Kunstuniversitäten im Umbruch

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Der Fachholschulsektor sollte auch für künstlerische Studiengänge geöffnet werden. Ein Gastkommentar.

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Der Fachholschulsektor sollte auch für künstlerische Studiengänge geöffnet werden. Ein Gastkommentar.

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Im QS-Universitätenranking rangiert im Fach "Performing Arts" die Universität für Musik und darstellende Kunst Wien - immerhin die größte europäische Einrichtung dieser Art - gleich nach der Juilliard School New York auf dem beachtenswerten zweiten Platz. Selbstverständlich ist bei den von Fachleuten oft lustvoll gescholtenen Rankings höchste Vorsicht in puncto Objektivität und Aussagekraft geboten (s. Interview links). Als Anlass, einen Blick auf die österreichische Kunsthochschullandschaft zu wagen, taugt dieser Befund hier jedoch allemal. Die Universitäten für Musik und darstellende Kunst Wien, Graz und Salzburg -letztere nach dem genius loci "Mozarteum" benannt -sowie die Akademie der bildenden Künste Wien, die Universität für angewandte Kunst Wien und die Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz werden vom Bund getragen. Dazu kommen zwei Privatuniversitäten, die -das mag zunächst verblüffen - ebenfalls von der öffentlichen Hand betrieben werden. Die im Eigentum des Landes Oberösterreich stehende Anton Bruckner Privatuniversität Linz sowie die Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien sind aus ehemaligen Konservatorien hervorgegangen.

Eine Frage der Attraktivität

Neben diesen universitären Einrichtungen werden von Ländern, Diözesen und Privatpersonen Konservatorien betrieben, die ebenso mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattet sind. Da Konservatorien aber als Schulen konstituiert sind, sind sie nur der Lehre verpflichtet und haben keinerlei Forschungsauftrag. Dass sie zwar künstlerische und pädagogische Diplome, aber keine akademischen Grade verleihen dürfen, wirkt sich negativ auf die Attraktivität für Studienbewerber und andere Stakeholder aus. Die Konservatorien drängen daher seit Jahren auf die Umwandlung zu Universitäten oder die Kooperation mit ihnen, um die im Europäischen Hochschulraum zum Standard avancierten Bachelor-und Masterabschlüsse anbieten zu können.

Die Transformation der ehemaligen Kunsthochschulen zu Universitäten in den späten 1990er-Jahren hat einen nach wie vor laufenden Prozess angestoßen, der zu einer massiven Aufwertung der Wissenschaft an diesen Häusern geführt hat. Während wissenschaftliche Zweige an den früheren Kunsthochschulen als "Nebenfächer" abqualifiziert wurden, treten sie an den heutigen Universitäten sehr selbstbewusst auf.

Dem Konzept der künstlerischen Forschung ("Artistic Research") und dem Beispiel der Kunstuniversität Graz folgend, etablieren sich neben den wissenschaftlichen auch künstlerische Doktoratsstudien. Bei aller Euphorie bleibt allerdings zu hoffen, dass die künstlerisch-praktische Ausbildung, die zweifellos die Kernaufgabe jeder künstlerischen Bildungseinrichtung darstellt, nicht aus den Augen verloren wird.

Fokus auf bestmögliche Ausbildung

Die Verknüpfung von Forschung und Lehre ist neben dem Zusammenwirken von Lehrenden und Studierenden - also der "Universitas magistrorum et scholarium", die sich organisationskulturell in der universitären Selbstverwaltung ausdrückt -das zentrale Charakteristikum einer Universität schlechthin. Die Kunstuniversitäten haben in den letzten Jahren enorme Anstrengungen unternommen, um diesem Standard gerecht zu werden. Da verwundert es wenig, dass der Jubel über eine leichtfertige Anerkennung aller Konservatorien als Privatuniversitäten recht überschaubar wäre.

Während in der Schweiz die gesamte akademische Musikausbildung in das Fachhochschulwesen überführt wurde, lässt das österreichische Fachhochschulgesetz nur wissenschaftliche Fächer zu. Daher können Konservatorien hierzulande entweder in ihrem prekären Status verharren oder einen Antrag auf Akkreditierung als Privatuniversität stellen. Als solche muss allerdings ein veritabler Forschungsoutput nachgewiesen werden, der schon angesichts der spärlichen Ressourcen kaum geleistet werden kann. Warum wird also nicht der Fachhochschulsektor für künstlerische Studiengänge geöffnet?

Als akkreditierte Fachhochschulen könnten die Konservatorien ihre Studierenden mit Bachelorund Masterabschlüssen entlassen. Der Mehrwert für die Absolventen läge in der Anerkennung der akademischen Grade sowohl durch potenzielle Arbeitgeber als auch durch Unis unterschiedlichen Typs, an denen das Studium fortgesetzt werden könnte. Auf studentischer Ebene wäre -analog zum wissenschaftlichen Sektor - volle Durchlässigkeit gegeben, auf institutioneller Ebene blieben die beiden Systeme streng getrennt. Während die künstlerischen Universitäten weiterhin der Exzellenz in Forschung und Lehre verpflichtet wären, könnten sich die künstlerischen Fachhochschulen auf die bestmögliche Ausbildung ihrer Studierenden konzentrieren.

Der Autor ist ao. Univ.-Prof. an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien

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