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„Mich plagt kein Wien-Komplex ”

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Der Landeshauptmann über die Notwendigkeit von „leadership” in der Politik, die Verantwortung der ÖVP für die „kleinen Leute” und die Wehrmachtsausstellung.

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Der Landeshauptmann über die Notwendigkeit von „leadership” in der Politik, die Verantwortung der ÖVP für die „kleinen Leute” und die Wehrmachtsausstellung.

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DIEFURCHE: Vm vielen Bundesländern gäbt es aus Wiener Sicht Klischees, bestimmte Begriffe, Bilder. Für Oberösterreichfällt mir aufs erste wenig ein. Können Sie mir da weiterhelfen? Was wäre denn etwas typisch Oberösterreichisches?

JoSKK pühringer: Nomen est omen: Wir sind die Ober-Österreicher. Wir sind ein sehr selbstbewußtes Land, wir haben keinen Anti-Wien-Komplex, wir sind eigenständig, und aufgrund unserer kulturellen und historischen Vergangenheit sicher ein Bundesland, das auf die Unverwechselbarkeit sehr großen Wert legt.

DIEFURCHE: Stichwort Anti-Wien-Komplex. Auch wenn Sie sagen, in Oberösterreich gibt es das nicht - ist er nicht trotzdem ein Markenzeichen des österreichischen Föderalismus? pühringer: Ich bin von einem AntiWien-Komplex wirklich nicht geplagt. Ich werde nur dann auf die Barrikaden steigen, wenn ich merke, daß die Bundesländer anders behandelt werden, oder wenn mit der Entfernung von Wien auch die Behandlung durch den Bund sich verändert. Wir sind nie sehr verwöhnt worden. Ich weiß, beim Bund herrscht weitgehend der Eindruck, die Oberösterreieher gehören zu den Reichen in Österreich, die sind wirtschaftlich potent und stark. Das ist zum Teil richtig, kann aber nie den Rund entbinden, uns bei wirklich großen Fragestellungen entsprechend zu unterstützen. Bei dieser Unterstützung haben es sicherlich die Länder in der Mitte und im Westen schwerer als jene, die sehr nahe bei der Bundeshauptstadt sind.

DIEFURCHE: Man hat oft den Eindruck, daß Föderalismus in Österreich ein Kampf um Mittel und Kompetenzen, vor allem aber ein Herumschieben von Verantwortung ist, die keiner will Siehe etwa die Spitälerdiskussion pühringer: Das ist etwas, was mich gerade auf der Ebene der Bundespolitik sehr stört. Wir haben uns im Land sehr um das sogenannte

Oberösterreichische Klima bemüht -nach dem Motto „Überzeugen ist besser als überstimmen”. Wir haben auch heute noch in der Landesregierung einen Einstimmigkeitsquotienten bei unseren Beschlüssen der über 98 Prozent liegt, obwohl die Freiheitlichen in der Regierung sind, und ohne die Freiheitlichen hätten wir wahrscheinlich einen, der an die 100 Prozent knapp herankommt. Ich sage ganz offen, daß ich einen Grund, warum es bei beiden Regierungsparteien Stimmenverluste im Lauf der Jahre gegeben hat, darin sehe, daß der Reibungsverlust innerhalb der Koalition immer zugunsten Dritter oder Vierter gegangen ist. Natürlich ist es notwendig, daß die Parteien ihre Profile behalten, auch in einer Koalition, denn am Wahltag treten sie ja getrennt an. Aber das Entscheidenste ist, daß eine Regierung die Probleme eines Landes löst. Und danach wird sie auch in erster Linie bewertet. Ich glaube, daß wir uns sehr bemühen sollten, daß die wirklich wichtigen Fragen - und da zählt die Spitalsfinanzierung dazu -gemeinsam von den großen Parteien des Landes gelöst werden, denn Nutznießer von Erledigungsdefizit in der Regierung ist die Opposition.

DIEFURCHE: In den

OÖ-Nachrichten war vor einiger Zeit eine Umfrage, die Ihnen sehr gute Werte bescheinigt hat Die ganze Lambach-Diskussion dürfte Ihnen also nicht geschadet haben ... pühringer: Die Politik hat ein Handlungsdefizit. Ich glaube, daß Politiker, die handeln und auch zu ihrer Entscheidung stehen, wieder gefragt sind. So interpretiere ich die Umfrageergebnisse, und auch dahingehend, daß in unserer Landespolitik, auch in der Zeit, in der ich Landeshauptmann bin, in den letzten 20 Monaten, doch Beachtliches weitergegangen ist. Wir haben die besten Arbeitsmarktdaten fast von allen Bundesländern, wir liegen bei den Arbeitslosen immer um ein bis zwei Prozent über dem Schnitt der anderen Bundesländer. Wir haben unser Budget in Ordnung. Wir haben einen Nationalpark Kalkalpen unter Dach und Fach gebracht. Wir haben den Verkehrsverbund unter Dach und Fach gebracht. Wir sind dabei, mit der Stadt Linz einiges zu realisieren, insbesondere im öffentlichen Verkehr. Und wir sind als ÖVP Oberösterreich ganz konsequent einen Weg gegangen, daß wir uns als Partei der kleinen Leute profilieren. Wir werden nicht mit ein paar Prozent Gutsituierten, die eher zu uns tendieren, einen Erfolg einfahren können. Gerade die Politiker der Volkspartei mit einem christlich demokratisch-sozialen Programm haben sich um die kleinen I>eute anzunehmen. Das ist auch mein Hauptprogramm bei den kommenden Wahlen (Landtagswahlen 1997, Anm.). Wir haben vier Schwerpunkte: Familie, Sicherheit, Arbeit und Bildung. Und mit diesen Schwerpunkten werden wir bei den Schwachen ansetzen in der Familie zugunsten der Mehrkind-Familie, bei der Bildung schauen, daß wirklich der Zugang auch im Bezirk Rohrbach lOOprozen tlg gegeben ist, und nicht nur für den, der in der Stadt wohnt. Bei der Arbeit, daß gerade nicht auf den letzten vergessen wird, denn wir haben eine soziale Marktwirtschaft. Wir müssen aufpassen, daß in Zeiten des Lohndrucks, des Leistungsdrucks, der Auslagerung, wo in erster Linie die einfachste Arbeit ausgelagert wird, daß uns das Soziale an der sozialen Marktwirtschaft nicht abhanden kommt. Dafür stehen wir, die ÖVP Oberösterreich, als besondere Hüter.

