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Linz: Fakten und Fragezeichen

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Das Hauptproblem, mit dem sich die öffentliche Verwaltung — also auch die der Stadt Linz — auf das Ernstlichste zu befassen hat, weil fast sämtliche im Interesse der Bevölkerung zu bewältigenden Aufgaben davon ab- hängen und weitgehend beeinträchtigt werden, ist im Komplex der kommunalen Finanzgebarung zu erblicken, die sich aus der allgemeinen wirtschaftlichen Situation ergibt. In Zeiten der Hochkonjunktur wurde Linz als Industriestadt in Österreich gern für besonders wohlhabend gehalten. Dieser oftmals licht ganz zweckfreien Übertreibung muß gegenwärtig nachdrücklich widersprochen werden. Die Industriestadt Linz wird von den Folgen der wirtschaftlichen Rezession nämlich überdurchschnittlich hart betroffen. Um ein schwerwiegendes Beispiel anzuführen, sei an die VÖESt. erinnert, die ein gesunder, produktiver Großbetrieb ist, aber als aktives Unternehmen gezwungen wird, immer mehr schwache, unrentable Teile der verstaatlichten Industrie zu schützen und deren Verpflichtungen zu übernehmen. Die also belastete Bilanz des Stammwerks drückt sich naturgemäß in einer ganz ungewöhnlichen Minderung der Gewerbesteuer aus, wovon wiederum die Finanzgebarung der Stadt Linz ebenso ungerechtfertigt wie schmerzlich betroffen wird.

Die Verpflichtungen, die von der Stadt zu erfüllen sind, werden jedoch keineswegs geringer; und die Befriedigung vieler Ansprüche des Lebens läßt sich weder auf sogenannte „bessere Zeiten" verschieben noch automatisch im Verhältnis zum schwindenden Stadtsäckel reduzieren.

Die gegenwärtig wohl schwerste Aufgabe, die nicht vertagt werden kann, sondern bis zum Herbst dieses Jahres auf irgendeine Weise gelöst sein muß, besteht in der Überwindung des katastrophalen Mangels an Klassenräumen für den Grundschulunterricht. Der alarmierende Zustand ist nicht etwa eingetreten, weil die Stadt ihre pflichtgemäße Obsorge für Grund- und Hauptschulen vernachlässigt hätte; sie hat im Gegenteil seit 1945 auf dem Gebiet der Wiederherstellung, Erweiterung, Modernisierung sowie der Errichtung neuer Grund- und Hauptschulen Außerordentliches geleistet: 23 Volksschulen, neun Hauptschulen und eine Sonderschule sind seither ihrer Bestimmung zugeführt worden. Diese Schulbauten mußte die Stadt Linz — ohne von Land oder Bund unterstützt zu werden — aus eigenen Mitteln finanzieren.

Trotz eines an sich imponierenden Bauvolumens ist es der Stadt nicht gelungen, den sich ständig vergrößernden Bedarf einzuholen und zu decken. Das Tempo der Entwicklung richtet sich ja nicht nach den städtischen Mitteln, sondern wird von der anhaltenden Wohnbautätigkeit vor allem in den sich aus- breitenden neuen Stadtteilen bestimmt. Die Zahl der Schulanfänger ist von Jahr zu Jahr steiler gestiegen. Im Schuljahr 1967/68 haben schon 116 Klassen Wechselunterricht, obwohl in vielen Schulen bereits Nebenräume, wie Lehrerkabinette, Lehrmittelzimmer, Kellerräume und dergleichen Notunterkünfte, als Klassenzimmer benutzt werden. Selbst anspruchsloseste Platzreserven, die uns helfen würden, die Überzahl der Schulanfänger im Herbst unterzubringen, gibt es nicht mehr. Da schon jetzt in einzelnen Fällen sogar vierte Volksschulklassen im Wechselunterricht geführt werden müssen — wobei es unmöglich ist, ihnen die vorgeschriebenen 26 Wochen- situnden zu vermitteln —, werden wir künftig wahrscheinlich Schulautobusse einsetzen müssen, um Klassen aus überfüllten Schulen in andere, selbst weit entfernte Schulen, in denen ein Raum frei ist, zu transportieren.

