer Bildung und damit einer Stärkung der Glaubensgemeinschaft durch Bildung (wie vor Jahren im Falle der Wiedererrichtung einer jüdischen Schule, der Zwi Perez Cha-jes-Schule, im Zweiten Wiener Bezirk; ein bewußt in sich geschlossener Bildungsorganismus, zugleich aber ein wesentlicher Stein im Mosaik der österreichischen Privatschulen.)

Der Plan zur Errichtung der „Sir-Karl-Popper-Schule", einer auf Erfassung und Förderung hochbegabter Kinder und Jugendlicher ausgerichteten Privatschule, steht vor der Verwirklichung. Spätestens zum Zeitpunkt der Errichtung selbst werden die kontroversiellen Standpunkte zu einem solchen Projekt in schärferer Weise als bisher formuliert werden, nicht zuletzt auch mit Bezug auf Finanzierung und Subventionen (zentraler Nerv des Leidens der meisten Privatschulen, und neuerdings nicht nur dieser). Wichtigster Gegenstand der Diskussion über das Thema der Begabtenförderung sollte aber wohl sein, ob mit diesem Schulprojekt tatsächlich ein erstrebenswerter Weg erschlossen wird.

Der Fonds der Wiener Kaufmannschaft ist nach der katholischen Kirche der größte Privatschulerhalter in unserem- Land. Vor kurzem hat das Bildungsreferat dieser Institution die Novellierung der Bedingungen für die Aufnahme in berufsbildende höhere Schulen scharf kritisiert und angekündigt, man werde besondere Auswahlverfahren festlegen, um in den eigenen für die Wirtschaft so wichtigen Schulen (Handelsschulen und Handelsakademien) die geforderte hohe Qualifikation der Schülerinnen und Schüler zu sichern. Wenn diese Stellungnahme mehr als eine Warnung an die bildungspolitischen Instanzen gewesen sein sollte, dann müßte die Risikogrenze zum Öffentlichkeitsrecht bewußt werden. Mit diesem dritten Beispiel einer privaten Schulinitiative aus letzter Zeit soll auf die letztlich doch einengenden Kriterien hingewiesen werden, die von Privatschulen auf dem Weg zur staatlichen Anerkennung (Öffentlichkeitsrecht) erfüllt werden müssen.

Den öffentlichen (staatlichen) Schulen gleich und doch wieder anders, also abgehoben, „privat" zu sein, wird daher wesentlich von zwei Faktoren abhängen. Zum einen, wie bei den Schulen der Waldorf-Pädagogik (Steiner-Schulen), durch ein alle Schüler, Lehrer und Eltern erfassendes und in jedes Unterrichtsfach wirkendes Bewußtsein der besonderen Bildungsaufgabe. Zum anderen, wie im Theresianum in Wien oder im Werkschulheim Felbertal/Ebenau, durch zusätzliche Bildungsangebote (Fremdsprachen, internationale Aktivitäten, Sport, künstlerische Bildung, berufliche Ausbildung). Schulische Besonderheiten verlangen aber zusätzliche finanzielle Aufwendungen, die bei Reduktion staatlicher Zuwendungen weitere Belastungen im privaten Bereich bedeuten (erhöhte fi-nanzielle Leistungen der Eltern, Eigenmittel des Schulerhalters, Förderer). Da die „gesetzlichen Schulerhalter" bei ihren Schulen Sparmaßnahmen treffen müssen und daher deren Weg zu mehr Autonomie auch mit Hinweisen auf die Erschließung zusätzlicher Geldquellen verbinden (viele Schulen haben in kurzer Zeit stärkere Profilierung im Pädagogischen und erstaunliche Selbständigkeit im Wirtschaftlichen erreicht), wird hier jedenfalls im Inhaltlichen mehr als bisher „privat" agiert werden müssen. Dies ist auch eine Herausforderung für die „eigentlichen Privatschulen".

Die Privatschulen sind verschieden große Begionen und eingesprenkelte Orte in Österreichs Bildungslandschaft. In ihrer Eigenart, die nicht Isoliertheit bedeutet, sind sie wesentliche Merkmale dieser Landschaft.

Der Autor, Sektionschef L K, ist Kurator der Stiftung Theresianische Akademie in Wien.

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