Mehr Männer braucht die Volksschule

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Um dem akuten Mangel an Volksschullehrern entgegenzusteuern, hat die KPH Wien/Krems das Projekt "Männer in der Grundschule“ gestartet.

"Mich hat überrascht, dass um einen männlichen Volksschullehrer so ein Riesentrubel gemacht wird“, sagt der Lehramtsstudent Felix Auer. Der 26-Jährige studiert im dritten Semester an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Krems. Als Mann ist er dort stark in der Unterzahl: In seinem Jahrgang kommen auf 16 männliche Studierende 250 Frauen. "Mir war bewusst, dass ich mit dieser Berufswahl aus der traditionellen Geschlechterrolle ausbreche, aber die vielfältige Arbeit mit Volksschulkindern interessiert mich sehr“, erzählt Auer. Wenn er in der Schulklasse steht, ist sein Geschlecht kein Thema: "Die Mädchen und Buben reagieren auf mich nicht anders als auf meine Kolleginnen. Doch im Umgang mit den Praxislehrerinnen, die uns Studierende betreuen, merke ich, dass es für sie eine neue Situation ist, mit einem Kollegen zusammenzuarbeiten.“

Das Lehramt ist "unmännlich“

Denn Männer sind an Österreichs Volksschulen Mangelware: Nur neun Prozent der Lehrkräfte sind männlich, Tendenz sinkend. 1960 betrug der Anteil der Volksschullehrer noch 46 Prozent. Die Abbrecherquote der Männer im Lehramt ist wesentlich höher als bei den Frauen.

Die Gründe für diesen Abwärts-trend sind offenkundig: Der geringe Lohn und die fehlenden Karriereoptionen, die gesellschaftliche Abwertung des Grundschullehramts und eine traditionelle Assoziation des Berufs mit dem weiblichen Rollenbild. Auch die Etikettierung von Volksschullehrern, "kein richtiger Mann“ zu sein oder als homosexuell oder gar pädophil zu gelten, würde Männer abschrecken, heißt es in der Broschüre "Unterrichtsprinzip Erziehung zur Gleichstellung“ des Unterrichtsministeriums.

Um dem Mangel an Volksschullehrern entgegenzusteuern, hat die KPH Wien/Krems im Studienjahr 2011/12 die Initiative "Männer in der Grundschule“ ins Leben gerufen. Die männlichen Studierenden sind nun in einer gemischten Praxisgruppe zusammengefasst. Ihre spezifische Studiensituation wird im Rahmen des Projekts erforscht. "Eine gemischte Truppe tut beiden Geschlechtern gut. Im Unterricht erweist sich das Team Teaching von Frauen und Männern als ideal. So können wir die vielzitierte Vielfalt für die Kinder erfahrbar machen“, berichtet Reinhard Feldl, Gruppenbetreuer der gemischten Schulpraxisgruppe.

Gleichzeitig werden die künftigen Volksschullehrer durch den Einsatz von männlichen Lehrenden begleitet. "Leider haben wir zu wenig Praxislehrer an den Volksschulen, die als Mentoren fungieren können“, so Feldl, "denn der Wunsch nach männlichen Mentoren ist stark.“

Männer als Lehrer müssen sich mit ihrer ungewohnten Rolle auseinandersetzen: "Sie müssen reflektieren, wie sie Nähe zu Kindern ausdrücken können. Sonst geraten sie schnell in den Strudel gesellschaftlicher Vorurteile“, meint Notburga Grosser, Vizerektorin der KPH Wien/Krems. In der Praxis fühlen sich Männer in Volksschulen oft benachteiligt: "Männliche Studierende stehen an den Volksschulen stärker unter Beobachtung. Es gab etwa Beschwerden über ihr Outfit, Verhalten oder ihren Unterrichtsstil. Oft hieß es, die Burschen seien ungeschickt“, erzählt Grosser.

Nun bilden die Männer an der KPH eine dynamische und selbstbewusste Gruppe. Ein soziales Netzwerk der männlichen Studierenden für die Zeit nach dem Studium ist in Planung. "Wir wollen uns nicht aus den Augen verlieren, um uns über unsere Praxiserfahrungen in der Volksschule weiter auszutauschen“, erklärt Nachwuchslehrer Auer.

2001 wurden Gender-Beauftragte an den Pädagogischen Hochschulen flächendeckend installiert. Ob und wie sehr die in den Curricula verankerten Gender-Inhalte tatsächlich umgesetzt werden, obliegt aber den einzelnen Lehrenden. Gerade nach den unterdurchschnittlichen PISA-Ergebnissen für Österreich erwartet man sich viel von einer Erhöhung des Anteils männlicher Lehrer: "Es besteht die Gefahr, Klischees zu bedienen. Etwa, wenn in Politik und Medien glauben gemacht wird, dass Lehrer ihre Schüler ‚besser im Griff‘ hätten, dass der schlechte Schulerfolg von Buben auf ‚die weibliche Dominanz in Kindergärten und Schulen‘ zurückzuführen wäre oder dass mehr Männer in der Schule das Fehlen der männlichen Seite in der familiären Erziehung ‚beheben könnten‘, warnt Vizerektorin Grosser.

Nicht automatisch bessere Lehrer

Forschungen zur Rolle von Männern an Schulen zeigen durchwegs: Eine ausgewogene Erziehung durch Frauen und Männer ist für die kindliche Entwicklung wichtig. "Der Vielfalt der Kinder sollte auch eine Vielfalt der Lehrkräfte gegenüberstehen. Das betrifft nicht nur das Geschlecht des Lehrpersonals, sondern auch die soziale und ethnische Herkunft“, erklärt Grosser. Von männlichen Lehrern würden alle profitieren, meint Martin Fischer, Gender Mainstreaming-Beauftragter an der KPH Wien/Krems: "Nicht nur für Burschen, sondern auch für Mädchen ist es wichtig, Männer mit pädagogischen Soft-Skills zu erleben. Lehrer können als Vorbilder für Buben deren Handlungsräume erweitern, etwa bei der Berufswahl.“ Für Freiraum und Nähe sollten sie ebenso zuständig sein wie für Disziplin und Distanz.

Das Mannsein dürfe aber nicht genügen als Voraussetzung für die Berufseignung: "Damit bestünde die Gefahr einer Deprofessionalisierung dieses komplexen Berufs“, so Grosser. Letztlich hat jede Lehrerin und jeder Lehrer einen eigenen Stil. "Ich habe Kolleginnen kennengelernt, die sicher autoritärer und konsequenter sind als ich“, sagt Lehramtsstudent Felix Auer augenzwinkernd.

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