DIEFURCHE: Ist das auch als Ansage in Richtung Jörg Haider zu verstehen? Und dazu noch die unvermeidliche Gretchenfrage: Wie halten Sie es damit, ob man sich schwarz-blau als Option grundsätzlich offen halten sollte? pühringer: Als ich vor fast zehn Jahren in die Regierung gegangen bin, da hat Jörg Haider noch eine eher unbedeutende Rolle gespielt. Mein Vater, der auch lange Zeit Politiker war, hat am Anfang zu mir gesagt: „Sepp, wenn Du in die Politik hinaufsteigst, dann vergiß nicht auf die, die unten sind.” Ich stamme aus einfachen Verhältnissen, mein Vater war ein kleiner Schneidermeister mit ein paar Angestellten. Je höher man hinaufkommt, desto schwerer tut man sich mit dem Hinunterschauen, und vor allem auch mit dem Begreifen der Probleme, die diese kleinen Leute haben. Um das bemühe ich mich, nicht vorrangig, weil ich überzeugt bin, daß dort die Masse der Wähler daheim ist, sondern weil ich das als die Aufgabe der Politik sehe, sich um die anzunehmen, die in der Gesellschaft schwächer sind, die sich die Sachen nicht selbst richten können. Was Haider anlangt, muß ich Ihnen sagen, ich habe über--1haupt vor niemandem Angst. Auf Landesebene stellt sich die Koalitionsfrage nicht, weil wir eine Konzentrationsregierung haben.

DIEFURCHE: Und im Bund? pühringer: Man kann sich nicht aussuchen, wie der Wähler entscheidet. Es hat keinen Sinn zu sagen, ich nehme das nicht zur Kenntnis, denn dann nehme ich die Demokratie nicht zur Kenntnis. Derzeit ist aber eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen extrem schwierig wegen des Person ihres Obmanns.

DIEFURCHE: „Derzeit” heißt, es kann sich ändern? pühringer: Gesprächsfähigkeit muß man immer erhalten. In der Koalition muß man aber grundsätzlich treu sein, man kann nicht ununterbrochen ausscheren, das kann man wirklich nur tun, wenn es wichtig Gründe gibt, wie das letzte

Mal, wo es kein Budget mehr gegeben hat.

DIEFURCHE: Vor einiger Zeit schon wurde Ihnen vorgeworfen, Sie hätten gegen die Bereitstellung von Mitteln für die umstrittene Wehrmachtsausstellung interveniert ... pühringer: Ich bin nicht gegen diese Ausstellung, das ist überhaupt keine Frage in einer Demokratie. Meine Kulturpolitik ist eine sehr offene, eine sehr liberale, es kann jeder Ausstellungen und Kulturveranstaltungen machen. Ich bin dagegen, daß man die Wehrmachtsausstellung aus öffentlichen Mitteln fördert aus drei Gründen: erstens weil ich glaube, daß sie auch anders fmanzierbar sein muß, es geht um lächerliche Beträge. Zweitens glaube ich, daß die Vorgeschichte, die diese Ausstellung erlebt hat, sehr unglücklich gelaufen ist. Es ist aufgrund dieser Vorgeschichte zu erwarten, daß die Ausstellung auch bei uns zu einem großen Generationenkonflikt wird, wenn man mit öffentlichem Steuergeld, auch Steuergeld der Betroffenen, diese Ausstellung fördert. Dieser Konflikt ist unausweichlich, er ist polemisch, er wird natürlich mit Mitteln geführt, die dann immer Usus werden, wenn emotional ein Thema zu hoch kommt. Ich bin nicht dazu da, daß ich solche Konflikte anheize. Drittens will ich eigentlich den Freiheitlichen keine Chance geben, daß sie dieses Thema zu einem-Thema der politischen Auseinandersetzung in Oberösterreich machen auf ihre Art und Weise. Das haben wir in Kärnten erlebt, und das möchte ich von Oberösterreich fern halten.

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