7088729-1994_22_15.jpg
Digital In Arbeit

Meister fallen nicht vom Himmel

19451960198020002020

Für welche Sportart bin ich am ehesten begabt? Ein neues Testverfahren, kann nicht nur Spitzenleuten, sondern auch Freizeitsportlern hilfreich sein.

19451960198020002020

Für welche Sportart bin ich am ehesten begabt? Ein neues Testverfahren, kann nicht nur Spitzenleuten, sondern auch Freizeitsportlern hilfreich sein.

Werbung
Werbung
Werbung

Auf dem Computer-Bildschirm hüpft ein schwarzer Ball hin und her, ein Bub versucht im gleichen Rhythmus -der sich immer wieder ändert — auf zwei Meßplatten hin und her zu springen. 52 Sekunden dauert dieser Test in „Rhythmusanpassungsfähigkeit”, einer Übung im neuen „Talent-Diagnose-System” (TDS), das der promovierte Sportwissenschaftler Roland Werthner gerade der Presse vorstellt.

Genau diese Übung ist schon zu einer beliebten Trainingsmethode von Skirennläufern geworden, weil sie einfach Spaß macht. Wie genau die Sprünge dem Rhythmus des Balles entsprochen haben, wird binnen kurzer Zeit vom Computer berechnet und angezeigt.

Was immer man tut, soll man klug tun und an das mögliche Ende denken, besagt ein lateinisches Sprichwort. Und klug ist es sicher, Dinge zu tun, zu denen man auch die nötigen Fähigkeiten mitbringt. Manches an diesen Fähigkeiten ist erlernbar und trainierbar, manches aber nicht - man hat es als Talent von der Natur mitbekommen. Ob im künstlerischen Bereich (Musik, Zeichnen, Malen, Bildhauerei) oder im Sektor Sport - frühe Kenntnis der eigenen Talente kann für die Persönlichkeitsbildung vorteilhaft sein, und das nicht nur unter dem Aspekt von Spitzenleistungen und künftiger Berufslaufbahn. Auch ein Hobby im Bereich Kunst oder Sport macht sicher mehr Spaß, wenn man es den eigenen Begabungen entsprechend richtig ausgewählt hat.

Fünf aufstrebende österreichische Sportler, der Austria-Salzburg-Fuß-baller Martin Amerhauser, der Radrennfahrer Gerrit Klomser, der Surfer Christoph Sieber, der Hochspringer Niki Grundner und der Judoka Roman Jahoda, haben eines gemeinsam: Sie sind vor Jahren von Roland Werthner als Sporttalente entdeckt worden.

Roland Werthner, selbst einst Spitzenmann im leichtathletischen Zehnkampf (sein Bruder Georg Werthner war sogar viermaliger Olympiateilnehmer und Vierter bei Olympia 1980 in Moskau), nun Leiter des Schulsportmodells Salzburg, hat das TDS in den letzten Jahren in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Turn- und Sportunion entwickelt. Das TDS ermöglicht durch eine vernetzte Computer- und Testgerätekonfiguration bei Durchführung von 18 teilweise neuentwickelten Tests die Erfassung von 53 Faktoren der sportmotorischen Leistungsfähigkeit, insbesondere der beim Tappen (schnellen Trippeln auf einer Platte) feststellbaren Schnellkraft.

Die für TDS nötigen Geräte inklusive der nötigen Hardware und Software — bereits an sechs Union-Stationen in Österreich im Einsatz -werden bereits im Set um 129.000 Schilling angeboten. Außer dem Computer (Apple Powerbook) und dem TDS-Interface gehören zur Ausstattung eine zweigeteilte Bodenkontaktplatte, zwei Handsensor-flächen und zwei Lichtschranken. Damit und mit den üblichen Geräten einer Kleinturnhalle lassen sich alle Tests relativ schnell und einfach durchführen.

