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Laie in der Kirche: Beruf mit Zukunft?

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Die neue Leiterin am Seminar für kirchliche Berufe, Ulrike Exler: Immer mehr Studierende sind aus einem nicht so stark religiös geprägten Umfeld.

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Die neue Leiterin am Seminar für kirchliche Berufe, Ulrike Exler: Immer mehr Studierende sind aus einem nicht so stark religiös geprägten Umfeld.

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DIEFURCHE: Welche Aufgabe hat das Seminar für kirchliche Berufe? Ulrike Exler: Es ist eine katholische Ausbildungsstatte für Pastoralassisten-ten und -assistentinnen. Voraussetzung ist Matura oder eine abgeschlossene Berufsausbildung. Wir haben hier im Haus ein ganz buntes Gemisch von Berufen und zum Teil auch Maturanten, die nicht unbedingt ein Studium angestrebt haben. Die Ausbildung dauert vier Jahre, das dritte Jahr umfaßt ein Praktikumsjahr in einer Pfarre der jeweiligen Diözese. Wir haben aus allen Bundesländern Studierende.

DIEFURCHE: Wohin wendet man sich, wenn man aufgenommen werden will? ExiXR: Man kann sich nicht selber anmelden. Wer Interesse hat, muß sich in der eigenen Diözese beim dortigen Kuratoriumsmitglied melden und wird von dort weitergeschickt. Dann gibt es im Frühjahr Interessentenseminare zum Einander-Kennenlernen, wobei die Kandidaten auch auf ihre Eignung geprüft werden.

DIEFURCHE: Kann jemand, der diese Ausbildung gemacht hat, fix mit einem Posten rechnen3

EXLER: Bis jetzt ist es so: Wer von der Diözese geschickt wird und die Ausbildung macht, bekommt auch einen Platz in der Diözese. Nun kommen vereinzelt Bedenken auf, ob die Leute noch untergebracht werden können. Das hat vorrangig finanzielle Gründe.

DIEFURCHE; Es gibt bei den geistlichen Berufen deutlichen Nachwuchsmangel Wird vielleicht mittel- oder langfristig die Kirche ihre Strukturen nur aufrechterhalten können, wenn sie bestimmte Aufgaben auch Laien tun läßt, und dann wohl in erster Linie jene, die eine solche Ausbildung haben3 exler: Langfristig, glaube ich, wird es nicht zu umgehen sein. Ich glaube, daß noch gewisse Bedenken da sind, aber es gibt „Schulversuche”. In der Diözese Linz zum Beispiel gibt es schon in Gemeinden ohne Priester am Ort Pfarr-assistenten, und zwar Laien, Männer und Frauen, die zwar nicht die Funktion des Pfarrers haben, aber die Ansprechpartner für die Gemeinde und dafür verantwortlich sind, daß das Gemeindeleben auch zustandekommt.

DIEFURCHE: Spielt diese Frage hier unter den Studierenden eine Rolle? exler: Ja schon, der Unterricht ist hier sehr praxisorientiert, und da werden auch diese Fragen immer wieder angesprochen, um sich klar zu werden: Worauf muß ich mich einstellen, wofür muß ich qualifiziert sein? Ich sehe es als Ziel dieser Ausbildung, daß qualifizierte Seelsorger und Seelsorgerinnen in die Gemeinden gehen, die dann wirklich ein Gemeindeleben aufbauen helfen oder auch verantwortlich mittragen können.

DIEFURCHE: Würden einige hier, wenn es keinen Zölibat und keine Beschränkung auf Männer gäbe, auch das Priesteramt anstreben?

EXLER: Das ist durchaus möglich. Es gibt sicher auch einzelne, die ihre Lebensform noch suchen. Es gibt aber viele, die wirklich klar sagen: Ich will als Laie in der Kirche arbeiten. Von dem, was viele als ihre Berufsauffassung haben, glaube ich schon, daß da eigentlich auch Priesterberufungen vorhanden sind, nicht nur Männer, sondern auch Frauen. Sicher wird die Frage des derzeitigen Amtsverständnisses immer wieder diskutiert. Meiner Einschätzung nach gibt es sicher ganz viele Stimmen, die das Diakonat der Frau fordern würden.

DIEFURCHE: Ist das Seminar hier eine Schule wie jede andere oder mehr? exi.er: Es ist sicher keine Schule wie jede andere, weil sie auch verbunden ist mit der Seminargemeinschaft und einer Wohngemeinschaft Die Seminarausbildung ist sicher auch eine gute Möglichkeit, um miteinander Gemeinschaft des Glaubens zu leben. Zum Seminarleben gehört zum Beispiel auch eine fixe Gebetsgemeinschaft.

