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Mehr bieten, nicht: mehr Betten!

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Es gibt kaum einen Wirtschaftszweig, der einer so kritischen öffentlichen Beurteilung auf sein Leistungsvermögen und seinen Leistungsbeweis unterliegt, wie die Fremdenverkehrswirtschaft. Die führenden Fremdenverkehrsländer im Westen Österreichs, und hier an der Spitze Tirol, haben diese Tatsache in den letzten Jahren besonders zu spüren bekommen, wo mit neuen Belastungen für die Fremdenverkehrswirtschaft und im Gefolge mit dazu auftauchenden schwierigen Problemen trotz der stolzen Gesamterfolge mit den jährlichen Reisezahlen die Forderungen nach Leistungsverbesserungen in den Betrieben wie auch in den Fremdenverkehrsorten in verstärktem Maße laut geworden sind.

Gerade in Tirol, wo man trotz mancher Erscheinungen im Massentourismus sich im allgemeinen mit Erfolg bemüht, die Fremdenverkehrswirtschaft nicht zur Industrie werden zu lassen, sondern das Gastgewerbe als echt persönliches Dienstleistungsgewerbe zu erhalten, nimmt man Kritiken an den Leistungen der Fremdenverkehrsbetriebe gar nicht leicht, sondern geht den Ursachen kritischer Beurteilungen nach, um auftretende Mängel, wie sie bei der Größe eines solchen Wirtschaftszweiges nun einmal nicht ganz zu vermeiden sind, möglichst rasch und wirksam beseitigen zu können.

Nun sind aber auch in Tirol solchen Bestrebungen gewisse Grenzen gesetzt, wenn man dabei auf bedeutende wirtschaftliche Faktoren stößt, die nicht allein die Fremdenverkehrswirtschaft betreffen, sondern die gesamte Volkswirtschaft wie auch das Gemeinwohl der Bevölkerung berühren. So hat zum Beispiel der Aufstieg im Reiseverkehr manche Fremdenverkehrsorte vor plötzliche Probleme gestellt, die nicht mit der gewünschten Schnelligkeit gelöst werden können, weil es am Kapital, an den Arbeitskräften usw. fehlt. Die Verschönerung der Fremdenverkehrsorte, ein aktuelles Thema in den Fremdenverkehrsländern, kann auf viele Erfolge hinweisen, muß aber auch noch manche Wünsche offenlassen. Es liegt in der Natur der Sache, daß der Feriengast, der durchreisende Tourist auf dem von ihm erwählten Platz auf jeden Fall die idealsten Voraussetzungen eines schönen Aufenthaltes zu finden hofft. Man hat von preiswerten Unterkünften, von ideal gelegenen Häusern, von der guten Küche, vom guten Service usw. gehört und nimmt dann, wenn wegen der Überfüllung in solchen Orten so manches nicht dem erträumten Leistungsstandard entspricht, sofort gegen einen solchen Betrieb, gegen den Ort.oder überhaupt gegen die Fremdenverkefirswirfschaft im allgemeinen Stellung. Eine einzige Fehlleistung vermag also bei dem betreffenden Gast das gesamte Qualitätsniveau des Reiselandes in ein falsches Licht zu versetzen. Einer solchen subjektiven Beurteilung kann sich die Fremdenverkehrswirtschaft nicht erwehren, dies muß einmal als eine der unguten Erfahrungen im Reiseverkehr auf sich genommen werden.

Warum treten nun überhaupt solche, angesichts des imposanten Leistungsvolumens zwar kaum ins Gewicht fallende, einzeln aber doch spürbare Mängel auf, ohne daß man ihrer gleich von vornherein Herr werden kann? Dazu muß man das strukturelle Bild einer Fremdenverkehrsgemeinde real beleuchten. Mit den steigenden Reisezahlen in den Fremdenverkehrsorten wächst der Wunsch der Bevölkerung, an dem damit verbundenen Geldstrom teilzuhaben. So entstehen, wie man in fast allen Tiroler Gemeinden beobachten kann, neue Fremdenverkehrsbetriebe, in stärkerem Maße aber die Fremdenheime, die privat geführten Pensionen. Neubauten, oft kaum notdürftig verputzt, werden bereits zur Vermietung an Gäste verwendet. Die verantwortlichen Stellen in den Gemeinden sind nicht in der Lage, in jedem einzelnen Fall zu überprüfen, ob wirklich alle richtigen Voraussetzungen für die Aufnahme von Gästen gegeben sind. Die Entwicklung ist also verschiedentlich einfach davongelaufen, und zugleich wurde dies von der falschen Einstellung gefördert, daß es vor allem die Masse der Gäste ausmacht, die zum Erfolg führt.