Die Tests gliedern sich in zwölf Gruppen:

1. Tapping vertikal

2. Tapping lateral

5. Lichtschrankensprints

4. Tiefsprung

5. Vertikalsprungserie

6. Zeitgefühl

7. Beaktionsfähigkeit

8. Reaktion-Aktion-Kombination

9. Rhythmusanpassungsfähigkeit

10. Dynamisches Gleichgewicht

11. Hindernislauf

12. Hallenausdauerlauf

In' Sekundenschnelle werden die

Ergebnisse ausgeworfen und festgestellt, wieviel Prozent der bisher getesteten gleichaltrigen Teilnehmer bei der jeweiligen Übung übertroffen wurden. Sind das mehr als 97,7 Prozent, so kann man (sofern auch bei anderen Übungen möglichst wenige Schwachstellen auftauchen) von einem echten Talent für den Spitzensport sprechen. Für welchen Sport, das ist dann von Fall zu Fall zu entscheiden. Aber auch Hobbysportlern und solchen, die sich als „Antisportler” fühlen, kann der Test wichtige Aufschlüsse geben. Roland Werthner: „Ich habe noch keinen getroffen, der nicht für irgendetwas begabt war.”

Als Gerrit Klomser mit vierzehn Jahren zu Roland Werthner kam, interessierte er sich für mehrere Sportarten. Weil seine Werte beim sitzenden Tappen so hervorragend waren, empfahl ihm Werthner den Radsport, heute gehört Klomser zu den weitbesten Junioren auf dem Fahrrad. Der Olympia-Fünfte im Surfen Christoph Sieber fiel Werthner hingegen schon vor Jahren durch sein unheimliches Gleichgewichtsgefühl auf (wie auch ein Schweizer Autorennfahrer, der vor allem bei Aqua-planing der Konkurrenz auf und davon fährt), und dem erst siebzehnjährigen Judoka Roman Jahoda prophezeit Werthner aufgrund allgemeiner Spitzenwerte eine große sportliche Zukunft.

Es lassen sich also für sehr verschiedene Sportarten Talente feststellen, ob aus allen Sportchampions werden, hängt natürlich noch von vielen anderen Faktoren ab. Denn Talente fallen zwar vom Himmel, Meister aber noch nicht. Ohne ein gewisses Training und die entsprechende Einstellung zum Sport wird auch der Begabteste nicht zu absoluten Spitzenleistungen fähig sein. Übrigens stehen beim TDS Ausdauer und Kraft nicht im Vordergrund, denn in diesen Bereichen kann man durch Training sehr viel verbessern. Was man aber zum Beispiel kaum trainieren kann, ist die Zeit der Bodenhaftung beim Sprint. Ob ein Jugendlicher dafür Talent hat, zeigt sich, ob der Bodenkontakt pro Schritt unter oder über 140 Millisekunden beträgt. Ein wirklich talentiertes Kind kommt dabei schon auf ähnliche Werte wie ein Weltklassesprinter, was sich später noch entwickeln muß, sind dann Schrittlänge und Schrittfrequenz.

Lob aus Leipzig

Wie der frühere Nationaltrainer der Skilangläufer und Union-Nachwuchsbetreuer Werner Schwarz bei der TDS-Präsentation sagte, sei Werthners Entwicklung sehr zu begrüßen, denn bisher erfolgte die Spezialisierung eines Sportlers meist nach dem „Zufallssystem”, je nachdem, wofür ein guter Trainer in der Region tätig ist. Sicher sei es wichtig, zuerst allgemein Freude am Sport und erst später eine Leistungsmotivation zu entwickeln. Seine Talente, und das nicht nur im sportlichen Bereich, zu erkennen und zu entwickeln, sei aber wichtig: „Was will ich, was kann ich?” Orientierung im Leben zu finden, so Schwarz, sei allgemein ein Hauptproblem unserer Zeit.

Und wie urteilt ein Experte aus der ehemaligen DDR, die ja als besondere Talenteschmiede galt? Der Leipziger Sportwissenschafter Gerald Voß ist voll des Lobes über Werthners Testverfahren: „Das TDS ist das beste mir bekannte Testsystem dieser Art, das mit aller Konsequenz auf die Belange der modernen Talent- und Leistungsdiagnostik im Nachwuchs- und auch Hochleistungstraining ausgerichtet ist und dabei eine ausgesprochen große Vielseitigkeit besitzt. Ich kann das TDS jedem größeren Verein, Olympia-stützpunkt und allen sportwissen-schaftlichen Einrichtungen mit gutem Gewissen empfehlen.”

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung