"Man fühlt sich als Phantomlehrerin"

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Angesichts zunehmender religiöser Diversität kommt dem islamischen Religionsunterricht eine zentrale Rolle zu. Doch wie steht es um ihn - zumal im Süden von Österreich, wo es anders als in Wien oder Innsbruck keine eigene Ausbildung gibt? Am Institut für Katechetik und Religionspädagogik der Uni Graz hat man dazu eine Studie publiziert und plant Weiterbildungsangebote. Ein Gespräch mit Instituts-Mitarbeiterin Mevlida Mesanovic.

DIE FURCHE: Ihr Institut hat die 74 islamischen Religionspädagoginnen und -pädagogen in der Steiermark und Kärnten befragt, 64 haben Auskunft gegeben. Was waren die wesentlichsten Erkenntnisse?

Mevlida Mesanovic: Zentral war die Erkenntnis, dass 80 Prozent der Islamlehrerinnen und -lehrer eine akademische Ausbildung haben, nur rund ein Viertel hat eine islamische religionspädagogische Ausbildung nach österreichischen Standards. Wir haben viele, die etwa gerade eine Doktorarbeit schreiben oder Pädagoginnen sind, aber eben keine ausgebildeten islamischen Religionspädagogen.

DIE FURCHE: Wie kann das sein, wo es in der Steiermark und Kärnten knapp 11.400 muslimische Kinder gibt, die an der Schule Religionsunterricht erhalten?

Mesanovic: Das Problem ist, dass es derzeit nur an den Unis Wien und Innsbruck die Möglichkeit gibt, islamische Religionspädagogik zu studieren, und an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems die Option, das Wissen für islamische Religion an Pflichtschulen zu erlangen. Für Frauen und Männer aus der Steiermark oder Kärnten, von denen viele Familie haben, ist das nicht organisierbar. Wir bräuchten deshalb dringend in Graz einen eigenen Lehrstuhl für islamische Religionspädagogik. Inzwischen haben wir aber ein Weiterbildungsangebot für Religionslehrer erstellt, die schon im Beruf sind. Im September werden wir starten.

DIE FURCHE: Was sind typische Herausforderungen, mit denen islamische Religionslehrer an Schulen zu kämpfen haben?

Mesanovic: Oft wird über die Unterrichtsstunden am Nachmittag geklagt und darüber, dass man in das Schulleben nicht integriert ist. Viele wünschen sich Vormittagsstunden, parallel zum Religionsunterricht der anderen Religionen, damit man in das Team integriert ist und mit den Kollegen vielleicht interreligiöse Projekte machen kann. Man kann dann auch Supplierstunden oder Pausenaufsichten übernehmen und ist als Islamlehrer präsenter in der Schule. Aber oft lässt sich ein Vormittagsunterricht nicht organisieren, weil der Unterricht klassenübergreifend ist oder die Lehrer an mehreren Schulen unterrichten; und manchmal wird es einfach von den Direktoren nicht gewollt. Ich selbst war im ersten Schuljahr an 14 Schulen, da fühlt man sich manchmal schon als Phantomlehrer, weil man nirgendwo zuhause ist.

DIE FURCHE: Würde ein Fach "Ethik und Religionen" diese Aufsplitterung nicht reduzieren?

Mesanovic: Darüber kann man streiten. Mir ist wichtig, dass es eine Möglichkeit gibt, dass Schüler über ihre eigene Religion authentisch lernen -also die evangelischen von ihrem Religionslehrer und die islamischen von ihrem. Ein bloßer Ethikunterricht ist mir zu wenig.

DIE FURCHE: Gerade wird heftig über ein Kopftuchverbot diskutiert. Was ist Ihre Meinung dazu?

Mesanovic: Ich persönlich bin gegen Verbote, weil sie immer etwas anderes auslösen, vielleicht sogar das Gegenteil des Gewünschten. Aber eigentlich will ich über das Kopftuch gar nicht mehr sprechen. Ich halte mich von diesem Thema lieber fern.

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