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Kontrollierte Regierung

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Die Bundesverfassung sieht eine Reihe von Einrichtungen vor, die der Volksvertretung auf dem Weg der Kontrolle sowohl Einblick in die allgemeine Führung als auch hinsichtlich konkreter Akte gibt. Weiter kann die gesamte Volksvertretung ihren Wünschen über die Art der Führung der Staatsgeschäfte Ausdruck geben und auf dem Weg von Entschließungen Geltung verschaffen. Von diesen Möglichkeiten der politischen Kontrolle muß die rechtliche unterschieden werden; es kann nicht Sinn der von der Volksvertretung zu setzenden Akte sein, auf Gesetzwidrigkeiten in der Verwaltung hinzuweisen. Die Normenkontrolle ist in der

Verfassung anderen Organen Vorbehalten. Es ist eher die „Regierungstätigkeit“ zu überprüfen; die vor allem eben der Hintergrund für die von der Opposition zu bietende Alternative sein wird.

Die Mittel, die die Verfassung dem Parlament zur Verfügung stellt, sind in der Verfassung erschöpfend angeführt:

• Das Interpellationsrecht: National- und Bundesrat sind befugt, die Mitglieder der Bundesregierung über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen. Die Mitglieder der Bundesregierung können auf die Anfrage mündlich oder schriftlich antworten oder die Beantwortung der gestellten Frage verweigern. In diesem Fall muß jedoch eine Begründung dafür vorgelegt werden.

Seit der Geschäftsordnungsreform ist nach deutschem Beispiel die Fragestunde eingeführt, die innerhalb von 60 Minuten die Stellung kurzfristig eingebrachter Anfragen aus dem Bereich der Vollziehung zuläßt. Verständlich, daß dieses Instrument für die Opposition besonders interessant erscheint. Für die Regierungspartei ergibt die Fragestunde allein die Möglichkeit, ihre Leistungen hervorzustreichen. Diese oft kritisierte Vorgangsweise ist allerdings verständlich, denn die Mehrheit kann ja nicht dazu da sein, die von ihr gestützte Regierung im Nationalrat bloßzustellen.

Das Instrument der Fragestunde muß vor allem hinsichtlich der Handhabung durch die Opposition überprüft werden. Es ist keine konkrete Anfrage aus der Vollziehung, wenn der Bundeskanzler befragt wird, wann er die Absicht habe, zurückzutreten. Ebenso gehört es dem Bereich der politischen Wahrsagerei an, wenn man vom Finanzminister eine Erklärung verlangt, welche Steuererhöhungen in dieser Gesetzgebungsperiode noch kommen werden. Dadurch verliert das Instrument an Glaubwürdigkeit; die Berichterstattung in den Massenmedien hat hinsichtlich Umfang und Intensität im Vergleich zum Beginn der Legislaturperiode bereits merkbar abgenommen.

• Das Resolutionsrecht: National- und Bundesrat sind berechtigt, ihren Wünschen über die Ausübung der Vollziehung durch Entschließungen Ausdruck zu geben. In den Zeiten der Koalition war die Verabschiedung der Entschließung die einzige Chance für die Parlamentarier, Einfluß auf die politische Gestaltung des Landes zu nehmen. Die gegenwärtigen Regierungsverhältnisse haben dieses Instrument in seiner Bedeutung abgeschwächt, weil die Regierungspartei eingesehen hat, daß sie durch allzu viele in Entschließungen verlangte Berichte die Arbeit in den Ministerien blockiert.

• Das Mißtrauensvotum: In parlamentarischen Demokratien bedarf die Regierung des ständigen Vertrauens des Parlaments. Art. 74 der Bundesverfassung regelt hier ausdrücklich die Vorgangsweise, wodurch der Nationalrat der Regierung das Vertrauen versagen kann. Bei Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder kann jederzeit ein solcher Beschluß gefaßt werden, der allerdings auf Grund der Konstruktion selten Aussicht auf Erfolg hat, so lange nicht große Parteikoalitionen eine Regierung zustande bringen. In dieser Gesetzgebungsperiode wurde ein Mißtrauensvotum gegen die Bundesregierung und eines gegen Vizekanzler Dr. Bock eingebracht, die beide ohne Erfolg waren; die Opposition hat es sich bisher versagt, diese Waffe neuerlich einzusetzen.

Fragwürdige Massenanfragen

Es muß jederzeit überprüft werden, ob das Parlament von den durch die Verfassung zur Verfügung gestellten Mitteln sinnvoll Gebrauch macht. Auch die Opposition muß sich dieser Prüfung unterwerfen, da eine Bereicherung des Anfragewesens durch Massenanfragen (es sind bisher mehr als 700 schriftliche Anfragen gestellt worden) das Instrument eher abwertet und auch die Kontrolle beeinträchtigt. In jeder Hinsicht wäre nicht zuerst der Parteizweck, sondern der Zweck des Parlamentes zu verfolgen.

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