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Konsequenzen in Wien?

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Die Optik für die Regierungspartei war vernichtend. Europas Blätter beschäftigen sich nach den letzten Wahlen in Österreichs größtem Bundesland wieder mit der Innenpolitik dieses Landes. Und allgemein bedauert man Klaus als zweiten Wilson“.

Aber auch Informations-Staatssekre-tär Pisa gab offen — als Sprecher seiner Partei ins Feuer geschickt — die Niederlage der ÖVP bei den Landtagswahlen in der Bundeshauptstadt zu.

Die Analyse des Wahlergebnisses zeigt freilich für Österreich eine Reihe von atypischen Erscheinungen, deren Tragweite noch nicht abzuschätzen ist:

• in Wien wurde erstmals eine Wahlbeteiligung erreicht, die in den •westlichen Demokratien allgemein üblich ist. Soziologen haben schon lange festgestellt, daß überhohe Wahlbeteiligungen nicht unbedingt ein Korrelat für demokratische Reife sind; vielmehr sind nie mehr als 60% der Wähler in einem Land politisch interessiert, um mit Verstand und Wachhielt das Wahlrecht auszuüben. Die Parteien werden sich also auch in Österreich daran gewöhnen müssen, daß die Wahlbeteiligung weiter abnehmen wird und das Wiener Ergebnis nicht ein Endpunkt, sondern das Anfangsstadium einer Entwicklung darstellt;

• was man in Salzburg noch als Ausfluß des dortigen politischen Klimas an der Salzach deuten konnte, bestätigte sich nunmehr in Wien: der Trend zum Zweiparteien-System ist vorbei, die Wähler wünschen auch eine korrigierende Kleinmacht zwischen den Blöcken. Wenn man will, kann man das Wiener Ergebnis auch als Absage an die Wiener Koalition werten; denn im Rathaus drückten sich die beiden Großen besonders freundlich die Hände, und der Wähler stärkte im Prinzip praktisch nur die Oppositionsparteien;

• Olahs wundersames „Blow up“ widerlegt das Argument vom rationalen Wähler. Denn der Chef der DFP verdankt seinen Erfolg Emotionen: dem Mitleid und der Weh-leidigkeit einer Wählergruppe, die besonders in der ÖVP beheimatet ist. Im übrigen dürfte mit diesem Ergebnis endgültig widerlegt sein, daß der Österreicher mit „Verurteilten“ nichts zu tun haben will. Das Paradoxe freilich bleibt trotz der Tatsache, daß der Großteil der bürgerlichen Wähler zur Weekend-Partei wurde, der Umstand, daß die beiden großen Lager „Links“ und „Rechts“ bis auf Promille gleichgeblieben sind, was Stabilität beweist. Die SPÖ schluckte die Kommunistenstimmen, und „rechts“ von der SPÖ stehen mit zusammen 40,1% eine geschwächte ÖVP (27,6%), eine gestärkte FPÖ (7,3%) und schließlich eine sich aus dem Fundus der ÖVP bedienende DFP (5,2%). „Rechts“ von der SPÖ standen aber 1964 39,6% der gültigen Stimmen. Zieht man nun ins Kalkül, daß die Wahlbeteiligung vor allem ÖVP und FPÖ betraf, so ist die Starrheit der Blöcke gleichgeblieben oder höchstens minimal nach rechts verschoben.ÖVP nicht über ihre Verliererrolle täuschen. Man wird in der Falkestraße Konsequenzen ziehen müssen (das Alleinopfer des Leopold Hartl war denn doch zu wenig). Denn alle Funktionäre, die Hartl jahrelang stützten und Haitis Stil zum System erstarken ließen, sitzen nach wie vor in den Sätteln der Bünde und Bezirke. Mit zum Hauptgrund der Niederlage aber dürfte der ÖVP die Tatsache werden, daß in ihrer Rathausfraktion die „Packler“ einer Koalition saßen, während sich im benachbarten Parlament die ÖVP-Regierungsmitglieder gegen eine manchmal fanatisierte Opposition zu wehren hatten. Wie man hört, soll jedoch der Wiener Wirtschaftsbund schon deutlich gemacht haben, daß er die Koalition fortgesetzt sehen will. Man bangt um Aufträge aus dem Rathaus und um Schikanen durch eine unkontrollierte Wiener SPÖ.

Vor allem aus dem jüngeren Lager der Partei kommen jedoch zahlreiche Stimmen, die vehement den neuen archimedischen Punkt suchen: und die der ÖVP nur eine Chance für 1970 und 1974 geben, wenn man dem Wähler auch glaubhaft einen Stil- und Systemwandel aufzeigen kann. Es müßten, so sagt man, eben Konsequenzen gezogen werden.

Allerdings sind es vorläufig gerade junge Kandidaten, die nicht in den Gemeinderat einziehen werden. So hat der erst 40jährige Klubsekretär Dr. Günther Goller keine Chance mehr, über ein Grundmandat auf der Landstraße in das Rathaus zu kommen. Die jugendlich elegante Dame der VP-Fraktion, Dr. Marga Hubinek, hat ihr Mandat ebenso eingebüßt wie der nicht zum Zug gekommene Lehrer Leopold Traindl, 42 Jahre. Aber auch die noch nicht 50jährigen Gemeinderäte Fröhlich und Nussgruber können vorläufig ihre Mandatslaufbahn beenden. Besonders fehlen freilich wird der ÖVP-Fraktion einer ihrer besten Baufaohleute, der 49jährige Dipl.-Ing. Dr. Strobl vom Aisergrund. Und natürlich wird der angekündigte 39jährige Dkfm. Amann nicht zum Zug kommen, weil man über die Restmandate „Versorgungen“ schaffen muß.

Kritisiert man die bisherige schlechte Optik der Volkspartei bei der Präsentation ihrer Kandidaten, so macht man sich nunmehr auch in der Bundesparteileiitung Gedanken über die Mannschaft, die man aus Wien in den Nationalratswahlkampf senden wird. So geben Kenner der Situation dem Plan von Vizekanzler Withalm jetzt größere Chancen, vom Bund her Einfluß auf die Nominierung der Nationalratskandidaten zu nehmen.

Alles freilich wird in Wien demnächst davon abhängen, wer der heue Landesparteiobmann wird. Der schon in einem Monat stattfindende Landespärteitag wird sowohl über die politische Linie als auch über Koalitionsbereitschaft und über das Verhältnis zur Bundespolitik finden.

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