Der allgemeine Trend, immer mehr Betten zu sehaffen, um möglichst viele Reisende aufnehmen zu können, beginnt jetzt seine Schattenseiten zu zeigen. Es kommt in manchen Gemeinden schon zu Stoßzeiten, in denen die übrigen Bedürfnisse der Fremden nur unter Schwierigkeiten der Fremdenverkehrswirtschaft erfüllt werden können. Bekannt ist zum Beispiel die teilweise lange Wartezeit bei den Mahlzeiten der Gäste in den Betrieben. Da vielfach überhaupt nur Fremdenheime und Pensionen gebaut werden, vermögen die bestehenden Gasthöfe den Nahrungsmittelbedarf der Gäste nicht in der wünschenswerten Kürze sicherzustellen. Denn der Ausbau der Küchenleistung in den Fremdenverkehrsbetrieben ist weitaus schwieriger durchzuführen als die Schaffung von Bettenraum durch private Hand mit vielfachen Förderungsmöglichkeiten. Sosehr es begrüßenswert ist, wenn der Ertrag aus dem Reiseverkehr möglichst weit gestreut wird und damit die gesamte Bevölkerung befruchtet, so wenig gesund ist es, wenn die Grundlagen der Fremdenverkehrswirtschaft einseitig entwickelt werden und man, entgegen den Mahnungen der Fachleute aus der Fremdenverkehrswirtschaft, Sonderinteressen gewisser Bevölkerungsteile zu sehr fördert. Wenn es in der gesamten Leistungsbilanz gewisse negative Faktoren gibt, so sind diese aus der Verkennung der Aufgaben und Ziele der Fremdenverkehrswirtschaft erwachsen. Die Tiroler Fremdenverkehrswirtschaft selbst verfügt über eine jahrhundertealte Erfahrung im Dienst an den Gästen und hat den Überblick über die Vielfalt der notwendigen Leistungen, der dem konjunkturbeflissenen Neuling aus allen Kreisen unserer Bevölkerung doch abgeht. Wenn aus dieser Lage eine richtige Konsequenz gezogen werden soll, so kann sie nur lauten, daß bei der Schaffung von Bettenraum nun Maß gehalten werden soll, weil .sich sonst die . bisherigen Erfolge in Nachteile verkehren können.

Man darf nicht damit rechnen, daß die Frequenzsteigerung der letzten zehn Jahre in gleichem Tempo weitergeht, sondern eine gewisse Abflachung eintreten wird. Das Bettenangebot muß sich diesem Umstand rechtzeitig anpassen, da sonst Fehlinvestitionen zur Auswirkung kommen werden, wenn die notwendige Belagszahl pro Bett nicht mehr erreicht werden kann. Schon jetzt ist eine Überleitung zur qualitativen Leistungssteigerung im Fremdenverkehr mit Vorrang zu behandeln - nämlich der Übergang von der quantitativen zur qualitativen Fremdenverkehrspolitik. •

Nicht noch mehr Betten, sondern vor allem bessere Leistungen in allen mit dem Reiseverkehr zusammenhängenden Branchen muß die Devise unserer Wirtschaftspolitik heißen. Tirol hat erfreulicherweise einen hohen Stand ausgezeichneter Fremdenverkehrsbetriebe aufzuweisen, dem es doch überhaupt zu verdanken ist, daß sich der Reiseverkehr auch in früher nicht erschlossenen Gebieten überhaupt erfolgreich entwickeln konnte. Man soll ja nicht vergessen, daß gut geführte Hotels und Gasthöfe, Restaurationen und Hüttenbetriebe nach wie vor die Grundsubstanz des Fremdenverkehrs bleiben. Ohne ihre Leistungsfähigkeit könnten alle anderen Fremdenverkehrsfaktoren nicht zur Auswirkung kommen. Man darf auch nicht übersehen, wie in anderen aufstrebenden Reiseländern größte Anstrengungen unternommen werden, um Gäste heranzuziehen. Sogar die afrikanischen Staaten wollen sich bereits in die Reihe der Reiseländer einfiigen. Solche Länder

