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Lidit und Schatten

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Mit der Regelmäßigkeit des Fremdenverkehrs wiederholt sich auch alljährlich die vorsaisonale Fragestellung, wie sich der Fremdenverkehr im Vergleich zum Vorjahr entwickeln werde. Man ist nachgerade gewohnt, daß er sich ständig ansteigend im Sinne des zunehmenden Wohlstandes darstellt, und ist nicht gerne geneigt, da und dort auftretende Alarmzeichen zur Kenntnis zu nehmen. Das vergangene Jahr hat in prominenten Fremdenverkehrsländern eine wahrnehmbare Ab-schwächung der Fremdenströme gebracht, die in ihrer Folge eine gewisse Nervosität der Betroffenen und eine allerdings spät einsetzende erhöhte Aktivität der fremdenverkehrspolitischen Stellen zur Folge hatte. Österreich blieb von den Abschwächungstendenzen nicht verschont. Wenn das Jahresergebnis 1963 immer noch eine prozentuelle Zunahme des Ausländerfremdenverkehrs aufwies, so war doch die Zuwachsrate bedeutend schwächer als in den vorangegangenen Jahren. Sie sank von mehr als 20 auf 5,7 Prozent ab. Wie anläßlich der Feier des 30jährigen Bestandes des Institutes für Fremdenverkehrsforschung Professor Dr. Sauermann aus Frankfurt am Main in seinem Referat „Fremdenverkehr und Wohlstandszuwachs“ nachwies, ist mit einer ständigen Verringerung der Zuwachsrate zu rechnen, da der Fremdenverkehr überproportional auf die Einnahmeveränderungen reagiert. Nun sind die Tendenzen im Fremdenverkehr keineswegs einheitlich. Modeströmungen, neue Zielorientierungen, Konkurrenzwirkungen, Aufkommen neuer Fremdenverkehrsländer verursachen Veränderungen der Touristenströme, wodurch sich ergibt, daß vermehrter Zustrom nach neuen Regionen zu einer Verminderung in bisher traditionellen Fremdenverkehrsgebieten führt. Ein typisches Beispiel dafür ist der seit Jahren bestehende Wettbewerb zwischen den Ländern Südeuropas, Spanien, Italien, Jugoslawien, Griechenland. Diese Verschiebungen im touristischen Kräfteparallelogramm bekommt vor allem Italien zu spüren. Österreich kann, soweit die Meldungen der Zweigstellen der österreichischen Fremdenverkehrswerbung über steigenden Informationsbedarf des ausländischen Publikums Schlüsse zulassen, mit einer zufriedenstellen-

den Sommersaison 1964 rechnen, wobei insbesondere hervorgehoben werden kann, daß das Interesse an Österreich vor allem in den Vereinigten Staaten außerordentlich gestiegen ist. Österreich ist aber auch in den Vereinigten Staaten sehr aktiv geworden. Die Bereitstellung erhöhter Werbemittel für den amerikanischen Raum durch die Österreichische Fremdenverkehrswerbung, die Beteiligung Österreichs an der New Yorker Welt-Messe, das Gastspiel der Spanischen Reitschule in den USA sind in ihrer Wirkung auf das amerikanische Publikum deutlich erkennbar. Auch aus dem Großeinzugsgebiet des österreichischen Fremdenverkehrs, der Westdeutschen Bundesrepublik, wird gesteigertes Interesse gemeldet. Man könnte somit mit der sich anzeigenden Entwicklung durchaus zufrieden sein. Ebenso lauten die Berichte aus Holland und dem skandinavischen Raum günstig. Bedauerlich schwach und scheinbar kaum steigerungsfähig ist der Reiseverkehr von England nach Österreich. Neue Besuchergruppen kommen aus dem benachbarten Ungarn und der Tschechoslowakei, zweifellos ein erst am Beginn stehender internationaler Gästeaustausch; er läßt es aber ratsam erscheinen, auch ihm die nötige Aufmerksamkeit zuzuwenden. Damit ist bereits ein Umstand betont, der dem österreichischen Fremdenverkehr seine besondere Akzentuierung gibt Man hat sich daran gewöhnt, daß die geschäftlichen Auswirkungen des Fremdenverkehrs seit Jahren zunehmen, man hat daher Modernisierungen der bestehenden Einrichtungen vorgenommen, neue Bauten aufgeführt und somit die Aufnahmebereitschaft erhöht. Die Vermehrung der Fremdenbetten hat nach Berechnungen des österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung allein in den Jahren 1961 und 1962 einen Investitionsaufwand von 2,7 Milliarden Schilling erforderlich gemacht. Trotzdem ist aber die Beurteilung der österreichischen Fremdenverkehrsbereitschaft eine zwiespältige. Die „Neue Zürcher Zeitung“ vom 23. Mai 1964 betont, daß die Fremdenverkehrspflege in Österreich voller Probleme sei und man gerade auf diesem Sektor das bekannte Einfühlungsvermögen der Österreicher vermisse. Die Beurteilung geht sogar so weit,