DIEFURCHE: Besteht oft schon eine Verankerung in spirituellen Gruppen? Exler: Es kommen Leute mit sehr verschiedenen kirchlichen Vorerfahrungen. Es gibt welche, die in ihrer Pfarrgemeinde ganz stark eingebunden waren, es gibt welche, die aus Gruppen herauskommen, es gibt welche, die sich einfach für diesen Beruf interessieren, manche lernen ihn durch die Berufsinformationsmesse kennen. Was auffallend ist: Es kommen immer mehr aus einem nicht so stark religiös geprägten Umfeld, und gerade da ist die Seminargemeinschaft etwas ganz Wichtiges.

DIEFURCHE: Wer bezahlt für das Seminar und was gehört zur Ausbildung? exler: Das Seminar ist von der Österreichischen Bischofskonferenz getragen, und die Ausbildung wird nach Anzahl der Studierenden der jeweiligen Diözesen von den Diözesen finanziert, die Studierenden leisten einen Beitrag dazu. Die Schule selbst ist eine berufsbildende mittlere Schule mit Öffentlichkeitsrecht, die Lehrer unterstehen dem Wiener Stadtschulrat. Es geht zunächst einmal um eine grundlegende theologische Ausbildung, Fächer wie biblische Theologie, Dogmatik, Moraltheologie, Kirchenrecht, Pastoraltheologie, bilden sicher einen Schwerpunkt. Es gibt aber auch Sozialpädagogik, Beligionspädagogik, Katechetik und viele musische Fächer. Es ist eine sehr umfassende Ausbildung.

DIEFURCHE: Gibt es viele Aussteiger? exler: Im Laufe der Ausbildung gibt es ganz wenige. Eher in der Praxis -aus verschiedensten Gründen, einerseits zeigt sich, wenn man Familie hat, daß der Beruf von der Zeiteinteilung her nicht unbedingt familienfreundlich ist, so daß dann bisweilen ein Überstieg zum Religionsunterricht erfolgt, andererseits kann es auch in der Zusammenarbeit mit den Priestern zu Schwierigkeiten kommen.

DIEFURCHE: Gibt es Kontakte zwischen den Leuten, die hier ausgebildet werden, und denen, die sich aufs Priesteramt oder Ordensleben vorbereiten? exler: In Wien gibt es diesen Kontakt. Mit dem Wiener Priesterseminar gibt es einmal jährlich ein Treffen, wo die, die im Diakonat sind, und die akademischen Pastoralassistenten, die sich gerade auf den Beruf vorbereiten, und unser vierter Jahrgang einen Tag gemeinsam verbringen, um auch auszutauschen: Wo sind die gegenseitigen Erwartungen, die der zukünftige Priester an die Laien und umgekehrt? Wo sind Ängste da? Das ist sehr wertvoll.

DIEFURCHE: Bietet das Seminar noch andere Kurse an?

Exi£R: Eine Ausbildungsform, die immer gefragter wird, ist die berufsbegleitende Ausbildung, wo Leute, die schon über 30 sind und in einer Pfarre bereits als Pastoralhelfer arbeiten, begleitend dazu in geblockten Lehrveranstaltungen eine zusätzliche pastorale Ausbildung erhalten. Voraussetzung ist, daß sie schon eine theologische Vorbildung haben, zum Beispiel Theologischer Kurs oder Religionspädagogische Akademie. Diese Ausbildung dauert zwei Jahre, da steigen beispielsweise viele Frauen ein, wenn die Kinder schon größer sind.

DIEFURCHE: Es heißt, die Kirche müsse Angst um die Frauen haben ... exler: Es ist ganz wichtig, daß sich möglichst viele Frauen engagieren in der Kirche und auch um die Frauen sorgen, damit Frauen auch wissen, daß sie ihren Platz haben in der Kirche. Ansonsten ist die Sorge sicher berechtigt, daß die Kirche die Frauen verliert, je stärker der Eindruck wird, daß sie nur für, bestimmte Bereiche erwünscht sind und für andere nicht.

DIEFURCHE: Sind immer mehr Frauen in wichtigen Funktionen, wie Leitung einer Finanzkammer, eines Schulamtes oder eben dieses Hauses, ein ausreichendes Signal seitens der Hierarchie, daß Frauen auch ohne Weihe ernstgenommen werden3

EXLER: Ich glaube schon, daß das ein Zeichen ist und daß dieses Zeichen wahrgenommen werden soll, ich würde es aber nicht begrüßen, wenn es ein Ablenkungsmanöver wäre.

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