Ausland mit höher dotierten Bundesmitteln, steuerliche Begünstigung von betrieblichen Investitionen, wenigstens stufenweise Abschaffung der Getränkesteuer, Fortsetzung im Ausbau der Reisewege, steuerliche Entlastung der Klein- und Mittelbetriebe, Verwendung größerer Mittel in den Fremdenverkehrsgemeinden für Ortsverschönerung und Förderung aller Maßnahmen, die der Beseitigung des Facharbeitermangels dienen. Es sind dies alles wirtschaftlich reale Faktoren, die von der Fremdenverkehrswirtschaft als Grundlagen für die qualitative Fremdenverkehrspolitik angeführt werden. Die Tiroler Fachorganisation hat in Zusammenarbeit mit dem Präsidium der Tiroler Handelskammer durch die Schaffung von Fachschulen, durch Leistungen des Wirtschaftsförderungsinstitutes mit Fachkursen, durch Subventionen für fremdenverkehrsfördernde Zwecke schon aus eigenem viel geleistet, um zu dieser notwendigen produktiven Leistungssteigerung zu kommen. Nunmehr ist es an der Zeit, daß sich die zuständigen Stellen im Bund, im Land und den Gemeinden mehr als bisher mit dem in Österreich wichtigsten Wirtschaftszweig befassen, um die erwähnten Voraussetzungen zu realisieren.

haben allein schon an Naturschönheiten viel zu bieten und werden auch den notwendigen Komfort für die Gäste schaffen, manchmal vielleicht schneller, als man auf Grund des gegenwärtigen Standards dieser Länder vermuten kann. Es wird also eine Zeit kommen, da noch mehr Probleme als bisher auf die Fremdenverkehrswirtschaft in unserem Land einstürmen werden. Die Verschärfung der internationalen Konkurrenz darf nicht übersehen werden.

Was ist nun zur Erreichung einer qualitativen Fremdenverkehrspolitik zu tun? Dazu hat die Fachorganisation schon lange ein konkretes

Programm aufgestellt, dem aber leider noch zuwenig Gehör geschenkt wird. Es umfaßt in Kürze folgende Forderungen, die im Interesse des Gemeinwohls zu erfüllen sind: Freigabe der blockierten ERP-Mittel, steuerliche Entlastung der in Österreich wesentlich höher besteuerten Fremdenverkehrsbetriebe, Umsatzsteuerbegünstigung für die Küchenwirtschaft, die sonst unrentabel und wirtschaftlich nicht mehr haltbar wird, Ausbau der Fremdenverkehrswerbung im

Was den technischen Faktor in der Fremdenverkehrswirtschaft betrifft, so ist die Innsbrucker Messe mit ihrer weitreichenden Fachschau von Spezialerzeugnissen für die Betriebe ein wertvoller Beitrag zur Rationalisierung der verschiedenen Arbeitsbereiche geworden, der sich seit Jahren als zusätzliche Fremdenverkehrsförderung bestens bewährt. Auch in diesem Jahr wird die 29. Innsbrucker Messe vom 23. September bis 1. Oktober 1961 mit den ausgestellten Waren von 660 inländischen und 442 ausländischen Firmen aus insgesamt achtzehn Staaten eine überzeugende Schau zweckmäßiger Maschinen und Geräte anbieten, die für den arbeitssparenden Einsatz im Hotel- und Gastgewerbe gedacht sind. Wie sehr diese Fachmesse den Bedürfnissen der österreichischen Fremdenverkehrswirtschaft entspricht, hat der steigende Umsatz solcher Erzeugnisse auf der Innsbrucker Messe in den letzten Jahren bewiesen.

So wie diese, in enger Zusammenarbeit mit der Fachorganisation geförderte Fachmesse sich als fremdenverkehrsfördernde und leistungssteigernde Institution bewährt, so mögen bald andere Förderungsmaßnahmen hinzukommen, damit der Grundsatz: Vorrang für die qualitative Leistungssteigerung und Fremdenverkehrspolitik, möglichst bald und vielseitig realisiert werden kann.

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