daß man neben dem zweifellos gegebenen Aufstieg auch Zeichen des Verfalles feststellen zu können glaubt. Die in dieser Hinsicht angeführten Beispiele sind richtig. Österreich leidet in manchen Problemen einer umfassenden Fremdenverkehrspflege an seinem Föderalismus. Eine solche Feststellung wird nicht gerne gehört, aber mit den Augen eines Fremden gesehen ist es beispielsweise undenkbar, daß die Verbindung zwischen Wien und seinem Flughafen Schwierigkeiten bereitet, weil dieser in einem anderen Bundesland liegt. Es ist eine harte Feststellung, die der Verfasser des Artikels in der Zürcher Zeitung, E. v. Hofmansthal, New York, trifft, wenn er sagt: „In der Schweiz wird man überall gut bedient. Hinter dem Eisernen Vorhang wird man überall ausgebeutet; in Österreich kennt man sich nicht aus, der eine ist ein Musterwirt, der andere ein Fremdenschlächter.“ Solche Verallgemeinerungen können nicht unwidersprochen hingenommen werden. Es trifft absolut nicht zu, daß man in der Schweiz überall gut bedient wird, ebensowenig wie es zutrifft, daß der Tourist in den volksdemokratischen Ländern nur ausgebeutet wird. Bei der Österreich-Feststellung ist objektiv zuzugeben, daß beachtliche und daher für den reisenden Fremden vielfach unverständliche Leistungsunterschiede bestehen. Hier ergäbe sich ein dankbares und, mehr als das, ein überaus wichtiges Arbeitsgebiet für die Fachorganisationen der Fremdenverkehrswirtschaft. Leistungsmäßig gesehen ist auch die Entwicklung hinsichtlich der gastgewerblichen Arbeiter besorgniserregend. Der bekannte Vorsprung, den das österreichische gastgewerbliche Personal dank seiner Liebenswürdigkeit und der individuellen Behandlung seiner Gäste besaß, wird mehr und mehr zur Legende. Mit eine Ursache mag die durch den Massentpurismus arbeitsmäßige Beanspruchung sein, aber es müßte im Interesse sowohl der Unternehmerorganisationen wie auch der Arbeitnehmerorganisationen gelegen sein, Lösungen zu suchen, die nicht in der arbeits-und lohnpolitischen Arena gefunden werden, sondern die von der Überlegung diktiert sind, daß der Fremdenverkehr in Österreich immerhin über 90 Prozent des Passivums der Handelsbilanz ausgleicht und daß der internationale Wettbewerb immer größer und härter wird. Man muß nicht nach Österreich reisen und wird es auch nicht, wenn die bisherigen Vorteile und Vorzüge des Landes auf

dem touristischen Sektor zum Verschwinden gebracht werden. Die Fremdenverkehrswerbung wurde mit einem neuen Kollektivvertrag und einer neuen Lohnordnung im Beherbergungsgewerbe zum 1. Mai 1964 überrascht. Die Auswirkungen dieses Kollektivvertrages auf die Preise sind klar, und das zu einer Zeit, da die Werbung im Ausland mit nunmehr unrichtigen Preisen auf vollen Touren läuft. Es müßte doch auch den Gewerkschaften daran gelegen sein, die außenwirtschaftliche Funktion des Fremdenverkehrs zu erleichtern und nicht zu erschweren. Wenn also Kollektivvertragsänderungen und Änderungen der Lohnsätze geplant sind, so möge man sie zeitlich so zur Austragung bringen, daß nicht die Auslandsinformation

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