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Meldewesen: Gesetzesentwurf mit Tücken

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Die umstrittensten Punkte des neuen Meldegesetzes sind die Hauptwohnsitz-Regelung, das „Zentrale Melderegister" und die (Nicht-)Angabe des Religionsbekenntnisses.

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Die umstrittensten Punkte des neuen Meldegesetzes sind die Hauptwohnsitz-Regelung, das „Zentrale Melderegister" und die (Nicht-)Angabe des Religionsbekenntnisses.

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Mit der Abschaffung der Haushaltslisten nach der Bundesabgabenordnung vor sieben Jahren verloren die Religionsgemeinschaften ihre Informationsquelle über das Religionsbekermtnis der Staatsbürger. Prekär für die Bundesregierung: denn dadurch verstößt eigentlich die Republik gegen die Vereinbarungen des Konkordats, wonach sich der Staat verpfliehtet, die Kirche bei er Einhebung der Kirchenbeiträge zu unterstützen. Kein Wunder, daß der neue Sekretär der Bischofskonferenz, Michael Wilhehn, bei deren Frühjahrstagung vor zwei Wochen eine baldige Lösung des Problems einmahnte (FURCHE 13/1994). Den Ausweg aus dem Dilemma glaubten die Re-gierungsparteien mit der von Innenminister Franz Löschnak erarbeiteten Novelle des Meldegesetzes gefunden zu haben (dazu auch Seite 1): in Hinkunft sollen die Meldepflichtigen beim Ausfüllen des Meldezettels auf dem bei der Behörde verbleibenden ersten Blatt das Religionsbekenntnis angeben müssen. Freilich: wer bewußt falsch oder nichts ausfüllt, braucht keine Sanktionen zu befürchten - laut „Presse" ein „Gesetz mit Augenzwinkern". Dazu ÖVP-Verhandler Andreas Khol: „Strafandrohungen für die Nicht-Meldung des Religionsbekenntnisses würden der Menschenrechtskonvention widersprechen."

Die bloß freiwillige Angabe des Religionsbekenntnisses am Meldezettel könnte freilich zum Bärendienst am Verhältnis zwischen Kirche und Staat werden: so befürchten etwa Experten des Innenministeriums ein Sinken der Meldebereitschaft. Im Klartext: den Buchstaben des Konkordats werde zwar entsprochen, die Kirchen (mitbetroffen sind auch die evangelischen Kirchen) bekommen aber trotzdem nicht jene Daten, die sie früher mittels Haushaltslisten erhielten.

Zumindest ebenso problematisch ist die geplante Neuregelung der „Wohnsitzqualität". Denn derzeit kann ein Staatsbürger -gemäß Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes -mehrere „ordentliche" Wohnsitze haben. Die Konsequenzen: ein in verschied-nen Bundesländern gemeldeter Bürger kann in beiden Ländern sein Wahlrecht (auf Landes- und Kommunalebene) ausüben; für die via Volkszählung ermittelten Daten für den Finanzausgleich ergab das wiederum das Problem, welche Gemeinde Mitteln aus dem Steuertopf für diesen (doppelt gemeldeten) Bürger bekommt.

Abhilfe sollte der Begriff des „Hauptwohnsitzes" schaffen, über den bei strittigen Fällen die Behörden (der Landeshauptmann) per Reklamationsverfahren befinden können. Möglich sein sollen dabei auch behördliche Erhebungen über den „Mittelpunkt der Lebensbeziehungen", also auch über die „gesellschaftlichen, wirtschafthchen und beruflichen Lebensumstände". - Ein Horrorgedanke etwa für den Sicherheitssprecher der Grünen, Rudi An-schober, der aber auch darauf verweist, daß sogar die Mandatare der Koalitionsparteien im Innenausschuß Bedenken geäußert haben.

Zudem köimen Sicherheitsbehörden, (als Meldebehörden) auch auf Verdacht hin - ohne Beklamations-verfahren - Erhebungen über den „Mittelpunkt der Lebensbeziehungen" durchführen. Heikle Frage: dürfen dazu auch Nachbarn oder der Hausmeister als Informanten herangezogen werden?

Bedenken äußern Datenschützer auch gegen das elektronische „Zentrale Melderegister". Während ein „Datenzugriff im strafrechtlich relevanten Bereich" sogar für Anschober unbedenklich ist, befürchtet zum Beispiel der Verfassungsrechtler Felix Ermacora den „gläsernen Menschen", sollten etwa die Daten des „Zentralen Melderegisters" mit jenen aus den Reklamationsverfahren kombiniert werden. '

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