Jugendliche mit Migrationshintergrund brechen häufiger die Schule ab. Schuld daran ist ihre soziale Lage: Weil Zuwandererfamilien häufig ärmer sind, haben ihre Kinder weniger Chancen.
Kinder mit ausländischen Wurzeln gehen deutlich häufiger im Schulsystem verloren als ihre österreichischen Mitschüler. Während die Schulabbrecherquote bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund bei rund 13 Prozent liegt, beträgt sie bei jungen Menschen, die selbst oder deren Elten nicht in Österreich geboren sind, 26 Prozent. Der Grund dafür ist ein sozioökonomischer: Je schlechter die sozialen Verhältnisse, je niedriger der Bildungsgrad des Umfelds, desto häufiger schaffen es die Kinder nicht durchs Schulsystem. Und weil junge Migranten besonders oft von diesen Aspekten betroffen sind, brechen sie auch überdurchschnittlich oft die Schule ab.
Die Einkommensunterschiede zwischen Migranten und Österreichern macht eine aktuelle Studie der Arbeiterkammer (AK) deutlich, die am Dienstag präsentiert wurde: Während 20 Prozent der Beschäftigten ohne Migrationshintergrund mehr als 2400 Euro netto verdienen, sind es bei Migranten nur fünf Prozent. 60 Prozent der Migranten verdienen hingegen höchstens 1400 Euro netto. Den Grund für die Einkommensunterschiede sieht die AK unter anderem im unterschiedlichen Ausbildungsniveau, aber auch darin, dass viele Zuwanderer weit unter ihrer Qualifikation beschäftigt sind. Außerdem ist das Arbeitslosenrisiko von Migranten überdurchschnittlich hoch: In den letzten zehn Jahren waren mehr als 40 Prozent von ihnen zumindest einmal von Arbeitslosigkeit betroffen. Bei den Pflichtschulabsolventen unter ihnen waren es 55 Prozent. Von den Beschäftigten ohne Migrationshintergrund waren nur zwölf Prozent arbeitslos.
Hauptschule für Wenigverdiener
Das niedrige Einkommen und das hohe Arbeitslosenrisiko verschlechtert auch die Chancen ihrer Kinder. Das zeigt eine Spezialauswertung einer anderen AK-Studie über Bildungswegentscheidungen: Je weniger die Eltern verdienen, desto eher kommen ihre Kinder in die Hauptschule und danach in eine Handels- oder Fachschule. In der vierten Klasse Volksschule sind 25 Prozent der Schüler Kinder von Wenigverdienern, in der vierten Klasse Gymnasium aber nur 13 Prozent. In der letzten Stufe der Hauptschule hingegen sind es 34 Prozent. Und weil die Wenigverdiener eben häufig ausländische Wurzeln haben, sind das vermehrt Migranten-Kinder: In fast zwei Dritteln der befragten Familien mit weniger als 1500 Euro Netto-Haushaltseinkommen pro Monat ist zumindest ein Elternteil im ehemaligen Jugoslawien oder in der Türkei geboren.
Sprachförderung im Kindergarten
Auch Bildungsministerin Claudia Schmied beobachtet, wie Jugendliche mit ausländischen Wurzeln in der Bildungslaufbahn verloren gehen: "In den Berufsbildenden mittleren Schulen gibt es noch verhältnismäßig viele Schüler mit Migrationshintergrund, in den Berufsbildenden höheren Schulen werden es schon weniger. Und in den Berufsschulen sind Migranten stark unterrepräsentiert.“ Sozialminister Hundstorfer gibt bei einer Podiumsdiskussion am Dienstag zu bedenken, dass die größte Barriere für die Integration von Migranten am Arbeitsmarkt die eigenen Vorurteile seien: "Der Schlüssel ist, real vorhandene Vorurteile abzubauen.“ Schmied räumte ein, dass Österreich Probleme habe, im Bildungssystem Chancengleichheit herzustellen.
Eine Maßnahme, um dem entgegen zu wirken, hat die Regierung auf Initiative von Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz ebenfalls am Dienstag beschlossen: die Verlängerung der sprachlichen Frühförderung in Kindergärten. Damit erhalten die Länder von heuer bis 2014 jährlich fünf Millionen Euro vom Bund. Mit dem Geld sollen Fördermaßnahmen für drei- bis sechsjährige Kinder mit Sprachproblemen finanziert werden. "23 Prozent aller Kinder sprechen so schlecht Deutsch, dass in der Schule Schwierigkeiten zu erwarten sind“, sagt Bundeskanzler Werner Faymann. Das betrifft allerdings nicht ausschließlich Migranten: "Ein Drittel dieser Kinder hat Deutsch als Muttersprache. Dieses Manko müssen wir beseitigen, damit die Kinder bei ihrer Ausbildung und im späteren Beruf bessere Chancen haben. Je früher das Defizit ausgeglichen wird, desto besser.“ (dol)
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