Sicherlich wird die Stadt anstatt fester Schulgebäude zunächst einige Montageschulen in preisgünstigerer Fertigteilbauweise errich ten lassen. Aber aus eigener Kraft vermag säe das gesamte Problem nicht mehr zu bewältigen.

Wir sehen uns nun gezwungen, an das Land Oberösterreich zu appellieren, der Landeshauptstadt im Kampf gegen die Schulraumnot beizustehen. Wenn das Land im Jahr 1967 aus den nach dem neuen Finanzausgleich für Schulbauten vorgesehenen Mitteln ganze 350.000 Schilling der Stadt Linz zugeteilt hat, so ist vergleichsweise daran zu erinnern, daß im selben Jahr die Kosten für eine einzige neue Schulklasse in einem festen Gebäude auf 1,000.000 Schilling geschätzt werden mußten. Da das Land über finanzielle Mittel verfügt, die der Unterstützung von Gemeinden bei der Errichtung von Schulbauten gewidmet sind, sollte angesichts unserer hier nur andeutungsweise skizzierten Situation das Land mit der Gepflogenheit brechen, die großen Gemeinden bei der Zuteilung zugunsten der bevorzugten Kleingemednden zu vernachlässigen. Der Schul- und Kulturausschuß des Gemeinderates ist deshalb in seiner ersten Sitzung im Jahr 1968 dafür eingetreten, daß beim Land Oberösterreich interveniert werden möge, damit die Landeshauptstadt Linz künftig in gleicher Weise Förderungsmittel für den Schulbau erhält, wie sie zahllose andere oberösterreichische Gemeinden seit langem bekommen.

Grund- und Hauptschulen zu bauen, ist für Linz so dringend, daß der Vorrang dieser Aufgaben vor allen übrigen Kulturprojekten anerkannt werden muß. Der budgetären Situation, die uns zu Einsparungen zwingt, muß auf anderen Gebieten der Verwaltung — auah der Kulturverwaltung — entsprochen werden. Die bedeutendste und für die Zukunft wichtigste Kulturaufgabe erblickt die Stadt — übereinstimmend mit dem Land Oberösterreich — in der Weiterentwicklung der Hochschule für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften zur Johannes-Kepler-Universität. Von 1963 bis 1967 hat die Stadt 100 Millionen Schilling an Budgetmitteln für die Errichtung der ersten Hochschulgebäude zur Verfügung gestellt. Ein anderes großes Bauvorhaben ist die Bruckner-Halle, ein Konzerthaus, das an der Unteren Donaulände entstehen soll. Es braucht bestimmt nicht darüber diskutiert zu werden, ob eine Stadt mit 207.000 Einwohnern ein Musikzentrum erhalten soll. Wohl aber muß man es dem verantwortlichen Bauherrn überlassen, wann er mit einem solchen Bau zu beginnen wagt. Ein feierlicher erster Spatenstich ist gewiß erschwinglich — aber anständigerweise sollte doch auch der Fortgang der Arbeit finanziell einigermaßen gesichert sein. Deshalb wird in nächster Zeit beispielsweise geklärt werden müssen, ob der neue Finanzminister, Univ.-Prof. Dr. Koren, sich an die Zusagen gebunden fühlt, die sein Vorgänger gemacht und — zwar nicht in der Form eines Vertrags, aber immerhin schriftlich — bestätigt hat. Der Bund will die Errichtung der Bruckner-Halle mit 35 Millionen

Schilling (zahlbar vom Jahre 1969 an in fünf Jahresraten zu sieben Millionen Schilling) fördern. — Will er es noch?

Die Probleme der Stadt Linz bestehen aus massiven Fakten, harten unausweichlichen Aufgaben und aus Fragezeichen, die eben diese Probleme noch problematischer machen als sie von Natur aus schon sind.

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